Fallbeispiel Mettler Toledo: Wenn die Führungsausbildung Chefsache ist
Führungsentwicklung muss nicht ausschliesslich von externen Experten betreut werden. Beim Hersteller von Präzisionsinstrumenten Mettler Toledo ist der Ansatz «Leaders teaching Leaders» Kultur und Programm. Der persönliche Bericht von Dörte Götz-Krenzien, verantwortlich für den internationalen Bereich Personalentwicklung bei Mettler Toledo.
Mit der zunehmenden Globalisierung der Produktionsprozesse und der Absatzmärkte sind wir gefordert, bereichsübergreifende Prozesse zu entwickeln und gewinnbringend umzusetzen. Deshalb hat die Geschäftsführung von Mettler Toledo entschieden, den Fokus auf die Entwicklung unserer Mid-Level Manager zu legen. Sie sind ein wichtiges Bindeglied zwischen der Umsetzung zentraler Prozesse und lokalem unternehmerischem Handeln. Ziel ist es, genügend interne, talentierte Schlüsselmitarbeiter zu entwickeln, die diese – für den Geschäftserfolg so zentrale – kulturelle Übersetzungsarbeit leisten können.
Aus vorgelebten Werten lernen
Anders als in der Vergangenheit, in der man zukünftigen Führungskräften über ein firmeninternes Mini-MBA die Grundlagen der Betriebswirtschaft und der Führung vermittelt hat, setzen wir auf unsere eigenen Führungskräfte als Programmentwickler und Trainer. Die Geschäftsführung hat abgeleitet von der Unternehmensstrategie die Kompetenzen festgelegt, die wir in unserem Unternehmen benötigen, um im Markt bestehen zu können. Darauf aufbauend wurden die Inhalte für das Management Development Programm entwickelt. Gleichzeitig wurden Senior Leader ausgewählt, die in Zusammenarbeit mit dem HRM diese Themen und Lerninhalte ausarbeiten und schulen.
Die Einbindung des Senior Management in die Entwicklung der Inhalte und das Training bietet viele Vorteile für eine zukunftsgerichtete Führungskräfteausbildung:
- Die Senior Leader haben ein Forum, in dem sie die Geschäftsstrategien erklären können. Sie leben die Werte authentisch vor und zeigen, was es heisst, erfolgreich zu führen.
- Durch das direkte Feedback und die Fragen – z.B. an den abendlichen Roundtable-Gesprächen – bekommen die Teilnehmer einen direkten Einblick in die Führungsrealitäten der verschiedenen Märkte und Regionen.
- Die Teilnehmer können ihre Kenntnisse über ihren Bereich hinaus mit Mettler- Toledo-erprobten Konzepten erweitern und werden mit neuen Ideen inspiriert, die sie nach der Ausbildung in ihrem Umfeld einbringen können.
- Es bauen sich starke Netzwerke über verschiedene Führungsebenen auf, die einen nachhaltigen Entwicklungsprozess begünstigen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Management-Development-Programms ist die Kombination aus Klassenraumtraining und «Learning on the job». Das Entwicklungsprogramm ist ein Prozess, kein Event. Das heisst: Es gibt eine Vorbereitungsphase, zwei Klassenraum-Module an den Firmenhauptsitzen Greifensee und Columbus, im US-Bundesstaat Ohio sowie eine Nachbereitungsphase. Diese garantiert den Transfer des Erlernten in das Arbeitsumfeld der Teilnehmer.
30 internationale Teilnehmer werden über einen Talent-Assessment-Prozess durch das Senior Management ausgewählt. Sie durchlaufen einen Lernprozess von insgesamt neun Monaten. In einem Kick-off werden das Programm und die Erwartungshaltungen geklärt. Ein wichtiger Schritt ist die Einbindung des direkten Vorgesetzten in den Lernprozess. Basierend auf einem 180-Grad-Assessment kann sich der Teilnehmer zielgerichtet auf die Klassenmodule vorbereiten. Sie vermitteln einen Gesamtüberblick über unsere Geschäftsfelder, die Arbeitsmethoden und die Führungskompetenzen, die das Arbeiten bei Mettler Toledo erfolgreich machen. Abgerundet wird das Programm mit einer Business Simulation, in der die Teilnehmer verschiedene Firmenstrategien und ihre Umsetzung selbst erproben können. Nach den jeweiligen Klassenraummodulen beschliessen die Teilnehmer mit ihrem direkten Vorgesetzen, welche Lerninhalte sie in ihrem täglichen Arbeitsumfeld umsetzen werden und wie der Erfolg gemessen wird.
Eine Win-win-Situation für alle
Gemäss unseren Erfahrungen profitieren vom «Leaders teaching Leaders»-Ansatz alle Beteiligten. Das Unternehmen kann die Unternehmensstrategie an die Führungskräfte weitergeben und fördert so eine nachhaltige Umsetzung der Unternehmensziele. Die Senior Leader schärfen ihr eigenes Verständnis der Unternehmensstrategie und entwickeln ihre Fähigkeiten weiter. Sie stärken ihr Netzwerk mit talentierten Schlüsselmitarbeitern und erhalten wichtige Rückmeldungen und Ideen von den Teilnehmern. Wie stark die Identifikation der Senior Leader mit diesem Programm ist, zeigt sich darin, dass sie enttäuscht sind, wenn sie im nächsten Jahr nicht als Trainer angefragt werden.
Die Teilnehmer – potenzielle Senior Leaders – erweitern ihr Wissen mit Inhalten und Methoden, wie sie in der Firma erfolgreich führen können. Das Netzwerk über den eigenen Bereich hinaus fördert weitsichtigeres, effektiveres und effizienteres Arbeiten sowie die eigene Entwicklung im Unternehmen. Welche Dinge sind zu beachten?
- Das Programm braucht die Unterstützung der obersten Führungsebene.
- Die Entwicklung des Management-Development-Seminars benötigt eine gute interne Koordination bei der Erstellung der Lerninhalte und Fingerspitzengefühl vom HR, um den Vorbereitungsaufwand der Senior Leaders so gering wie möglich zu halten.
- Nicht alle Senior Leaders sind gute Trainer. Sie müssen auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.
- Sich nur auf den Ansatz «Leaders teaching Leaders» zu beschränken, birgt die Gefahr der Betriebsblindheit. Wissen von aussen einzubringen, besonders in der obersten Führungsebene, ist unumgänglich.
Leadership-Development-Ansätze müssen in die Strategie und Kultur eines jeden Unternehmens passen. Deshalb mag das vorgestellte Konzept nicht für jede Unternehmung in gleichem Masse erfolgreich sein. Vielleicht sind aber Teile oder Module aus diesem Ansatz eine Bereicherung für die Managementausbildung in anderen Unternehmen.