HR Today Research

Kündigungspraxis in der Schweiz

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben virtuelle Kündigungsgespräche zugenommen, ergab eine Umfrage von HR Today und dem Personaldienstleister von Rundstedt. Ein Gespräch mit von Rundstedt CEO Pascal Scheiwiller darüber, welchen Einfluss Covid-19 sonst noch auf die Schweizer Kündigungspraxis hatte.

Wie gut schneiden die Schweizer Arbeitgeber allgemein ab?

Pascal Scheiwiller: Firmen in der Schweiz kommen allgemein recht gut weg. Auch wenn man in öffentlichen Diskussionen häufig nur von schlechten Beispielen hört, ist die Realität eine andere. Die Kündigungskultur und -politik in der Schweiz erscheint insgesamt professionell und sozialverträglich. Die Firmen verhalten sich mehrheitlich umsichtig und grosszügig. Es wird mehr gemacht, als rechtlich vorgegeben wäre. Betroffene werden unterstützt und gut behandelt.

Immer häufiger hören wir davon, dass ältere Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Sieht man das auch beim Kündigungsverhalten?

Nein, das können wir nicht bestätigen. Bei zwei Drittel der Firmen wird keine Ungleichbehandlung festgestellt. Ü50 sind in den meisten Firmen nicht mehr und nicht weniger von Kündigungen betroffen als jüngere Kolleginnen und Kollegen. Das Alter spielt dabei meist keine Rolle. Diese Gleichbehandlung bedeutet allerdings auch, dass ältere Mitarbeitende nicht speziell geschützt werden. Das sehen wir auch darin, dass die Kündigung von Menschen kurz vor dem Pensionsalter heute kein Tabu mehr ist. Fast 40 Prozent der Firmen kündigen auch Ü60. Das war in früheren Jahren anders. Es muss aber erwähnt werden, dass diese Fälle recht oft mit Frühpensionierungen abgefedert werden.

In den zahlreichen Abbauprojekten durch Covid hat man von den Betroffenen viel Schlechtes über das Kündigungsverhalten der Firmen gehört. Können Sie das bestätigen?

Entgegen vieler Befürchtungen hat es sich bei den meisten Massenentlassungen in den Corona-Jahren nicht um einen Stellenabbau gehandelt. Dieser konnte dank der grosszügigen Kurzarbeitspolitik in der Schweiz mehrheitlich verhindert werden. Viel häufiger standen die Massenentlassungen im Zusammenhang mit Veränderungen, Umbau und Reorganisationen. Das erklärt auch, warum die Arbeitslosigkeit nicht so stark zugenommen hat und es derzeit sehr viele offene Stellen gibt. Covid hat also eher zu einer Beschleunigung des digitalen Strukturwandels und damit zu mehr Bewegung auf dem Arbeitsmarkt und nicht zur Vernichtung von Arbeit geführt. Bei diesen Massenentlassungen schneiden die Firmen sehr unterschiedlich ab. Es gibt viele gute Beispiele, aber auch einige schlechte. Die Meinungen gehen da recht auseinander. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass viele Firmen zum ersten Mal zum Mittel der Massenentlassung greifen mussten und keinerlei Erfahrung damit hatten.

Wie unterstützen Schweizer Firmen die Mitarbeitenden nach einer Kündigung?

Allgemein verhalten sich die Firmen in der Schweiz im Kündigungsfall den Betroffenen gegenüber recht grosszügig. Es wurde allgemein eine grosse Unterstützungsbereitschaft festgestellt. Die wichtigsten konkreten Leistungen sind die frühzeitige Freistellung (79 Prozent), Outplacement-Programme (63 Prozent) und finanzielle Abfindungen (48 Prozent); häufig sogar eine Kombination davon.

Das Thema Arbeitszeugnisse sorgt ja schon länger für Diskussionen. Was hat die Studie dazu hervorgebracht?

Das Thema der Arbeitszeugnisse ist sowohl im HR, als auch in der Führungslinie sehr umstritten. 50 Prozent der Teilnehmenden sind mit der aktuellen rechtlichen Situation unzufrieden. Deshalb wird in relativ vielen Firmen (46 Prozent) der Qualität und Individualität von Arbeitszeugnissen keinen grossen Wert mehr beigemessen. Noch viel kritischer sieht es bei den Referenzauskünften aus. 63 Prozent der Führungskräfte sind nicht mehr oder nur widerwillig bereit, Referenzauskünfte zu geben. Das ist eine Folge des heiklen rechtlichen Rahmens. Da besteht meines Erachtens politischer Handlungsbedarf.

Welches Resultat hat Sie in der Umfrage am meisten überrascht?

Aktuell wird in Firmen das Thema Agilität und agile Organisation vorangetrieben. Die Firmen erwarten von Mitarbeitenden zunehmende Beweglichkeit, Flexibilität und Veränderungsbereitschaft. Das ist gut und recht. Aber viele Firmen verhalten sich selber alles andere als agil, vor allem wenn es um die Möglichkeiten der internen Mobilität geht. Spannend sind vor allem zwei Zahlen dazu. 66 Prozent der HR-Manager und Führungskräfte glauben, dass die zunehmende Agilität zu gesundheitsschädigenden Nebenwirkungen führt. Und 75 Prozent vermuten, dass Agilität in den meisten Fällen eine Rechtfertigung für ein Manko an Strategie und Planung ist.

Die detaillierten Resultate und Zahlen der gesamten Studie können Sie dem Whitepaper entnehmen oder auf folgenden Webseiten: rundstedt.chresearch.hrtoday.ch

Die Resultate werden ausserdem in verschiedenen Webex Veranstaltungen präsentiert und vertieft: 

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