HR-Debatte

Home Office

Am 13. Juni findet zum vierten Mal der nationale Home Office Day statt. Mitarbeiterinnen 
und Mitarbeiter in der ganzen Schweiz sind aufgerufen, vermehrt zu Hause zu arbeiten. 
Denn wichtig ist nicht, wo die Menschen tätig sind, sondern dass das Ergebnis stimmt, 
sagt Nicole Gassler, HR-Leiterin bei Microsoft. Sie plädiert dafür, Mitarbeitenden zu vertrauen. Die Qualität und die Produktivität leiden, wenn Angestellte dezentral arbeiten, findet dagegen Benjamin Geiger, Chefredaktor der «Zürichsee-Zeitung» und des «Zürcher Unterländers». Während eines Gesprächs im Lift oder Pausenraum entstehen neue Ideen und erhalten die Mitarbeitenden neue Inputs, ist Geiger überzeugt.

Warum es sich lohnt, Mitarbeiter wie Erwachsene zu behandeln

Flexible Arbeitsformen werden oft diskutiert, aber noch nicht konsequent umgesetzt. Im Folgenden möchte ich die häufigsten Vorurteile und Fragen aufgreifen und zeigen, warum von einer zeitgemässen Arbeitskultur mit mehr Eigenverantwortung und Autonomie alle profitieren.

Wie kontrolliert man die Mitarbeiter, wenn jeder arbeitet, wann und wo er will? Der Kern dieser Frage lässt sich mit einer Gegenfrage beantworten; wie kontrolliert man denn die Mitarbeiter in der «alten Arbeitswelt»?

Ist ein Mitarbeiter, der an seinem Platz sitzt, automatisch ein produktiver Mitarbeiter? Wissensarbeiter verfügen über eine hohe intrinsische Motivation und sie reflektieren sich und ihre Leistung laufend selber. Selbstkontrolle tritt an die Stelle von Fremdkontrolle. Am Ende des Tages zählt das Ergebnis. Der eine denkt besser beim Joggen, der andere beim Sitzen. Im Vordergrund stehen Zielvereinbarungen sowie ein transparentes und fundiertes Messen der Zielerreichung. Werden Ziele nicht erreicht, suchen wir auf beiden Seiten – also beim Mitarbeiter selber, aber auch beim direkten Vorgesetzten und beim Unternehmen – nach Ursachen und Lösungen. Darüber hinaus ist es wichtig, eine Kultur des Vertrauens zu schaffen und so auch den Austausch von Wissen, Daten und Ideen zu fördern. Fazit: Wissensarbeiter führt man dann am erfolgreichsten, wenn man ihnen motivierende Rahmenbedingungen bietet und sie am Erreichen ihrer Ziele misst.

Ist Technologie ein adäquater Ersatz für die physische Interaktion und den Vier-Augen-Kontakt?

Nein, das ist aber auch nicht die Idee und die Aufgabe von Kollaborationstechnologien. Sie dienen dem Austausch von Informationen und Ideen und helfen uns dabei, Aufgaben effizienter zu erledigen. Im Vordergrund steht die Frage, welche Form des Austausches die richtige ist. In vielen Fällen reicht eine Videokonferenz, ein Telefongespräch oder eine Chat-Unterhaltung. In anderen braucht es ein entspanntes Zusammensitzen und eine Tasse Kaffee, um zum Ziel zu kommen. Wenn die Mitarbeiter in der Lage sind, die verschiedenen Arbeitsformen und -instrumente smart einzusetzen, können sie enorm Zeit sparen beziehungsweise Lebensqualität gewinnen – und dies ohne eine Einbusse bei der Qualität der Interaktion.

Lässt sich eine bestimmte Unternehmenskultur aufrechterhalten, wenn die Mitarbeiter häufig zu Hause arbeiten?

Gemeinsame Erlebnisse spielen eine grosse Rolle für das Thema Unternehmenskultur und Identität – deshalb legen wir einen hohen Wert auf physische Meetings und soziale Anlässe wie etwa unseren Family Day, das Fussballturnier, das Sommerfest oder Teamanlässe. Es ist aber auch wichtig festzuhalten, dass flexible Arbeitsformen und damit verbunden die Vertrauensarbeitszeit sehr starke Elemente einer Kultur sind und so bindend wirken.

Flexible Arbeitsformen sind nicht mit «Jeder macht, was er will» gleichzusetzen. Es heisst lediglich, dass dem Mitarbeiter mehr Eigenverantwortung übertragen wird. So ist es an ihm zu entscheiden, welche Form der Zusammenarbeit für eine Aufgabe am meisten Sinn macht. Wenn wir neue Mitarbeiter rekrutieren, vertrauen wir darauf, dass wir die geeignetsten und talentiertesten auswählen für eine bestimmte Aufgabe. Dieses Vertrauen in unsere Mitarbeiter und deren Fähigkeiten bleibt während der gesamten Zusammenarbeit bestehen. Es gibt den berühmten Ausspruch: «If you pay peanuts, you’ll get monkeys.» Wir alle möchten motivierte Mitarbeiter, die in Eigenverantwortung handeln. Deshalb führt kein Weg daran vorbei, sie auch wie Erwachsene zu behandeln und ihnen vollumfänglich zu vertrauen.   

  • Nicole Gassler ist Personalleiterin bei Microsoft Schweiz.

 

In der Kaffeepause entstehen
 die besten Lösungen

Der technologische Fortschritt weckt ab und zu falsche Hoffnungen. Bekanntestes Beispiel aus der Arbeitswelt ist die Illusion des papierlosen Büros. Heute produzieren wir so viel Papier wie nie zuvor. Ähnlich unrealistisch scheinen mir die Erwartungen zu sein, die mit der Idee Home Office verbunden werden. Zweifellos stehen heute alle nötigen technischen Voraussetzungen für eine derartige Auflösung des klassischen Arbeitsplatzkonzepts zur Verfügung. Für viele Arbeitnehmer ist die Möglichkeit, zu Hause arbeiten zu können, durchaus verlockend. Doch für die meisten Unternehmen zahlt sich eine derartige Dezentralisierung ihrer Arbeitsplätze nicht aus. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt, dass dies der Produktivität und Qualität abträglich wäre. Das gilt ganz besonders für Firmen, die von ihren Mitarbeitern kreatives Schaffen verlangen. Diese Behauptung erscheint auf den ersten Blick paradox, sehnen sich doch gerade diese Mitarbeiter häufig nach einem eigenen Büro oder möchten am liebsten zu Hause, abgeschottet von den sie ablenkenden Kolleginnen und Kollegen, schöpferisch tätig sein.

Dieser Wunsch ist aus der Sicht des Einzelnen nachvollziehbar. Aus der Sicht des Unternehmens, dessen oberstes Ziel es ist, die Ideen und die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter zu einem möglichst optimalen Ganzen zu bündeln, ist aber genau das Gegenteil entscheidend. Die Mitarbeiter sollen sich möglichst am selben Ort aufhalten, um sich während des Arbeitsprozesses, während des ganzen Arbeitstags, kontinuierlich austauschen zu können. Wer einwendet, dezentral angesiedelte Mitarbeiter könnten ja ganz einfach mittels 
Telefonkonferenzen verbunden werden, übersieht das Potenzial, das im Ideenaustausch steckt, der zwischen und neben offiziellen Sitzungen stattfindet. Eine Konferenz ist in der Regel nicht der Ort, an dem spontane Ideen geboren werden. Das gilt in der Wirtschaft ebenso wie in der Politik. Minister finden nicht im grossen Konferenzsaal, während der stark strukturierten Sitzung, sondern in der Kaffeepause die besten Lösungen. Ebenso entstehen am Arbeitsplatz überraschende Ideen, neue Inputs während eines Gesprächs im Lift, im Pausenraum oder beim gemeinsamen Mittagessen. Gerade Letzteres ist eine wertvolle Gelegenheit, die wegfällt, wenn die Mitarbeiter dezentral arbeiten. Doch sind es gerade solche nicht offizielle Gelegenheiten, welche Einzelkämpfer zu einer Gruppe werden lassen.

Eine Teamleistung – auch in kreativen Branchen ein zentraler Erfolgsfaktor – lässt sich nur durch den persönlichen Austausch optimieren. Aus demselben Grund fliegen übrigens viele Manager immer noch in der ganzen Welt herum, um ihre Gesprächspartner persönlich zu treffen. Mit einer Videokonferenz könnten sie zwar Zeit und Geld sparen, doch ist ihnen die persönliche Begegnung ganz offensichtlich mehr wert.

Ähnliches bezweckt die moderne Büroraumplanung, die auf offene, grössere Räume statt Einzelbüros setzt. Die Mitarbeiter sollen sich auch räumlich als Teams verstehen, ihre kontinuierliche Interaktion soll mit baulichen Massnahmen gefördert werden. Genau das aber würde das Home Office zunichtemachen. Alle Mitarbeiter wären nicht nur wieder in Einzelbüros verbannt, sondern sogar räumlich in andere Gebäude, ja andere Städte verteilt. Man trifft sich persönlich nur noch an Konferenzen, die man aufwendig terminieren muss. Der Home-Office-Vorstellung liegt eigentlich eine längst überholte Vorstellung zugrunde, die ein Unternehmen als Konglomerat von Einzelkämpfern definiert.

  • Benjamin Geiger, lic. phil. I, ist Chefredaktor der «Zürichsee-Zeitung» und des «Zürcher Unterländers». Auf den beiden Redaktionen arbeiten insgesamt etwa 100 Personen.
     
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Nicole Gassler ist Personalleiterin bei Microsoft Schweiz.

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