Bildung und Karriere

HR-Management in der Schule: Früh übt sich, was ein Meister werden will

Personalarbeit ist bei vielen Mittelschülern mit Klischees verbunden: Sie wird als «frauenlastig» oder «psychologisches Gerede» wahrgenommen. Andererseits schlummert bei vielen ein latentes Interesse an dieser weitgehend unbekannten Welt. Wie dieses geweckt werden kann, zeigt das Beispiel der Kantonsschule Hottingen in Zürich.

An dieser Zürcher Kantonsschule wird an Personalfragen interessierten Schülern seit dem Herbstsemester 2005/06 die für diese Altersstufe schweizweit einzigartige Möglichkeit geboten, sich mit dem Thema Human 
Resource Management im Rahmen eines einjährigen Freifachs bei einer Wochenstunde sowohl in praktischer als auch in theoretischer Ausrichtung auseinanderzusetzen.

Praktiker als Gastreferenten liefern Greifbares aus ihrem Alltag

Der Kurs ist inhaltlich zweigeteilt. Das erste Semester beinhaltet nach einer thematischen Einführung in die Welt des HRM die klassischen Personalfunktionen wie Personalbeschaffung und -einsatz, Personalmotivation und Entlöhnung, Personalentwicklung und -freisetzung sowie Spezialthemen wie etwa den Umgang mit handicapierten Mitarbeitenden oder Headhunting. Diese Inhalte werden durch verschiedene Lehr- und Lernformen vermittelt, hauptsächlich mittels Lehrgespräch, Partnerarbeit, (Klein-)Gruppenarbeit, Rollenspielen (beispielsweise bei AC), Klassendiskussionen und Posterpräsentationen. Ein Teil dieser Übung wird dabei dem Zeitgeist gemäss in der virtuellen Welt durchgeführt (zum Beispiel Multicheck oder Potenzialanalyse).

Die Teilnehmenden nehmen dabei aktiv Einfluss auf die Ausrichtung dieses Kurses, sei es durch die Formulierung von Wunschthemen oder durch das selbständige Organisieren eines Streitgesprächs zum Thema «Was sind faire Löhne?». Neben fachlichen Zielen sowie der Förderung von Methoden- und Sozialkompetenzen lassen sich die beiden Oberziele dieses Kurses wie folgt umschreiben:

  1. Der Kurs soll der Schülerschaft eine im Stoffplan fast aller Schweizer Gymnasien klaffende zentrale Wissenslücke schliessen und dabei den Mittelschülern den bildungspolitisch immer wieder geforderten Praxisbezug ermöglichen.
  2. Die angehenden Studierenden auf ihr zukünftiges Hochschulstudium – sei dies im Wirtschafts-, Psychologie- oder Pädagogikbereich angesiedelt – fachlich intensiv 
vorbereiten.

Angereichert wird der Kursinhalt mit diversen Gastreferenten aus der betrieblichen Praxis, welche entweder bearbeitete Themen vertiefen oder zu spannenden und aktuellen Gegebenheiten aus ihrer Warte berichten. Die Gäste sind neben Personen aus der Wissenschaft vor allem Führungskräfte in leitenden HR-Stellungen. Seit mehreren Jahren sind so etwa Swiss Life, Novartis oder die Swiss Automotive Group AG (ehemals u. a. Derendinger Gruppe) mit an Bord.

Das zweite Semester widmet sich dann ganz dem Thema Menschenführung/Leadership. Theoretisch als auch praxisnah werden etwa Führungsmodelle, -techniken und -stile, Rollenverteilungen sowie das Führen von Problemfällen bearbeitet. Den Abschluss des Kurses bildet jeweils eine didaktisch vereinfachte Fallstudie, in welcher die Schüler das im Kurs Erlernte umsetzen können.

Im April findet zusätzlich jeweils eine 
Exkursion zur ersten Bachelorvorlesung im Bereich HRM an die Universität Zürich statt. Diese Erfahrung ist – wie der Schüler Nicola Roos festhält – eine der wertvollsten Erkenntnisse seiner bisherigen Mittelschulzeit gewesen: «Diese Exkursion war für mich einer der Höhepunkte im Kurs. Dieser Einblick in den studentischen Alltag gab mir auch einen prägenden Eindruck und eine klare Vorstellung darüber, wie mein zukünftiges Leben aussieht.»

Die bisherigen Kurserfahrungen sind sowohl für die betriebliche Praxis, die Teilnehmenden wie auch für den Kursleiter sehr positiv. Nicole Messi, Personalchefin der Swiss Automotive Group AG, spricht in diesem Kontext von «einer Erfolgsgeschichte sondergleichen, die allen involvierten Parteien einen echten Mehrwert bringt und in dieser Form bildungspolitisch höchste Anerkennung verdient».

Interesse an Personalwirtschaft entsteht nicht erst an der Hochschule

Ralph Früh, Kursteilnehmer der ersten Stunde und angehender Masterstudent, berichtet stellvertretend für viele ehemalige Schüler. «Als ich nach der Matura an der Universität Zürich mein Wirtschaftsstudium aufnahm, merkte ich in den HRM-Vorlesungen sehr schnell, mit wie viel hilfreichem (Vor-)Wissen mein Rucksack dank des HRM-Freifachkurses schon gefüllt war. Rückblickend hat sich für mich der Kurs folglich sehr bewährt!»

Es zeigt sich ganz klar, dass bereits Schüler stark an personalwirtschaftlichen Fragestellungen interessiert sind und ihnen hierfür die entsprechenden schulischen Gefässe bereits auf der Sekundarstufe II und nicht erst auf der Hochschulebene oder im kommerziellen Weiterbildungssektor zur Verfügung gestellt werden müssen. In Zeiten, in denen verschiedene Projekte zur Verbesserung der Schnittstelle zwischen Mittelschulen und Hochschulen laufen, sind solche bildungspolitischen Innovationen sehr zu begrüssen und sollten einem breiten Schul- und Betriebspublikum bekannt gemacht werden. Es bleibt zu hoffen, dass personalwirtschaftliche Inhalte neben klassischen BWL-Gebieten wie Marketing oder Finanzierung vermehrt in Lehrplänen ihren berechtigten Platz finden werden.

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Stephan Amstutz ist Mittelschullehrperson mbA für Wirtschaft und Recht sowie für Informatik an der Kantonsschule Hottingen und Lehrbeauftragter/wissenschaftlicher Mitarbeiter für HRM an der Universität Zürich. Im Weiteren 
ist er Leiter des Zürcher Projekts zur Verbesserung der Schnittstelle 
zwischen den Universitäten und Mittelschulen (HSGYM-Projekt) für das Fach Wirtschaft und Recht.

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