Bildung und Karriere

Innovationen in der Bildung müssen 
einige Hürden überwinden

Die Einstellung der Mitarbeiter zu Web-2.0-Anwendungen und der steigende Kostendruck sind zwei der Spannungsfelder, die Bildungsverantwortliche von Grossunternehmen und Hochschulen für den Bildungsbereich identifiziert haben. Eine neue Mini-Serie in Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz zeigt, was sich in der Bildung künftig alles tut.

Angesichts einer Wirtschaftskrise stehen Bildungsbudgets zur Debatte, mit halbiertem Budget soll in einer globalisierten Wirtschaft bei zunehmender Individualisierung der Arbeit und demografischen Umwälzungen das Humankapital erhalten bleiben, um den erhofften Aufschwung später stützen zu können. Wirtschaft und Gesellschaft sollen von öffentlichen Bildungsinstitutionen mit im Vergleich zu manchen Ländern schrumpfenden Budgets mit hervorragenden und international wettbewerbsfähigen Arbeitskräften versorgt werden. Und das alles vor dem Hintergrund organisatorischer und technischer Umwälzungen in Betrieben und (Hoch-)Schulsystemen.

Zur Bewältigung solcher (hier zugegebenermassen etwas pointiert dargestellten) Herausforderungen können Bildungsverantwortliche neben altbewährten Mitteln auch neue Entwicklungstrends nutzen. Die Erarbeitung dabei entstehender Bildungsinnovationen ist aber alles andere als trivial. Ein möglicher Einstieg in einen systematischen Innovationsprozess liegt in der Analyse der Wechselbeziehungen zwischen den wichtigsten Herausforderungen einer Organisation und den Entwicklungstrends in deren Umfeld. Das Schweizerische Netzwerk für Bildungsinnovation hat im Rahmen des Swiss eEducation Forum 2009 zwanzig Bildungsverantwortliche führender Unternehmen und Hochschulen zu diesem Wirkungsgeflecht befragt. Die oben abgebildete Übersicht zeigt die Vielfalt der dabei erörterten Themen. Drei der zahlreichen in der Studie identifizierten Spannungsfelder, die als Grundlage für die Ideenentwicklung im Innovationsmanagement genutzt werden könnten, werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Web 2.0: Trend mit Tücken

Web 2.0 ist zu einem Schlüsselbegriff und Synonym für Innovation in der Bildung avanciert. Web-2.0-Applikationen und damit verbundene Konzepte werden mehrfach als zukunftsweisende Entwicklungstrends genannt. Deren Nutzung in der Praxis birgt aber laut den Befragten zahlreiche Herausforderungen. So müssen beispielsweise nicht nur Sicherheitshürden in bestehenden IT-Strukturen bei der Integration überwunden werden, auch die Einstellungen der Mitarbeiter müssen sich ändern («change mental models»), wenn «E-Learning 2.0» Wirklichkeit werden soll. Der Einsatz von Web-2.0-Applikationen ist für viele Unternehmen mit einer Änderung des Kommunikationsverhaltens der Mitarbeitenden und schliesslich der bestehenden Organisationskultur verbunden.

Qualität trotz Sparkurs

Der ständig wachsende Kostendruck bei gleich bleibendem Qualitätsanspruch trifft nicht nur Unternehmen in wirtschaftlichen Krisenzeiten, sondern auch öffentliche Bildungsins-titutionen, die nach Ablauf der grossen Förderprogramme des Bundes die Verbreitung neuer Lerntechnologien bewältigen müssen.

Die befragten Bildungsverantwortlichen orten an verschiedenen Stellen Entwicklungstrends, die helfen können, diese Herausforderung zu bewältigen. Zeitgutscheine sollen Freiraum für praxisorientierte Lernformen schaffen. «Rapid E-Learning» und die Nutzung von «user-generated content» sollen beitragen, Entwicklungskosten zu senken. Der Trend, so scheinen sich die Befragten einig zu sein, geht weg von aufwändig entwickelten Produkten hin zu schlanken, kostengünstigen Lösungen mit Breitenwirkung.

Heterogene Zielgruppen

Die Heterogenität der Zielgruppen der vertretenen Bildungsanbieter ist eine weitere Herausforderung, die Unternehmen und Hochschulen gleichsam beschäftigt. Die zunehmende Internationalisierung und der damit verbundene Umgang mit unterschiedlichen Lernkulturen erhöhen die Anforderungen an die Entwicklung von Lernmaterialien und die Abstimmung didaktischer Szenarien auf Lernvoraussetzungen und -kompetenzen – sei es vor dem Hintergrund zunehmender Durchlässigkeit zwischen Studiengängen oder global zu gestaltender betrieblicher Weiterbildung. Erst vage Lösungsansätze zu dieser Problematik lassen sich beispielsweise in der genannten Qualifikation von Learning Designer, im Einsatz von Skills-Management oder in der Didaktisierung von Lerninhalten erkennen.

Bildungsinnovation: Anwendungsmöglichkeiten von Trends erkennen

Die Befragung hat gezeigt, dass es Entscheidungsträgern schwerfällt, das Innovationspotenzial der Trends zur Bewältigung ihrer Problemstellungen zu benennen. Instrumente des Bildungsinnovationsmanagements können helfen, in der Analyse- und Ideenentwicklungsphase das komplexe Wirkungsgeflecht zwischen neuen Trends und Problemstellungen zu erfassen und Verbindungen mit hohem Nutzenpotenzial zu identifizieren. In den folgenden Beiträgen in dieser Reihe wird exemplarisch aufgezeigt, wie Trends aus den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologien, Management und Didaktik in diese Analyse einbezogen werden können.

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Dr. Urs Gröhbiel ist Professor für E-Learning an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Geschäftsführer des Schweizerischen Netzwerks für Bildungsinnovation (SNBI). Schwerpunkte in Forschung und Beratung sind Bildungsinnovation und E-Learning Management.

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Dipl. Päd. Antje Nissler ist wissenschaftliche Koordinatorin des SNBI. Sie ist spezialisiert auf Mediendidaktik, E-Learning und Evaluation.

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