HR Today Nr. 6/2021: Porträt & Video-Porträt

Fern des Rampenlichts

Seit gut einem Jahr verantwortet Karin Walser das Personal und die Finanzen des Casinotheaters Winterthur. Wie sie beiden Rollen gleichermassen gerecht wird, was die Covid-19-Pandemie für einen Theater- und Gastronomiebetrieb bedeutet, und wie sie die Digitalisierung vorantreibt.

«Denn die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht. Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.» Dramatiker Bertolt Brechts Liedzeile aus der «Dreigroschenoper» passt perfekt zu Karin Walser, die nicht gerne im Rampenlicht steht. «Das überlasse ich lieber anderen», sagt die Leiterin Finanzen und Personal des Casinotheaters Winterthur. Doch heute tut sie es «ausnahmsweise» für den Kulturbetrieb, mit dem die Winterthurerin seit ihrer Jugend verbunden ist. «Mich für dieses Unternehmen und seine Mitarbeitenden einzusetzen, freut mich sehr», sagt Walser, «auch wenn der Zeitpunkt meines Stellenantritts im Februar 2020 alles andere als optimal war.»

Von manuell zu digital

Kaum hat sie begonnen, kommt der erste Lockdown. Der Theater- und Gastronomiebetrieb muss im März 2020 seine Türen schliessen und die meisten der 56 festangestellten Mitarbeitenden sowie rund 60 Aushilfskräfte nach Hause schicken. Karin Walser hält mit wenigen Kolleginnen und Kollegen die Stellung. «Ein intensiver Einstieg. Ich musste mich nicht nur einarbeiten, sondern erst einmal Kurzarbeitsgesuche einreichen.» Ein neues Terrain für Walser, die sich schlau machen und herausfinden muss, welche Daten und Zahlen sie den Behörden übermitteln muss und welche Fristen sie einzuhalten hat. Zudem war es Walser und dem Rest der Geschäftsleitung ein grosses Anliegen, das Team auch in dieser Ausnahmesituation zusammenzuhalten. Eine zusätzliche Herausforderung? «Die Zeitwirtschaft lief im Casinotheater völlig manuell ab. Weder Dienstpläne noch Stundenabrechnungen waren digitalisiert.»

Deshalb initialisierte Karin Walser im Frühsommer 2020 gemeinsam mit Geschäftsführer Beat Imhof ein digitales Zeitmanagementsystem mit Fingerabdruck, das im Spätsommer eingeführt wurde. «Eine unglaubliche administrative Erleichterung, die ich nicht mehr missen möchte. Haben wir davor gut zwei Tage investiert, um die ganzen Daten zusammenzutragen und abzurechnen, braucht es heute kaum mehr als einen Knopfdruck.» Nebst der Zeitwirtschaft sieht die Leiterin Finanzen und Personal zusätzlich Potenzial bei den Schnittstellen der digitalen Systeme im Casinotheater. Beispielsweise beim Kassensystem des Restaurants Fredi und der Finanzbuchhaltung. Diese möchte Karin Walser bis 2022 modernisieren. «Mit der Evaluation beginnen wir bereits jetzt. Ich bin sehr dankbar, dass ich dabei auf die Unterstützung meiner Teamkollegin Aniko Feher zählen kann.»

Karin Walser ist eine Person, die beharrlich dranbleibt, und eine Macherin, die sich zu 100 Prozent einsetzt. Das hat auch Auswirkungen auf ihr Privatleben. «Seit ich hier bin, muss ich meine Work-Life-Balance noch finden.» Vor allem, da ihre Tochter und ihr Sohn ausgeflogen seien. «Wenn ich mich nicht bremse, kann ich schon bis in den Abend hinein arbeiten.» Um vom Gaspedal zu kommen, sucht die 56-Jährige deshalb den Ausgleich in der Natur beim Wandern, Velofahren oder Bücherlesen im Strandkorb in ihrem Garten.

Von den Finanzen zum HR

Ins HR gerutscht ist Karin Walser erst vor knapp 15 Jahren. Nach einer dreijährigen Lehre als kaufmännische Angestellte bei der Druckerei Winterthur, die sie 1984 abschliesst, arbeitet sie die ersten vier Jahre im Betrieb ihres Vaters im Immobilien- und Verwaltungsbereich. 1988 verlässt sie die A. Güntensperger AG und sammelt in verschiedenen Unternehmen im Finanz- und Administrationsbereich weitere berufliche Erfahrungen. «Sekretariatsarbeiten, Buchhaltungen und Abrechnungen prägten meinen Alltag», sagt Walser. 1992 kommt Karin Walsers Tochter zur Welt, 1994 folgt der Sohn. Sie entscheidet sich, aufgrund ihrer Mutterschaft nur noch Teilzeit zu arbeiten. «Für meine Kinder da zu sein und ihre Entwicklungsschritte zu begleiten, war mir ein grosses Anliegen.» 2006 sind ihre Kinder 12 und 14 Jahre alt. Selbstständig genug, dass Karin Walser sich wieder nach einer Vollzeitstelle umsehen kann. Ein Nachbar macht sie auf die Stelle als Mitarbeiterin Finanzen, Personal und Administration beim Metall- und Fassadenbau-Unternehmen Geilinger in Winterthur aufmerksam. Walser erhält die Stelle. «Das war mein Kaltstart ins HR.»

2008 bekommt sie die Chance, die Bereichsleitung zu übernehmen. Zu Beginn habe sie HR aufgrund ihrer Unkenntnisse ein wenig stiefmütterlich behandelt. «Bis ich mich intensiver damit auseinandergesetzt habe und merkte, dass HR keine Nebenbeschäftigung, sondern für die Firmenkultur und die Mitarbeitenden bedeutsam ist.» Um für diese Herausforderung gerüstet zu sein, absolviert die passionierte Zahlenfrau eine Ausbildung zur HR-Fachfrau. Daneben verfeinert sie ihr HR-Wissen durch zahlreiche Weiterbildungen, unter anderem im Arbeitsrecht und Datenschutz. «Immer wenn ich in meinem Leben eine neue Situation antreffe, erkundige ich mich, welche Fortbildungen es in diesem Bereich gibt.» Karin Walser ist es ein grosses Anliegen, ihr Wissen zu erweitern und zu vertiefen.

Bei Geilinger setzt sich Walser fortan genauso für das HR ein wie für die Finanzen. «Eine Doppelposition, die mich bis heute fasziniert, auch wenn sich die beiden Bereiche ab und an beissen.» Das passiere häufig dann, wenn man Mitarbeitende mit einem Anlass oder einer Weiterbildung etwas Gutes tun wolle, sich aber gleichzeitig frage, ob das finanziell wirklich drin liegt. «Als Personalerin suche ich aber immer einen Weg, um Mittel zu finden.»

Bei Geilinger ist Karin Walser nach 14 Jahren nicht nur das HR ans Herzen gewachsen, sondern auch die Menschen und die Unternehmenstätigkeit. Sie wäre wohl noch heute beim Metall- und Fassadenbau-Unternehmen beschäftigt, wäre der damals 55-Jährigen nicht das Stelleninserat des Casino­theaters in die Hände gefallen: Darin war die Leitung Finanzen und HR ausgeschrieben. «Wieder diese Doppelposition», sagt Walser. Ihre Augen leuchten. «Das war meine Chance, nochmals etwas Neues anzupacken.» Walser bewirbt sich und bekommt den Job.

Alltag kehrt zurück

Seit ihrem Stellenantritt im Februar 2020 ist im Casinotheater zwar hinter den Kulissen viel passiert. «Den Normalbetrieb habe ich jedoch bis heute noch nicht erlebt», bedauert Walser, die sich deshalb umso mehr freut, dass an diesem Aprilmontag langsam Leben zurückkehrt. «Zumindest können wir den Terrassenbetrieb unseres Restaurants Fredi wieder aufnehmen und den Theaterbetrieb mit bis zu 50 Personen öffnen.» Eine positive Wende, meint Karin Walser. Das freut nicht nur sie. Auch die Mitarbeitenden, die während unseres Gesprächs aufkreuzen, um kurz hallo zu sagen. Die Finanz- und HR-Leiterin hat auch in dieser Situation für jeden ein offenes Ohr. «Mir ist es ein Anliegen, den Puls der Mitarbeitenden zu spüren und zu wissen, wie es ihnen geht.» Um am operativen Alltag dranzubleibe, nimmt Karin Walser zudem am täglichen Morgenmeeting teil, an dem die Bereichsleiterinnen und -leiter den laufenden Betrieb besprechen.

Da der Betrieb wieder anlaufe, stehen als nächstes die Mitarbeitendengespräche an. «Aufgrund der zahlreichen Abwesenheiten haben wir diese vertagt, weil wir einen Online-Austausch zu unpersönlich fanden», erklärt Walser. «Das passt nicht in unsere Kultur.» Für die 13-köpfige erweiterte Geschäftsleitung inklusive Stellvertretung organisiert Karin Walser mit dem Geschäftsleitungsteam vor Ort zudem einen Kaderworkshop. «Wir sind ein junges Team, das in der Führung noch dazulernen muss.» Angesprochen auf ihren eigenen Führungsstil ­antwortet Karin Walser: «Ich kann durchaus sagen, was ich möchte, und mich durchsetzen, ohne autoritär zu wirken.» Wichtig als Führungsperson sind ihr Transparenz, Ehrlichkeit und Authentizität und «etwas lieber zwei Mal ansprechen als einmal zu wenig». Daneben schätzt Walser ihre zwei Geschäftsleitungskolleginnen und den -kollegen als Sparring­partner.

Finanzieller Engpass

Ein Austausch und ein Zusammenhalt, die wichtig bleiben werden, denn die stürmischen Zeiten sind für den nicht subventionierten Kultur- und Gastronomiebetrieb längst nicht vorbei. Erleichterung würde die Verlängerung der Kurzarbeit ab August bringen. «Sonst könnte es auch für uns eng werden», sagt die Finanz- und HR-Leiterin. Zwar konnte bislang die finanzielle Lücke mit Ausfallsentschädigungen, Kurzarbeit, der Pandemieversicherung sowie der grosszügigen Unterstützung von Gönnerinnen und Gönnern, Sponsoren und Partnern getragen werden. «Die Unsicherheit bleibt aber weiterhin bestehen», sagt Karin Walser. «Da heisst es: positiv bleiben und die Ärmel hochkrempeln.»

Karin Walser kurz und bündig:

Kabarett oder Comedy?
Comedy. Ich mag die leichtere Art des Humors mehr  als den politischen Humor.

Asket oder Genussmensch?
Ein Genussmensch. Ich geniesse das Zusammensein mit anderen Menschen bei einem guten Glas Wein oder einem exzellenten Essen.

Sommer oder Winter?
Eigentlich mag ich den Winter sehr, aber da ich ein «Gfrörli» bin, gebe ich dem Sommer den Vorzug.

Büro oder Homeoffice?
Büro. Ich brauche den Austausch im Team.

Pop oder Klassik?
Eindeutig Pop – und da die ganze Palette.

Zum Unternehmen: Casinotheater Winterthur

Das Casinotheater Winterthur ist eines der bekanntesten Theaterhäuser der Schweiz. 2002 eröffnet, wird es von Schweizer Künstlerinnen und Künstlern aus der Comedyszene wie Mike Müller, Patrick Frey und Viktor Giacobbo getragen. Das Haus dient vorwiegend der Kleinkunst mit Comedy, Kabarett, Satire, Poetry Slam und Improtheater. Neben dem Auftritt bekannter Künstler werden junge und unbekannte Künstler entdeckt und gefördert. Der Saal des Theaters bietet Platz für 354 Personen und der Festsaal je nach Bestuhlung für bis zu 450 Personen. Daneben gibt es zwei Bankettzimmer, ein Sitzungszimmer, einen Tanzsaal sowie ein Restaurant mit Garten. casinotheater.ch

 

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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