Strategisches HR

Ein HR-Team erfindet sich neu

Wächst ein Unternehmen schnell, so braucht es ein vorausschauendes HR, das die Veränderungen 
begleitet und unterstützt. Moderne HR-Business-Modelle sind gefragt. In zwei Schritten hat die Avaloq, 
Anbieterin von Standard-Banking-Software, ein solches eingeführt. Ein Erfahrungsbericht.

HR-Business-Partner-Modelle sind bislang vor allem aus grösseren Unternehmen bekannt. Als Richtgrösse für ein solches Modell gilt eine Unternehmensgrösse von mindestens 2000 Mitarbeitenden. Als Argument wird aufgeführt, dass die Kosten, die ein solches Modell verursacht, unterhalb dieser Grösse nicht vertretbar sind. Doch das Business-Partner-Modell hängt nicht von der Grösse des Unternehmens ab, sondern vom Mehrwert, den ein Unternehmen von seinem HR erwartet. Soll das HR eine rein operative Rolle im Unternehmen spielen, ist das Business-Partner-Modell sicher das falsche Modell. Es ist dann, unabhängig von der Unternehmensgrösse, zu teuer. Soll HR aber zukunftsorientiert tätig sein und das Unternehmen im Bereich Human Capital Management, Change Management und Performancesteigerung aktiv unterstützen, dann bietet sich ein BusinessPartner-Modell auch bei einem KMU wie Avaloq Evolution AG mit 580 Mitarbeitenden an.

HR-Aufgaben prospektiv angehen

Als ich vor zwei Jahren als HR-Leiter zur 
Avaloq wechselte, hatte das Unternehmen ein gängiges HR, das eher auf die Lösung gegenwärtiger Probleme ausgerichtet war und 
weniger an zukunftsorientierten Problemen arbeitete. Vor allen Dingen mussten die HR-Mitarbeitenden das starke Wachstum bewältigen. Im Jahr 2008 rekrutierte das Team zirka 160 neue Mitarbeitende. Der Schwerpunkt der operativen Tätigkeiten waren Payroll, die Personaldossierverwaltung und die Abwicklung der operativen HR-Prozesse an unseren ausländischen Standorten. Im Bereich des HR-Managements stand sehr stark die Unterstützung der Manager bei schwierigen Führungsaufgaben im Vordergrund, die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden und der Aufbau neuer ausländischer Standorte. Die Mitarbeiter- und Führungsausbildung wurde hauptsächlich durch externe Partner abgewickelt. Für zukunftsorientierte HR-Arbeit und Veränderungsbegleitung bot sich aufgrund der 
Ressourcenknappheit kein Raum. Betrachtet man die Rollen des HR aus der Perspektive Dave Ulrichs, zeigt sich recht klar, dass die Tätigkeiten des HR sehr gegenwartgetrieben waren.

Die Rollen im HR bestanden aus drei Profilen: dem HR-Manager, dem HR-Spezialisten für Administration und Payroll sowie der HR-Assistenz, welche unterstützende Arbeiten leistete. Die Aufgaben der einzelnen HR-Mit-arbeitenden waren nicht stark voneinander abgegrenzt. Die HR-Manager mussten beispielsweise auch administrative Aufgaben übernehmen.

Im ersten Jahr meiner Tätigkeit warteten sehr viele HR-Projekte auf mich, die aufgrund von Ressourcenmangel vorher nicht bearbeitet werden konnten. Ausserdem war die Anforderung an mich gestellt worden, eine HR-Strategie zu erarbeiten. Mit der existierenden Organisationsform waren diese Projekte nicht zu bearbeiten, da die Aufgaben der HR-Mitarbeitenden zum Teil nicht klar geregelt sowie auch überlappend waren und dadurch der Freiraum für Projekte nicht bestand.

Ein Unternehmen wie Avaloq, das sehr schnell auf Änderungen am Markt reagiert und zudem sehr schnell national wie international wächst, braucht ein HR, welches das Unternehmen bei diesen Aktivitäten spürbar unterstützt. Dabei ergeben sich die folgenden Hauptaufgaben:

  • Rekrutierung von Mitarbeitenden im 
In- und Ausland
  • 
Unterstützung der Internationalisierung auf den Ebenen Kultur, Prozesse und 
Sprache
  • 
Veränderungsbegleitung von Neuausrichtungen und Reorganisationen
  • 
Coaching und Begleitung der Manager
  • 
Führungsausbildung
  • 
Führen einer effizienten HR-Administra-tion im In- und Ausland

Diese Aufgaben müssen aber prospektiv angegangen werden. HR muss also in der Lage sein, aufgrund von Strategie- und Business-Plänen Entwicklungen abzuschätzen und rechtzeitig entsprechende Vorschläge zur Unterstützung des Unternehmens zu machen. Die Königskunst für einen HR-Mitarbeitenden besteht darin, das Geschäft des eigenen Unternehmens zu verstehen.

Ein neues HR-Modell in zwei Stufen

Nach der Analyse der oben beschriebenen Anforderungen ans HR entschloss ich mich, das HR in zwei Phasen umzubauen. Dabei stand im Vordergrund, ein modernes, effektives und effizientes HR-Business-Modell zu entwerfen, das bei Unternehmen dieser Grösse so nicht zu finden ist. HR muss konsequent die schnelle Entwicklung der Avaloq Evolution AG unterstützen können. Das Zielmodell, welches am 1. September 2010 eingeführt wurde, ist ein funktionales HR-Modell mit HR-Business-Partnern.

In einer ersten Phase wurde im April 2009 eine Matrixstruktur eingeführt. Dieser Zwischenschritt war notwendig, weil andernfalls, bei konstantem HR-Mitarbeiterbestand, eine Reihe von Projektarbeiten neben dem Tagesgeschäft nicht hätte durchgeführt werden können (siehe Abbildung 1).

Zum einen betreuten die HR-Manager die Divisionen, zum anderen wurden die Dienstleistungen wie HR Controlling, internationales HR, HR Development und HR Operations transversal durch Kompetenzzentren allen Bereichen zur Verfügung gestellt. Die Weiter- und Neuentwicklung von HR-Dienstleis-tungen fanden in den Kompetenzzentren statt. Da der Mitarbeiterbestand nicht erhöht werden konnte, mussten die HR-Manager zum Teil einen Bereich betreuen und gleichzeitig einen Kompetenzbereich führen.

Aufgrund dieser neuen Struktur konnte jetzt gezielt Weiterentwicklung in Form von Projektarbeit betrieben werden.

Für meine Mitarbeitenden war diese neue Organisationsform eine grosse Herausforderung. Projektarbeit und die konzeptionelle Weiterentwicklung hatten bisher nicht zu ihrer alltäglichen Arbeit gehört. Daher unterstützte ich sie durch persönliches Coaching bei ihren neuen Aufgaben. Ebenso wurde ein Tag im Monat für Ausbildung investiert.

Direkt ein HR Business Partnering einzuführen, habe ich nicht in Betracht gezogen, da die HR-Manager einer Anspruchshaltung der Linie gegenübergestanden wären, die sie zu dem Zeitpunkt nicht erfüllen konnten.

Allerdings hatte diese Matrixorganisation für die Mitarbeitenden massive Nachteile. Die HR-Manager mussten weiter operative Aufgaben erfüllen, wie zum Beispiel die zeitaufwändige Rekrutierung, die ihnen Kapazität von der Projektarbeit wegnahm. Ebenso war die Schnittstelle HR-Manager / operatives HR noch nicht ausreichend beschrieben und geklärt, sodass es immer wieder zu Missverständnissen und somit Zusammenarbeitsproblemen kam. Eine Funktionalisierung mit HR-Managern, die nur eine Betreuungsaufgabe und Projektarbeit übernehmen, war auch nicht möglich, da die Mitarbeitenden im operativen HR einer massiven Überlastung ausgesetzt gewesen wären.

Der Unterschied zwischen einem Business-Partner-Modell für ein kleineres Unternehmen und jenem für eine Grossunternehmung liegt im Profil des Business-Partners. Der Business-Partner eines KMU muss ein relativ gutes Know-how im Bereich der HR-Prozesse haben. Dieses wird bei einem Business-Partner eines grösseren Unternehmens nicht nötig sein, da hier die funktionalen Bereiche wie etwa Shared Service Centers Ausnahme-situationen selbst bewältigen können.
Das Profil eines KMU-Business-Partners ist anspruchsvoller und auch am Arbeitsmarkt schwieriger zu rekrutieren. Er muss ein relativ gutes Businessverständnis mitbringen, konzeptionell und umsetzungsstark sein und gleichzeitig noch ein gutes Basisverständnis der HR-Prozesse haben.

Betreuung in strategischen Fragen

Unser neues HR-Business-Modell ist in Abbildung 2 ersichtlich. Die Business-Partner sind der Single Point of Contact für die Kunden. Sie betreuen den Kunden in strategischen Fragestellungen, im Veränderungsmanagement und im Performance Coaching. Sie rekrutieren ausschliesslich das Management und zeichnen als Generalunternehmer für alle HR-Aktivitäten in ihrem Betreuungs-
bereich verantwortlich. Darüber hinaus setzen sie HR-Prozesse wie MbO-Prozesse, Nachfolgeplanung etc. in ihrem Bereich um. Des Weiteren übernehmen sie keine Matrixrolle mehr. Eine transversale Rolle, die wir aufgrund der starken Internationalisierung des Unternehmens eingeführt haben, ist die Funktion des «Business Partner International». Dieser Business-Partner ist verantwortlich für alle internationalen HR-Governance-Fragen und den HR-seitigen Aufbau eines neuen Standorts.

Neben dem Business Partnering gibt es die rückgelagerten Funktionen des HR Shared Service Center und des HR Development. Im Shared Service Center sind alle operativen HR-Prozesse, das HR-Marketing, die nationale Rekrutierung in Form eines speziellen Rekrutierungs-Centers sowie das HR Controlling angesiedelt. Das HR Development unterstützt die Business-Partner in allen konzeptionellen Themen des Veränderungsmanagements, der Kulturentwicklung, des Knowledge Management und des Performance Management.

Für das HR Development sowie das Rekrutierungs-Center ist jeweils eine Stelle aufgebaut worden. Ein Mitarbeiter hat vom HR-Management ins Shared Service Center gewechselt. Durch den Weggang eines HR-Managers bestand die Möglichkeit, einen erfahrenen und projekterprobten Business-Partner vom Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Ansonsten hat  sich der Personalkörper im HR nicht verändert.

Herausforderungen des Modells

Ob das Modell zur vollen Reife kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

1. Kompetenz der Business-Partner
Da nur ein neuer Business-Partner mit einem grossen Teil des benötigten Know-hows zu uns gestossen ist, liegt eine grosse Hürde in den noch aufzubauenden Kompetenzen im Bereich des strategischen Partners und des Change Management. Ob die Linie die von uns angekündigten Dienstleistungen erhält, hängt davon ab, wie schnell wir es schaffen, die Kompetenzen hierfür weiter aufzubauen. Gemäss einer Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden sehen die Business-Partner selbst ihren Aufholbedarf in den eben genannten Kompetenzen. Da sich aber unser Unternehmen selbst auch in fortwährendem Weiterentwicklungsprozess befindet, schätze ich die Chancen für sehr gut ein, dass uns dies entlang dem Entwicklungsprozess des Unternehmens gelingen wird.

Um dieses Ziel zu erreichen, investieren wir stark in Ausbildung on the job, kollegiale Fallberatung und formale Ausbildung in Form von Tool Training. Dazu definiere ich mit jedem Mitarbeiter einen individuellen Entwicklungsplan, der sich an der neuen Rolle als HR-Business-Partner und an seinem Know-how-Stand orientiert.

2. Transparenz
Um den Kunden aufzeigen zu können, welchen Nutzen ihnen das neue Modell bringt, führen wir alle Dienstleistungen in einem Katalog auf. Ebenso werden wir Performance-Inidizes einführen, die dem Business zeigen, wie effizient die Dienstleistungen erbracht werden. Sollte das Management den Eindruck gewinnen, dass sich das Modell verteuert hat, aber kein spürbarer Mehrwert daraus resultiert, ist das neue HR-Modell in Gefahr.

3. Zusammenarbeit
Das Modell trägt die Gefahr der «Zwei-Klassen-Gesellschaft» zwischen Business-Partnern und Shared Service Center in sich. Da nun die operativen Aufgaben klar dem Shared Service Center zugeteilt sind, könnten diese Mitarbeitenden das Gefühl haben, nur minderwertige Tätigkeiten auszuführen. Hierzu setzen wir sehr stark auf Dialog und versuchen, alle Missverständnisse und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit durch klärende Gespräche und Workshops zu beseitigen.

Wir stehen noch am Anfang mit unserem neuen HR-Modell und sind den vollständigen Beweis, dass sich die HR-Welt bei Avaloq verbessert hat, noch schuldig geblieben. Ich bin mir aber sicher, dass dieses Modell zukunfts-tauglich ist und dass es auf die Bedürfnisse eines stark wachsenden Unternehmens wie das unsere schnell reagieren kann.

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Peter E. Mantsch ist Head 
Human Resources bei der Avaloq Evolution AG und für die 
Internationalisierung des HR sowie für das Management Development zuständig.

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