Arbeit und Recht

Kunden abwerben – Was dürfen 
die ehemaligen Mitarbeitenden?

Verlässt ein Mitarbeiter mit Kundenkontakt seinen Arbeitgeber, will er meist seine bisher betreuten Kunden mitnehmen. Laut Treuepflicht darf er keine Abwerbungshandlungen vornehmen. Wann aber gilt eine Handlung als abwerbend? Seine Kunden neutral über den Austritt informieren darf er. Hier aber beginnt die Grauzone bereits, denn was ist schon neutral?

Aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht folgt, dass Abwerbungshandlungen während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses einen unzulässigen Treuebruch darstellen. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis aber oft die Frage, wann denn überhaupt eine rechtlich relevante Abwerbungshandlung vorliegt. Dies gilt umso mehr, als nach heutiger Rechtsauffassung die blosse Vorbereitung einer konkurrenzierenden Tätigkeit für die Zeit nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses als zulässig erachtet wird.

Treuwidrig ist sicher ein Kundenkontakt des Arbeitnehmers, der direkt darauf abzielt, den Kunden für sich selber oder zugunsten des neuen Arbeitgebers abzuwerben. Dies kann dadurch geschehen, dass der Arbeitnehmer die Dienstleistungen oder Produkte seines zukünftigen Arbeitgebers anpreist. Eine so direkte Vorgehensweise wird jedoch, zumindest solange das Arbeitsverhältnis noch andauert, eher die Ausnahme sein. Oft ist dies auch gar nicht erforderlich, da es häufig bereits genügt, wenn der Arbeitnehmer seinen Kunden den bevorstehenden Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber mitteilt.

Auch wenn die Kontaktaufnahme mit dem Kunden als solche noch keine Verletzung der Treuepflicht darstellt, hat sich der Arbeitnehmer dabei aber zurückzuhalten. Er hat sich auf die möglichst neutrale Mitteilung seines Austritts zu beschränken. Bereits die Nennung des neuen Arbeitgebers kann heikel sein. Dies jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer von sich aus den Kontakt sucht, er den Kunden also aktiv kontaktiert. Hakt der Kunde dagegen aus eigener Initiative nach, nachdem ihm der Arbeitnehmer seinen Weggang mitgeteilt hat, ist davon auszugehen, dass die Nennung des neuen Arbeitgebers zulässig ist. Auf jeden Fall hat sich der Arbeitnehmer auf den von ihm selber persönlich betreuten Kundenkreis zu beschränken. Eine systematische Information sämtlicher Kunden des bisherigen Arbeitgebers, also auch solcher, mit denen der Arbeitnehmer persönlich nichts zu tun hat, müsste als Verletzung der Treuepflicht gewertet werden.

Kunden aktiv abwerben – erlaubt. 
Kundenlisten mitnehmen – verboten

Grundsätzlich endet die Treuepflicht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Ausnahme besteht in der über die Vertragsbeendigung hinaus geltenden gesetzlichen Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers. Danach unterstehen geheim zu haltende Tatsachen, zu denen in der Regel Kundenkenntnisse des Arbeitnehmers gehören, auch nach Vertragsbeendigung noch so weit einer Geheimhaltungspflicht, als dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers erforderlich ist.

Strittig ist, ob die nachvertragliche Geheimhaltungspflicht dem Arbeitnehmer nicht nur die Mitteilung geheimnisgeschützter Kundendaten an Dritte, insbesondere den neuen Arbeitgeber, sondern auch deren eigene Verwertung (zum Beispiel im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit) verbietet. In neuerer Zeit wird die Meinung vertreten, dass nachvertraglich nur noch ein sogenanntes Mitteilungsverbot gelten soll, während dem Arbeitnehmer die eigene Verwertung der geheimen Kenntnisse gestattet sei. Dem ausgeschiedenen Mitarbeiter soll somit generell erlaubt sein, seine Kundenkenntnisse nach einem Stellenwechsel für sich selbst zu verwerten, das heisst die bisherigen Kunden anzugehen und aktiv abzuwerben. Dabei ist es dem Arbeitnehmer aber nicht erlaubt, Kundenlisten oder sonstige Unterlagen mit entsprechenden Angaben mitzunehmen. Er muss die ihm noch im Gedächtnis präsenten Kundendaten selbst rekonstruieren.

Steht die Offenbarung von Kenntnissen des Arbeitsnehmers über Kunden des früheren Arbeitgebers an Dritte in Frage, wird jeweils im Einzelfall anhand der konkreten Umstände zu prüfen sein, inwieweit die Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Mitteilungsverbot rechtfertigt. In vielen Fällen wird der Fortbestand des Mitteilungsverbots zumindest für eine begrenzte Zeit nach Vertragsbeendigung zu bejahen sein. Offenbart der Arbeitnehmer seine Kundenkenntnisse dem neuen Arbeitgeber, kann zudem auch der Straftatbestand der  Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses erfüllt sein. Treten besondere Umstände hinzu, kann eine Abwerbungshandlung weiter auch unlauter im Sinne des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sein, so beispielsweise bei der Verwendung von dem alten Arbeitgeber gehörenden Kundenlisten oder der Verleitung der Kunden zum Vertragsbruch gegenüber dem früheren Arbeitgeber.

Firma kann sich durch vertragliche Abwerbeverbote schützen

Will der Arbeitgeber Abwerbungen durch ausgeschiedene Mitarbeiter verhindern, muss er besondere, über das Vertragsende hinaus geltende vertragliche Vereinbarungen treffen. So kann er schriftlich ein (nachvertragliches) Konkurrenzverbot, ein Abwerbeverbot oder eine vertragliche Erweiterung der nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht vereinbaren. Für die beiden letztgenannten Vereinbarungen wird jeweils zu prüfen sein, ob sie in ihrer Wirkung nicht einem Konkurrenzverbot gleichkommen und deshalb die entsprechenden gesetzlichen Schutzbestimmungen greifen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Karin Bürgi Locatelli ist Rechtsanwältin und Partnerin in der Zürcher Wirtschafts- und Medienanwaltskanzlei 
Zulauf & Bürgi. www.karinbuergi.ch

Weitere Artikel von Karin Bürgi Locatelli