HR-Controlling

Ist die Frauenquote eine faule Ausrede oder ein sinnvolles Instrument?

Sobald mehr Frauen an wesentlichen Entscheidungen im Unternehmen beteiligt sind, lässt dies durchaus positive 
Rückschlüsse auf den Unternehmenserfolg sowie auf die Unternehmenskultur zu. Die Frage ist nur: Braucht es wirklich eine feste Quote, die es den Frauen ermöglicht, ihren Weg an die Spitze von Unternehmen zu machen?

Männern und Frauen grundlegende Eigenschaften zuzusprechen, ist ein Hochseilakt. Die geschlechterspezifischen Unterschiede werden durch Bildung und gesellschaftliche Veränderungen zunehmend relativiert. Trotzdem: Empirischen Befunden zufolge sind Entscheidungen von Frauen im Durchschnitt weniger riskant, aber stabiler und belastbarer als die von Männern, jedoch weniger innovativ. Dies gelte auch für Finanzanlagen, sagt Renate Schubert, Professorin für Nationalökonomie an der ETH Zürich. «Je nach Situation und Problem sind eher Risikofreude und Innovation oder Zurückhaltung und Stabilität gefragt, sodass eher Frauen oder eher Männer bessere Entscheidungen treffen», so Schubert.

«Auf Arbeitgeberseite hat ein Umdenken stattgefunden. Es wird heute kaum noch 
bestritten, dass wir mehr Frauen in Führungspositionen brauchen», meint Monika Joss, Geschäftsführerin des Vereins femdat*. «Bei der Umsetzung hapert es aber noch.» Viele Arbeitgeber wünschten sich Frauen in Führungs
positionen, doch die Schwierigkeit beginne bereits bei der Rekrutierung. Aufgrund dieser Erfahrung aus Unternehmen hat der Verein die Broschüre «Erfolg dank Vielfalt» herausgegeben, die als Leitfaden zur Rekrutierung und Beförderung von Frauen in Führungspositionen dienen soll (siehe Checkliste).

Wettbewerbsfaktor Weiblichkeit: Wie kann sein Anteil erhöht werden?

In einer McKinsey-Studie wurde festgestellt, dass Unternehmen, die über einen Frauenanteil von 30 Prozent in Führungspositionen verfügen, eine signifikant höhere Performance aufweisen als Unternehmen mit einem geringeren Frauenanteil. «Was die Studie nicht untersucht hat, ist die Kausalität», gibt Professorin Andrea Schenker-Wicki, Direktorin Executive MBA an der Universität Zürich, zu bedenken. «Ist diese Performance auf den Frauenanteil zurückzuführen oder sind diese Unternehmen so attraktiv aufgestellt, dass sie vermehrt Frauen anziehen?» Hierzu bräuchte es noch viel mehr Material und analytische Studien.

Die qualifizierten Leute von morgen sind vermehrt Frauen. 60 Prozent der Dissertationen in Europa würden von Frauen geschrieben, über 50 Prozent der Universitätsdiplome an Frauen vergeben, so Schenker-Wicki. Viele Frauen finden jedoch nicht den Weg in Führungspositionen. Guido Schilling und Partner untersuchte 2009 zum vierten Mal die Geschäftsleitungen der 100 grössten Unternehmen in der Schweiz. Der Frauenanteil ist mit fünf Prozent immer noch auf tiefem Niveau.

In Deutschland sieht das Bild laut Deutschem Institut für Wirtschaft (DIW) nicht anders aus. 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 grössten Unternehmen in Deutschland sind Frauen. Das entspricht 21 von 833 Vorstandsposten. Da Frauenförderung ein wichtiger Wettbewerbsfaktor geworden ist, stellt sich die Frage, wie der Frauenanteil langfristig erhöht werden kann, inzwischen in vielen Unternehmen.

Um den Anteil von Frauen auf allen Ebenen der IBM Schweiz zu erhöhen, wurde das IBM Swiss Women’s Leadership Council (SWLC) gegründet. Mitarbeiterinnen und weibliche Führungskräfte aus allen Unternehmensbereichen arbeiten an Vorschlägen und Aktionen, um die Geschäftsleitung mit konkreten Massnahmen darin zu unterstützen, die Stellung der Frauen im Unternehmen zu stärken. Die Förderung von Frauen ist Bestandteil von «Diversity & Inclusion» innerhalb der IBM-Personalpolitik. Verschiedene Angebote sollen helfen, festgefügte Rollenmuster aufzuweichen. Frauen lernen, ihre Stärken gezielt einzusetzen. Mit Hilfe von Gender Scorecards wird quartalsweise überprüft und besprochen, wie erfolgreich diese Aktionen sind. Gemessen werden: Anteil der Frauen insgesamt, Frauen im Management, Beförderungen von Frauen und Neueinstellungen von Frauen.

«Ein hoher Frauenanteil bringt klare
Vorteile für die Credit Suisse»

Aber nicht nur Frauen, die bereits im Unternehmen tätig sind, sollen unterstützt werden. «Es muss uns gelingen, mehr weibliche Nachwuchskräfte für die IT-Branche zu interessieren und zu gewinnen», sagt Sprecherin Susanne Orozco. So habe IBM Schweiz im Herbst 2008 mit der «Women Graduate Sales School» einen Lehrgang speziell für Hochschulabsolventinnen lanciert. Alle Teilnehmerinnen haben erfolgreich abgeschlossen und sind jetzt in einer Sales Rolle tätig.

Auch die Credit Suisse sieht es als laufende Aufgabe, den Frauenanteil vor allem in Führungspositionen weiter zu erhöhen: «In jedem anderen Unternehmensbereich arbeiten wir mit Zahlen und Zielen. Warum nicht auch in der Frauenförderung?», sagt Claude Täschler, Managing Director Human Resources. «Der Frauenanteil im Kader hat in den letzten Jahren konstant zugenommen. Diese Entwicklung wollen wir weiter fördern und wir haben uns daher für den Anteil von Frauen in Führungspositionen wie auch in einzelnen Bereichen der Bank prozentuale Ziele gesetzt.» Für Täschler ist klar: «Ein hoher Frauenanteil und gut durchmischte Teams bringen klare Vorteile für die Bank. Diese Vielfalt hilft uns, die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden und unserer Kunden besser zu verstehen.» Eine Vorreiterin an der Spitze der Credit Suisse ist Pamela Thomas-Graham, die seit Anfang des Jahres global die Leitung des Personalwesens, der Unternehmenskommunikation, der Markenführung und der Werbung übernommen hat.

«Eine Frauenquote wird sehr emotional diskutiert, im Unterschied etwa zu regionalen Vertretungen oder Sprachquoten», sagt Professorin Nathalie Amstutz von der Fachhochschule Nordwestschweiz. Sie ist Dozentin für Gender und Diversity Management und beschäftigt sich zudem mit Gleichstellungs-Controlling. Viele Organisationen arbeiteten mit eigenen Zielvorgaben. «Dies ist durchaus sehr wirksam, um den Soll-Zustand zu realisieren.» In Norwegen sind börsenkotierte Unternehmen seit Januar 2004 verpflichtet, einen Frauenanteil von 40 Prozent in Verwaltungsräten zu gewährleisten. Wird diese Auflage nicht erfüllt, drohen empfindliche Strafen. In Frankreich und Belgien liegen derzeit ähnliche Gesetzesvorschläge vor. Amstutz befürwortet ein solches Vorgehen für Verwaltungsräte innerhalb einer machbaren Frist. «Diese haben eine Aufsichtsfunktion und eine klar definierte Rolle. Eine Quote würde sicherstellen, dass Frauen auch in der Wirtschaft vermehrt in zentrale Entscheidungen eingebunden werden.

Firmen müssen sich fragen: Was
 macht uns für Frauen attraktiv?

Die aktuelle Frage, wie die Aufsichtsfunktion der Verwaltungsräte am besten zu leisten ist, stellt sich vor dem Hintergrund von Ämterkumulation und Machtkonzentration. Das Fehlen der Frauen in diesen wichtigen Entscheidungsgremien ist Teil dieses Problems. Vielfalt hinsichtlich Geschlecht, Alter und Erfahrungshintergrund wird wichtiger. Das 
heisst auch, über die Qualifikationen und 
Rekrutierungswege für Verwaltungsräte nachzudenken. Das ist sehr zu begrüssen.» Für Geschäftsleitungen allgemein hält sie eine Quote nicht für sinnvoll – es sei aber Aufgabe der Verwaltungsräte, die Geschäftsleitungen in diese Richtung zu motivieren.

Frauen nehmen in Familie und Beruf oft verschiedene Rollen ein, was mit einer ständigen Verfügbarkeit nicht gut vereinbar ist. Wird es eng, entscheiden sich Frauen häufig für die Familie und steigen auf dem Weg nach oben aus dem Beruf aus. Hier ist auch der Ansatz von Professor Claus Schreier von der Hochschule Luzern. Für ihn geht es unter anderem vor allem darum, qualifizierte Frauen im Unternehmen zu halten. Schreier ist Co-Studienleiter MAS BA Luzern und Dozent für interkulturelles Management. «Der Aspekt männlich/weiblich findet sich auch in den Kulturdimensionen wieder.» Die immer noch verbreiteten maskulinen Unternehmensstrukturen müssten sich verändern, damit Frauen ein Umfeld vorfänden, die ihren Wertvorstellungen entsprächen.

Schreier bemerkt deutliche Unterschiede, wenn Frauen in seinen Kursen vertreten sind. «Das Klima ist ein anderes, als wenn nur Männer gemeinsam lernen.» Es mache sich in der Sprache bemerkbar, in der Art, wie mit anderen Meinungen umgegangen werde. «Wir sollten uns nicht länger den Luxus leisten, auf Frauen im Management zu verzichten.» Gerade in höheren Führungsfunktionen, in denen es nicht nur um Organisation gehe, sondern um die Fähigkeit, soziale Beziehungen effizient zu managen. Frauen brächten eine andere Sichtweise in wirtschaftliche Abläufe. Das findet laut Schreier in der Wirtschaft noch zu wenig Widerhall.

«Eine Frauenquote einzuführen, ist eine zutiefst maskuline Reaktion auf die Problematik.» Dies würge schnell einmal notwendige Diskussionen ab. Für Schreier steht daher die Kommunikation im Vordergrund, auch darüber, was viele Unternehmen gerade für Frauen so unattraktiv mache. Frauen seien nicht mehr bereit, sich zu sehr zu verbiegen und sich den unternehmenskulturellen Spielregeln der Männer zu unterwerfen. Eine Frauenquote als alleinige Massnahme mache es den maskulin orientierten Unternehmen eher leicht, dann könnten sie hinterher sagen: Wir haben es ja versucht. «Aber mal ehrlich: Ich möchte kein Quotenmann sein!»

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Der Verein femdat wird von Hochschulen, frauenspezifischen Berufsverbänden und einer Fachgesellschaft getragen. Er fördert die Präsenz und die Vertretung von Frauen in Lehre, Forschung, Beruf und in der Gesellschaft allgemein und will insbesondere ihre beruflichen Chancen verbessern. Bestellung und Download der Checkliste: 
www.femdat.ch

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