Beruf und Familie

Flexible Arbeitszeitmodelle kommen Bank wie auch Personal entgegen

Als Reaktion auf die Finanzkrise führte die Bank Julius Bär im Dezember 2008 die HR Toolbox ein. Sie ermöglicht temporäre Pensenreduktion, den Einkauf von Freitagen sowie unbezahlten Urlaub. Dies bietet mehr Freiraum bei der Anpassung der Arbeitszeit an die wirtschaftliche Situation und ermöglicht den Mitarbeitenden eine bessere Work-Life-Balance.

Krisenzeiten fordern von Unternehmen meist erhöhte Kreativität – in allen Unternehmensbereichen, besonders aber auch im HR. In der gerade überwundenen Finanzkrise musste sich auch die Bank Julius Bär überlegen, wie sie sich an das veränderte Marktumfeld und Kundenverhalten anpassen kann. Trotz des relativ risikoarmen Geschäftsmodells und der alleinigen Ausrichtung auf Privatkunden forderte die Finanzkrise erhöhte Flexibilität. Mit dem Ziel, so wenig Personal wie möglich abzubauen, um so nach der Krise schneller für den Aufschwung gerüstet zu sein, waren deshalb von der Human-Resources-Abteilung innovative Lösungen gefragt.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Banking zu einem zunehmend zyklischen Geschäft geworden ist, wobei die Vermögensverwaltung keine Ausnahme bildet. Die enge Verzahnung von Konjunktur- und Finanzmarktentwicklung schlägt im Finanzsektor, wo der Personalaufwand bis zu 70 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, sehr direkt auf den Personalbereich durch, wie die hohe Korrelation zwischen Personalbestand der Banken in der Schweiz und der Entwicklung des SMI 
belegt (siehe Grafik).

Reges Interesse: 200 Mitarbeitende beteiligten sich an der HR Toolbox 

Immer kürzere Marktzyklen zwingen zu 
einer immer aktiveren Bewirtschaftung der personellen Ressourcen. Traditionelle Restrukturierungen mit forciertem Personalabbau und späterem Wiederaufbau sind 
aber kostenintensiv. Zudem geht bei jeder 
Restrukturierung wertvolles Firmen-Know-how verloren.

Die Bank suchte deshalb nach einem Ansatz, um der Zyklizität die Spitze zu brechen und den Personalaufwand zum Vorteil aller Stakeholder über innovative Massnahmen zu flexibilisieren.

Auf der Basis all dieser Überlegungen lancierte das HR im Dezember 2008 schliesslich die HR Toolbox. Diese ist ein Angebot von Programmen, das Mitarbeitenden erlaubt, auf freiwilliger Basis und in Einklang mit den Unternehmenserfordernissen ihr Arbeitspensum temporär zu reduzieren. In Abschwungphasen und erst recht in Krisenzeiten nimmt parallel zur rückläufigen Kundenaktivität auch regelmässig die Arbeitsbelastung in vielen Bereichen der Bank ab, was entsprechenden Gestaltungsspielraum eröffnet. Diese Aussage gilt nicht uniform und beispielsweise nicht für die Kundenbetreuung, die in solchen Zeiten besonders gefordert ist. Die HR Toolbox ist also ein unternehmerischer Ansatz, die Kostenstruktur der Bank kurzfristig zu flexibilisieren und gleichzeitig den Mitarbeitenden zu ermöglichen, innerhalb eines gewissen Zeitraums ihre Work-Life-Balance selbstmotiviert zu optimieren.

Die HR Toolbox besteht aus den folgenden vier Programmen:

  1. Temporäre Reduktion des Beschäftigungsgrades auf ein fixes Pensum
  2. 
Temporäre Reduktion des Beschäftigungsgrades auf ein flexibles Pensum
  3. 
Kauf von zusätzlichen Freitagen
  4. 
Unbezahlter Urlaub

Für jedes Programm gilt, dass die Mitarbeitenden im Bereich beruflicher Vorsorge und Unfallversicherung von Zusatzleistungen der Bank profitieren. Die ersten beiden Programme ermöglichen die Reduktion des Beschäftigungsgrades während längstens zwölf Monaten, wobei die Reduktion fix oder flexibel erfolgen kann. Beim fixen Ansatz wird der Beschäftigungsgrad beispielsweise für sechs Monate auf 80 Prozent reduziert. Die flexible Methode, bei welcher der Beschäftigungsgrad während eines befristeten Zeitraums auf einen durchschnittlichen Wert heruntergesetzt wird, kommt dann bevorzugt zur Anwendung, wenn die Arbeitsauslastung variiert.

Aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen können diese beiden Programme nicht permanent angeboten werden, weshalb das dritte Programm zur Verfügung steht, welches den Mitarbeitenden erlaubt, jährlich maximal 19 zusätzliche Freitage zu kaufen.

Gemäss dem vierten Programm besteht die Möglichkeit, unbezahlten Urlaub zu nehmen, sei dies für eine grössere Reise oder eine intensive Weiterbildung. Im Unterschied zum unbezahlten Urlaub, der an einem Stück bezogen werden muss, können die zusätzlichen Freitage wochen- oder tageweise eingesetzt werden.

Wie erwartet ist die HR Toolbox auf reges Interesse gestossen. 2009 beteiligten sich rund 200 Mitarbeitende daran, was knapp einem Zehntel der berechtigten Belegschaft entspricht. Aufgeschlüsselt nach Programmen entfielen 40 Prozent der Anträge auf «fix», 33 Prozent auf «flexibel» und 27 Prozent auf «unbezahlten Urlaub». Erfreulicherweise nahmen Mitarbeitende aller Rangstufen die HR Toolbox in Anspruch, was verdeutlicht, dass das Tool auch vom Senior Management unterstützt und vorgelebt wird. Damit konnte auch der Besorgnis einiger Mitarbeitenden begegnet werden, dass die Nutzung der HR Toolbox von ihren Vorgesetzten als Zeichen mangelnder Auslastung interpretiert würde. Gestützt auf diesen Erfolg wurde entschieden, die HR Toolbox auch 2010 anzubieten. Im Gegensatz zu 2009 wurden in diesem Jahr die Programme vor allem genutzt, um die Work-Life-Balance zu verbessern.

Das Instrument verhindert teures 
«Hiring and firing»

Nach zwei Jahren Erfahrung kann das folgende Fazit gezogen werden: Die HR Toolbox ist ein interessantes Instrument, um die Personalkosten rasch den betrieblichen Erfordernissen anzupassen, Know-how-Träger zu erhalten und teures «Hiring and firing» zu vermeiden – auch unter dem Gesichtspunkt des Employer Branding. Andererseits gilt es zu beachten, dass im Falle eines tiefgreifenden strukturellen Umbruchs die HR Toolbox als alleinige Massnahme zur Kostensenkung nicht ausreicht, um dem Wandel auf lange Sicht erfolgreich zu begegnen.

Als Instrument, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in Bezug auf flexible Arbeitszeitmodelle mit den Interessen des Unternehmens in Einklang zu bringen, wird die HR Toolbox auch in Zukunft zentrale Bedeutung haben.

Bücher zum Thema

  • Ralph Goldschmidt: Shake your Life. Der richtige Mix aus Karriere, Liebe, Lebensart. Gabal Verlag, 2010,  224 Seiten, gebunden, CHF 43.50
  • Hrsg. Archiv für Frauen-, Geschlechter- und 
Sozialgeschichte: Frauensache. Hier und Jetzt Verlag, 2010, 255 Seiten, gebunden, CHF 38.–

 

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