HR Today Nr. 4/2020: New Work

Digitale Lernkonzepte

Unvorhersehbare Probleme, Ziele, die sich abrupt ändern, und Strategien, die morgen schon wieder veraltet sind: Das lebenslange Lernen gilt als einer der wichtigsten Wettbewerbsfaktoren zukunfts­gerichteter Organisationen. Eine Herausforderung, denn im Arbeitsalltag bleibt kaum mehr Zeit dafür.

Neben dem Tagesgeschäft mit seiner anschwellenden Informationsflut bleibt kaum Zeit für Weiterbildungen. Mehrtägige Präsenztrainings können und wollen sich die meisten Unternehmen nicht mehr leisten und greifen deshalb verstärkt auf flexiblere und ortsunabhängige Schulungen zurück. Wo früher Kollegen oder Mitschriften halfen, unterstützen heute Lern- und Lösungshilfen wie webbasiertes E-Learning, Webinare, Blended Learning oder Virtual Classroom Trainings.

Bei allen Vorzügen haben auch diese Ansätze ihre Schwachstellen. Sie liefern zwar Know-how zu bestimmten Themen und Projekten und sind Wissensinseln in einem Ozean immer neuer Aufgaben, aber wer hat schon Lust, sich einstündige Tutorials anzusehen, wenn ein kurzer Zuruf genügen würde? Im Google-Zeitalter sind wir an Ein-Klick-Antworten gewöhnt.

Kontextbasierte Hilfe im «Moment of Need»

Alles spricht für einen radikal pragmatischen Ansatz: Statt «auf Vorrat» zu lernen, braucht es im passenden Moment pointierte Hilfestellungen. Als würde man mal eben einen Kollegen um Rat fragen – einen allwissenden Kollegen wohlgemerkt. Die Zukunft gehört deshalb Teams, die jederzeit auf Hilfen, Anleitungen und Kurse zugreifen können.

Kontextbasiertes Lernen ist ein komplexer Name für eine denkbar einfache Sache. Schon Kinder lernen, indem sie ihre Umwelt unmittelbar erfahren und Fragen stellen, während sie etwas tun. Dieses Prinzip liegt einer neuen Generation von Softwarelösungen zugrunde: digitale Lernformate und Hilfen, die sich in die Arbeitsprozesse am Rechner einbinden lassen. Die Anwendung läuft permanent im Hintergrund und gibt Mitarbeitenden genau dann Tipps, wenn sie diese brauchen.

Das Archiv als Assistent

Die Bandbreite möglicher Hilfestellungen ist gross. Lerninhalte können aus internen oder externen Quellen stammen, als Text- oder Bilddatei vorliegen, als intuitive Führung (Guidance) oder Zusatzinformation wie Regularien angeboten werden. Gemeinsam haben alle Optionen, dass sie sich auf das Wesentliche beschränken und den Nutzer befähigen, in der jeweiligen Situation richtig zu handeln. Etwa wie ein Pilot in einer kritischen Flugsituation, der über den Wolken keine Ausbildungsunterlagen durchblättert, sondern sich an schnell verfügbaren Handlungsanweisungen und Schritt-für-Schritt-Anleitungen orientiert, die den konkreten Fall adressieren.

Diese Hilfe im «Moment of Need» kann für dienstleistungsorientierte Unternehmen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden, beispielsweise im Finanzbereich, wenn sich ein Mitarbeitender fragt, wie er ein Formular ausfüllen oder welche compliancerelevanten Unterlagen er vom Kunden verlangen muss. Erhält er hierzu die nötige Unterstützung, wann er sie braucht, ist der Schritt zum zufriedenen Kunden nicht mehr weit.

Pull, don’t push

Auch die beste Software kann nicht alle Probleme lösen. Sie unterstützt Mitarbeitende idealerweise aber dabei, weiterführende Informationen zu finden. Im besten Fall lassen sich über eine Share-Funktion relevante Inhalte mit dem Team teilen, was vor allem für Helpdesk-Mitarbeitende nützlich ist. Praktisch sind zudem Notifications, also Mitteilungen zu neuen Vorgaben und Regelungen, die im passenden Kontext erscheinen. Beispielsweise Verhaltensregeln wie «Think before you print» oder Hinweise, dass sich die Anwenderoberflächen von Salesforce oder Reiserichtlinien geändert haben.

Unter dem Strich lassen sich akute Know-how-Lücken schnell mit kontextbasierten Hilfen weitgehend automatisiert und ohne Schulungsbudget schliessen. Dabei können Unternehmen benötigtes Wissen nahezu vollständig nach dem Pull-Prinzip (selbstständiges Lernen) vermitteln. Das Push-Prinzip (zum Beispiel in Präsenzseminaren) hat dagegen ausgedient. Ein intelligenter Assistent für die vielen kleinen und grossen Hürden im Arbeitsalltag ist ein Lernkonzept, das der Digitalisierung gerecht wird.

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Matthias Langen­bacher ist seit 2014 Geschäftsführer und Key Account Manager der TTS Schweiz. Vor seinem Einstieg beim Full-Service-Anbieter für Performance Support, HR Consulting und Corporate Learning hat Langenbacher 20 Jahre im Verkauf von HR-Services und Weiterbildungen in der Schweiz gearbeitet.

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