Psychische Gesundheit und Emotionen

«Gefühle gehören zum Menschen und sind jeden Tag da. Auch bei der Arbeit»

«Emotionen, ja bitte!» – so lautet das Jahresmotto der Personalentwicklung des Kantons Basel-Landschaft. Wer Gefühle zulässt, kann nicht nur die Arbeitsbelastung mindern, sondern lernt auch sich selbst immer besser kennen. Und gewinnt dadurch an Einfühlungsvermögen für die anderen, sagt die Leiterin Personalentwicklung, Beate Nowak.

Frau Nowak, gab es einen aktuellen Anlass für das gefühlsbetonende Motto?

Beate Nowak: Wir führen jedes Jahr eine Bildungsbedarfsanalyse durch, aus der wir Schwerpunkte generieren, die uns weiterbringen können. Es sind Themen, welche die Leute als Fokus aus den Kernkompetenzen wählen und die für sie im kommenden Jahr von Bedeutung sind.

Inwiefern ist denn das Thema Emotionen ein Bedürfnis?

Gefühle gehören zum Menschen und sind jeden Tag da, auch bei der Arbeit. Zwar hört man immer wieder: «Es geht nur um die Sache», aber das glaube ich nicht. Der Mensch kann seine Emotionen nicht abschalten. Sie sind zunächst einmal weder gut noch schlecht. Es gilt, sie wahrzunehmen und gewinnbringend zum Ausdruck zu bringen. Aussagen in der Bildungsbedarfsanalyse zeigten uns, dass in gewissen Situationen, etwa in Veränderungsprozessen, die Leute zuerst gewonnen werden müssen. Auch Motivation und Arbeitsbelastung sind Themen, die oft auftauchten. Wenn Emotionen im Arbeitsalltag Platz haben dürfen, wirkt das motivierend.

Wird bei Ihnen im Team viel gelacht?

Ja. Wir legen grossen Wert auf ein fröhliches, entspanntes Arbeitsklima. Wir haben Humor sogar in unsere Führungskernkompetenzen integriert.

Rekrutieren Sie nur humorvolle Leute?

Es geht nicht darum, dass jemand permanent Witze erzählt. Humor ist eine Geisteshaltung. Ich bezeichne Humor als eine heitere Gelassenheit. In unseren Inseraten schreiben wir, dass uns Humor wichtig ist, und ich spreche dies auch im Vorstellungsgespräch an.

Wie helfen Sie Ihren Teammitgliedern, eine heitere Gelassenheit zu lernen?

Wenn beispielsweise ein Fehler passiert, überziehe ich ihn so, dass wir gemeinsam darüber lachen können. Aber in einem zweiten Schritt überlegen wir ernsthaft, was wir tun können, damit es nicht mehr vorkommt.

Wie werden Emotionen richtig gelebt in der Arbeitswelt?

Die Zauberformel ist der intelligente Umgang mit Emotionen. Das bedeutet, die Erkenntnisse der Neurowissenschaften zu beherzigen, die nachgewiesen haben, dass der  Mensch in folgender Reihenfolge «funktioniert»: er fühlt, er denkt, er fühlt, er handelt. Das sollte jeder für sich reflektieren. Und dieses Selbstmanagement wollen wir fördern. Jeder sollte bereit sein, Gefühle zu zeigen. Daneben ist auch die Fähigkeit, auf einer Metaebene über Emotionen zu reden, erfolgversprechend. In einer emotionsgeladenen Situation sollen die Teilnehmer aussprechen können, was sie nervt, wieso sie so empfinden und wie sie die Lage wahrnehmen.

Können Sie ein Beispiel geben, wie Sie reagieren würden?

Kürzlich hatte ich ein Telefongespräch, bei dem mir mein Gesprächspartner Dinge gesagt hat, die ich grenzwertig fand. Ich habe ihm gesagt: «Hören Sie, was Sie mir sagen, finde ich grenzwertig und darüber ärgere ich mich.» Zuerst herrschte Funkstille, dann gab der Gesprächspartner seine Angriffshaltung auf und hat seinen Standpunkt nochmals ruhig erläutert. Ich habe schon oft bemerkt, dass die Gesprächsebene wechselt, wenn man auf solche Art seinen Gefühlen Ausdruck verleiht – aber leider nicht immer.

Negative Gefühle offenzulegen, ist nicht leicht und fällt auch mir manchmal schwer. Ebenso schwierig kann es für einige Leute sein, Freude auszudrücken. Wenn ein Team beispielsweise ein gutes Resultat erzielt hat, sollte der Chef nicht lapidar sagen: «Super 
Leistung.» Nein, er soll seine Begeisterung in allen Facetten leben. Ich finde es schade, wenn Emotionen zu Hause gelassen werden, nur weil das Vorurteil, Gefühle seien unprofessionell, immer noch in den Köpfen umhergeistert.

Wie viel Gefühlsauthentizität verträgt es, wenn man jemanden nicht mag?

Wenn ich jemanden nicht sympathisch finde, mit dem ich nur vorübergehend ein Projekt bearbeiten muss, bringt es weder für mich noch für das Geschäft einen Mehrwert, wenn ich meine Gefühle thematisiere. Ist die Arbeitsbeziehung jedoch dauerhaft, sollte man sich genau überlegen, warum einem das Verhalten stört, und das Problem mit dem Betreffenden besprechen. Der andere muss die Chance haben, sich ändern zu können, oder ich muss die Möglichkeit haben, die Beweggründe des anderen kennenzulernen, damit ich meine Einstellung verändern kann.

Reicht es, darüber zu reden, und das Problem ist aus der Welt?

Oft haben wir mit der Andersartigkeit Mühe. Wenn ich mir aber überlege, welche Vorteile die Andersartigkeit des Mitarbeitenden bringt, und mir sage, dass der andere genauso das Recht hat, zu sein, wie er ist, wie ich auch, dann nimmt mir das schon viel Stress weg. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass mir der andere plötzlich sympathisch wird, aber das Unsympathische ist etwas weniger.

Was sind für Sie negative Emotionen? Gibt es eine Grenze, wo die Emotionen nicht mehr gezeigt werden sollten?

Extreme Wut, Neid, Trauer, mangelndes Selbstwertgefühl oder stark ausgeprägte Nervosität sind für mich negative Gefühle. Diese kann man nicht eins zu eins von sich geben. Wer merkt, dass er solche Empfindungen hat, muss sich überlegen, wie er damit umgehen kann. Geht es wirklich noch um das Thema oder nur darum, dass ich mich beispielsweise an der Andersartigkeit störe? Diese zwei Pole sollte man auseinanderhalten – sicherlich eine schwierige Forderung.

Inwiefern sind Emotionen ein Schlüssel zum Erfolg, wie Sie das in Ihrem Vorwort für das Seminarprogramm postulieren?

Wer sich selber permanent reflektiert, der weiss, welche Motivation ihn wirklich 
antreibt. Ein solcher Mensch reagiert nicht, sondern agiert. Wer zudem genau beobachtet, welche Gefühle die anderen haben, was zwischenmenschlich abläuft, der kann nötigenfalls Konflikte entschärfen und durch sein Einfühlungsvermögen den Menschen das bieten, was sie brauchen. Wenn die Leute merken, dass sie nicht nur als Leistungserbringer betrachtet werden, sondern dass man sie in all ihren Facetten als Menschen wahrnimmt, kann man viel Vertrauen aufbauen und Wertschätzung zeigen. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft. Das nenne ich wirkungsvolles Führen.

Wie wichtig sind Emotionen für die psychische Gesundheit?

Sie spielen eine wesentliche Rolle. Ich 
behaupte darum auch, dass wenn ein Mensch mehrheitlich positiv empfinden kann, wirkt sich diese Haltung auf die Stabilität seiner physischen und psychischen Gesundheit aus.

Welche Rolle haben Führungskräfte, wenn es um Emotionen geht?

Führungskräfte sind Schlüsselpersonen, weil sie im Team viel prägen und damit Weichen stellen. In meinem Team ist Humor erwünscht, dadurch leben wir eine ganz andere Kultur als beispielsweise ein Team, wo die Führungskraft todernst zur Sache geht. Führungsleute sind Vorbilder, und ich finde es schön, wenn sie den Mut haben, ihre Gefühle zu zeigen. Emotionale Führung heisst für mich, ein Arbeitsklima zu erzeugen, in dem menschliche Gefühle Platz haben, gewürdigt und akzeptiert werden. Somit können Führungskräfte dem Arbeiten und dem Miteinander eine Seele geben.

Beate Novak

Beate Nowak ist Leiterin Personalentwicklung des Kantons Basel-Landschaft. Sie studierte Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Personalmanagement an der Fachhochschule Düsseldorf und ist diplomiert in Themenzentrierter Interaktion und Integralem Coaching. Sie ist seit sieben Jahren bei der kantonalen Verwaltung und dort für den Aufbau der Personalentwicklung verantwortlich.
Zuvor war sie Weiterbildungsleiterin bei der SV-Group Deutschland.

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