Bildung und Karriere

Kostenersparnis in der Weiterbildung dank didaktischer Innovationen

In der betrieblichen Weiterbildung ist selbstgesteuertes Lernen eine der Wiederentdeckungen aus jüngster Zeit. Es soll unter anderem helfen, das Lernen im Berufsalltag kostengünstiger durchzuführen – indem Mitarbeitende Lernmaterialien mitentwickeln. Im Innovationsmanagement werden solche Hoffnungen kritisch geprüft.

Die Bewältigung didaktischer Herausforderungen im Unterrichtsalltag durch neue methodische Ansätze ist das Herzstück erfolgreicher Innovation in der Bildung. Fachleute verorten in der Erhebung des Schweizerischen Netzwerks für Bildungsinnovation aktuellen Innovationsbedarf unter anderem bei Problemen mit der Entwicklung von bedürfnisorientiertem Content und der «Didaktisierung von Inhalten» aus dem Berufsalltag. Als Lösungsansätze beschreiben sie Entwicklungen an der Schnittstelle von Didaktik und anderen Disziplinen: Lernende sollen «user-generated content» erstellen wie Learning Designer mit erweiterten Medienkompetenzen. Durch die Nutzung der «Weisheit der Masse» sollen durch Mitarbeitende auf diese Weise flexible Lösungen von komplexen Problemen entwickelt werden.

Die Selbststeuerung von Lernenden und die damit verbundene lernergesteuerte Entwicklung authentischer Lernmaterialien sind eine Wiederentdeckung in der Didaktik. Diese wurde vor allem durch Impulse der Informations- und Kommunikationstechnologien oder populären Veröffentlichungen (vgl. Web 2.0, wisdom of the crowds) genährt. So haben die Ideen der Reformpädagogen, die bisher an einem behavioristisch-kognitivistischen Lernparadigma gescheitert sind, eine neue Chance erhalten, umgesetzt zu werden.

Die zurzeit laufende internationale Delphi-Studie der ETH Zürich zu Bildungsinnovation oder der Horizon Report (2009) bestätigen diese Trends und liefern wertvolle Ergänzungen: Hier werden unter anderem Ansätze wie collection-Based Research, Collective Intelligence oder Affective Learning im Zusammenhang mit Selbstlernen und Kompetenzentwicklung von Lernenden diskutiert.

Zentrale Erfolgsfaktoren

Diese Wiederentdeckung weckt bei manchen Bildungsverantwortlichen die Hoffnung auf Kostenersparnisse. Es sollte doch möglich sein, Mitarbeitende vermehrt selbstständig lernen zu lassen, sie sogar in die Produktion von elektronischen Unterrichtsmaterialien einzubeziehen! Gleichzeitig könnten dabei heterogene Lernvoraussetzungen durch die Individualisierung ausgeglichen und zeitliche Einschränkungen am Arbeitsplatz besser berücksichtigt werden. Doch geht diese Rechnung auf?

In der Analysephase des Bildungsinnovationsmanagements werden Einflussfaktoren auf eine Problemstellung (wie Kostendruck oder heterogene Lernvoraussetzungen) und Lösungsansätze (wie SGL oder Coaching) systematisch analysiert. Dabei verdient das Spannungsfeld personaler, organisationaler und technologischer Rahmenbedingungen, in dem didaktisches Design stattfindet, besondere Aufmerksamkeit (siehe Abbildung).
Zur Umsetzung der oben angesprochenen innovativen Ansätze in der Praxis der betrieblichen Weiterbildung sollten unter anderem folgende Faktoren berücksichtigt werden.

  • Personale Faktoren: Wenn Lernenden mehr Verantwortung für ihren Lernprozess übertragen wird und sie neue Freiräume erhalten, steigt die Herausforderung an die Selbstlernkompetenz: Sie müssen das eigene Lernen initiieren, steuern und kontrollieren. Haben die Trainer die fachlichen und methodischen Kompetenzen, um Lernende in diesem Prozess zu unterstützen?
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Technische Faktoren: ePortfolios, Rapid Development Tools, mobile Endgeräte und Informationssysteme zur Integration von Daten aus Social Software in herkömmliche Nutzerverwaltung sind nur eine kleine Auswahl von Impulsen, die in den beschriebenen Studien diskutiert werden. Erfolg und Kostenfolgen des SGL hängen massgeblich davon ab, ob solche Hilfsmittel effizient und gezielt eingesetzt werden können.
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Organisatorische Faktoren: Mit der Einführung selbstgesteuerten Lernens müssen alte Lernstrukturen weichen. Die Trainingsorganisation muss Voraussetzungen schaffen, die die Lernenden und ihre Vorgesetzten befähigen, dieses Prinzip im Lern- und Arbeitsalltag umzusetzen. Die Gestaltung eines solchen Lernsettings erfordert einen hohen Initialaufwand, der mit kurzfristigen Kostenzielen kaum vereinbar ist. Wenn SGL auch im Arbeitsalltag stattfinden soll, so ist darüber hinaus eine starke Top-down-Unterstützung von arbeitsplatzintegriertem Lernen und Auseinandersetzung mit kulturellen Barrieren nötig.

Die Gestaltung solcher Faktoren beeinflusst die Auswirkungen eines für eine Schulungsorganisation neuen didaktischen Ansatzes auf Lern- und Transfererfolg sowie die Schulungskosten. Kosteneinsparungen können nur bei guten Voraussetzungen für die Einführung von SGL in allen oben beschriebenen Bereichen erwartet werden.

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Dr. Urs Gröhbiel ist Professor für E-Learning an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Geschäftsführer des Schweizerischen Netzwerks für Bildungsinnovation (SNBI). Schwerpunkte in Forschung und Beratung sind Bildungsinnovation und E-Learning Management.

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Dipl. Päd. Antje Nissler ist wissenschaftliche Koordinatorin des SNBI. Sie ist spezialisiert auf Mediendidaktik, E-Learning und Evaluation.

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