Employer Branding

Für ein sauberes Image

In der Reinigungsbranche arbeitet nur, wer sonst nirgends 
unterkommt. Oder? Ein Klischee, dass mit der Realität wenig zu tun hat, sagt Jacqueline Bickel. Die HR-Leiterin der 
ISS Schweiz AG, des grössten Reinigungsunternehmens des Landes, gewährt einen Blick hinter die Kulissen.

Personalbeschaffung stellt man sich in der Putzbranche einfach vor. Es gibt ein Heer von Willigen. Sie können aus dem Vollen schöpfen, oder?

Jacqueline Bickel: Unsere Mitarbeiterinnen an der Front putzen nicht, sie reinigen. Darauf legen wir Wert. Tatsächlich ist es so, dass es viele Menschen gibt, die solche Jobs suchen. Menschen auf Jobsuche haben den Eindruck: putzen? – kein Problem. Das kann ja jeder. Ganz so einfach ist es aber auch für uns nicht, geeignetes Personal zu finden. Gewisse Qua-lifikationen setzen wir schliesslich voraus. Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Diskretion, ein Mindestmass an Sprachkenntnissen, der persönliche Auftritt und nicht zuletzt eben die Sauberkeit – das sind Eigenschaften, die längst nicht alle Jobwilligen erfüllen.

Das schränkt den Kreis der Kandidaten ein. Nun geniessen aber Jobs in der Reinigungswelt keinen hohen Stellenwert. Wie motiviert man geeignetes Personal, sich dennoch in diesem Gewerbe zu engagieren?

Branchenfremde, damit auch grosse Teile der Gesellschaft, verbinden Reinigungstätigkeiten nicht mit einem guten Image. Leider. Menschen, die in dieser Branche ihr Auskommen finden, sehen das Ganze etwas differenzierter und deshalb klarer. Man unterschätzt den Stellenwert solcher Dienstleistungen wie der unseren in der Schweiz ganz allgemein. Vordergründig niederschwellige Jobs – ein fürchterlich abwertender Begriff –  sind für das Funktionieren des Alltags elementar. Stellen Sie sich vor, unsere Dienstleistung, die Reinigung, würde der schweizerischen Wirtschaft bloss einen Tag lang nicht zur Verfügung gestellt. Vom Bahnhofs-WC über die CEO-Toilette bis zum Operationssaal würde nichts geputzt! Niemand würde es schätzen, wenn es «grusig» wäre.

Reinigungsjobs sind auch nach Abzug aller Klischees hartes Brot. Wie sieht es mit der Fluktuation aus?

Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben Bereiche mit einer sehr tiefen Fluktuation. Spezialisierte Tätigkeiten wie etwa die Spitalreinigung haben lange Verweilzeiten. Das spricht auch für eine hohe Zufriedenheit des besonders geschulten Personals. Demgegenüber gibt es Bereiche, etwa die Abendreinigung, mit sehr viel Teilzeitpersonal, wo die Fluktuation naturgemäss grösser ist. Wir bieten in diesem Bereich viele Nebenjobs. Je geringer das Pensum, desto tiefer ist auch die Bindung ans Unternehmen und damit die Ausstiegsschwelle. Das ist allerdings ein branchenunabhängiges Verhalten.

Haben Sie es bei der Rekrutierung also hauptsächlich mit wenig qualifizierten Immigranten zu tun? 

Ich möchte die Bezeichnungen «Wenigqualifizierte» und «Ausländer» nicht zwingend gleichsetzen. Wir erleben dies in unserem HR-Alltag anders. Wir haben zwar oft mit Fremdsprachigen zu tun, nicht aber mit Ungebildeten. Tatsächlich hat die europaweite Wirtschaftskrise auch dazu beigetragen, dass wir zurzeit aus einem Pool von erfahrenen, gut ausgebildeten Bewerbern schöpfen können. Das war nicht immer so. Tatsächlich stammt aber ein grosser Teil des Frontpersonals aus dem Ausland. Eine Erhebung hat letzten Sommer ergeben, dass wir bei ISS Schweiz Menschen aus über 100 Nationen beschäftigen. Vielen Berufstätigen fehlen die Sprachkenntnisse, vor allem den Immigranten, weshalb die Eingliederung oft über Jobs in der Reinigungsbranche gesucht wird.

Der perfekte ISS-HRler sollte da wohl fünf bis sechs Sprachen beherrschen und sich in fremden Kulturen auskennen? 

(Lacht) Sie umschreiben den Über-HRler – ein Traum! Aber im Ernst. Auch unsere Administration und unsere Kader sind ein Spiegel der Gesellschaft. Das heisst, dass wir einen gewissen Anteil an Secondos in diesen Positionen beschäftigen. Immerhin sind auch Karrieren in unserem Umfeld möglich und üblich. Vielleicht nicht im HR, aber innerhalb des Unternehmens hat es bisher immer geklappt, Menschen mit passenden Sprachkompetenzen zu finden.

Sie sprechen von Karrieren in der Reinigungsbranche. Wie motiviert man Menschen, statt Lokführer oder Zahnarzthelferin Reinigungsfachkraft zu werden und zu bleiben?

Sie stellen die Frage aus der typischen Schweizer Optik. Danach sind Reinigungsjobs schrecklich. Eine Tragödie. So ist es aber nicht. Wir sind Dienstleister. Typischerweise haben Menschen mit solchen Funktionen ein hohes Mass an Zufriedenheit – man hilft Menschen. Am Ende des Tages sieht man ein Resultat – es ist sauber! Es gibt junge Leute, die gezielt nach diesen Herausforderungen suchen. So bieten wir seit einigen Jahren anerkannte Berufsausbildungen an – etwa die Lehre als Gebäudereiniger. Die Lehrstellen sind sehr gefragt – freilich bei Jugendlichen, die aufgrund ihrer schulischen Leistungen von anderen Berufen ausgeschlossen werden. Wir leisten hier auch einen wichtigen sozialen Beitrag auf dem Arbeitsmarkt. Zumal dadurch Menschen Perspektiven angeboten werden, die ansonsten auf dem nach immer höheren Qualifikationen fixierten Arbeitsmarkt nicht Fuss fassen können. 

Viele Gewerbetreibende beklagen sich darüber, gar kein geeignetes Lehrpersonal für handwerkliche Berufe zu finden. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Zurzeit bilden wir 30 Lehrlinge in der Gebäudereinigung aus – ab diesem Sommer ist der Beruf eidgenössisch anerkannt und die Lehre dauert zwei und drei Jahre. Ich schätze, dass wir das Zigfache an Lehrstellen anbieten und besetzen könnten – Bewerbungen wären vorhanden.

Man kann zwei oder drei Jahre lang lernen, wie man putzt?

Putzen tun sie zu Hause – den Staub, die Fenster, das Bad. Wir reinigen. Unterdessen eine hochkomplexe, professionelle Tätigkeit, die Aus- und Weiterbildung beinhaltet. Wir arbeiten mit Chemikalien, reinigen Fassaden, heikle Materialen und Oberflächen in der modernen Architektur. Der Job setzt Kenntnisse in Umweltschutz voraus, man muss je nach Tätigkeit mit Maschinen und Menschen umgehen können. Wir sind auch in der Entwässerungstechnologie tätig, etwa in der Tunnelreinigung. Auch hier werden anerkannte Lehren lanciert. Ohne Ausbildung geht in vielen Bereichen unserer Branche deshalb nichts mehr. Berufsabschlüsse bis hin zu höheren Fachprüfungen sind nicht nur möglich, sondern eben auch nötig.

Der Fachkräftemangel ist also in der Reinigungsbranche angekommen. Setzen Sie deshalb auf Ausbildung und Personalentwicklung, um die eigene Nachfrage nach Führungskräften befriedigen zu können?

Genau. Personal, welches wir ausbilden, rutscht in der Regel in Leitungspositionen nach. Andererseits ist der Bedarf an Beratern gegeben, an weiteren Ausbildnern und an Planern. Stellen Sie sich den Know-how-Bedarf vor, wenn ein 20-stöckiges Gebäude, eine ganze Universität oder ein ganzes Spital nachhaltig gereinigt und unterhalten werden muss. Basiswissen und strategische Fähigkeiten sind nötig.

Welches Image geniessen die HR-Jobs in einem Reinigungsunternehmen?

Wir sind kein kleines Putzinstitut, sondern ein  internationaler Konzern – mit allen Vor- und Nachteilen. Weltweit arbeiten 500 000 Menschen für uns, in der Schweiz 12 000, davon 8500 an der Front. Wir operieren mit den modernsten Mitteln – etwa in der Kommunikation. Wir gelten als attraktiver Arbeit-geber – deshalb ist die Rekrutierung von Fachkräften für das Backoffice unproblematisch. Ganz besonders im HR. Aufgrund des breiten Spektrums an Tätigkeiten, die wir zu besetzen haben, lernen Personalfachleute bei uns enorm viel. Man ist mit sämtlichen Bewilligungsverfahren für das oft aus dem Ausland stammende Personal vertraut, man hat Einblick ins Lohnwesen vom Reinigungspersonal bis zum Projektmitarbeiter im IT-Bereich. Nicht zuletzt wegen der Vielfalt der Aufgaben und damit an geforderten Fähigkeiten ist das ISS-HR-Personal auf dem Arbeitsmarkt gefragt.

Apropos Basiswissen: Waren Sie als Managerin schon an der Front?

Oh ja. Es war eine besondere Erfahrung. Ich habe im Rahmen einer Umzugsreinigung an der Langstrasse in Zürich Büroräumlichkeiten gereinigt. In der typischen ISS-Uniform mit Dächlikappe. Ich war also nicht als Managerin erkennbar. Viel schlimmer als die Müdigkeit am Abend war allerdings die Enttäuschung nach diesem Tag. Ich habe erlebt, wie Menschen in Nadelstreifen und im Deux-Pièces mit Dienstleistern umgehen. Man behandelt sie wie Unsichtbare, beachtet sie nicht und grüsst sie nicht einmal. Das hatte ich nicht gekannt. Aus meinem Alltag bin ich gewohnt, mit Respekt behandelt zu werden und mein Umfeld ebenso zu behandeln. Dieses abschätzige Verhalten gegenüber dem Personal an der Front hat mich geschockt und betrübt.

Zur Person

Jacqueline Bickel ist Leiterin Personalservice bei der ISS Schweiz AG in Zürich. ISS ist das führende Facility Services-Unternehmen der Schweiz. Das Unternehmen beschäftigt über 12000 Mitarbeitende und ist mit 36 Niederlassungen flächendeckend vertreten. Der zu verwaltende Personalbestand ist in den letzten fünf Jahren um 5000 Personen gewachsen.

 

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