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Macht oder Einfluss – Leader erreichen ihre Ziele durch gekonnte Status-Spiele

Wer führt, muss entscheiden und schliesslich auch handeln. Doch die eigene Position muss nicht immer mit Macht durchgesetzt werden. Souveräner ist es, zwischen den Möglichkeiten der Machtausübung und der Einflussnahme zu wechseln. Das Status-Modell erklärt den Unterschied und zeigt Entwicklungsmöglichkeiten zur charismatischen Führungskraft.

Führungskräfte sollen einerseits Durchsetzungsfähigkeit, Entschlussfreude und damit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Andererseits aber sollen sie auch Prozesse moderieren, Mitarbeiter motivieren sowie Orientierung geben und mit Geschäftspartnern verhandeln. Sie sollen Führungsstärke und Zuversicht, aber auch Verbindlichkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit ausstrahlen. Mit reiner Machtausübung allein lässt sich das nicht erreichen. Führungskräfte müssen beides beherrschen – Macht und Einfluss. Macht da ausüben, wo es notwendig ist, und Einfluss dort nehmen, wo es sinnvoll ist. Was aber genau ist der Unterschied zwischen Macht und Einfluss? Zunächst eine kurze Definition: Macht übt aus, wer die eigenen Interessen auch gegen den Willen der anderen durchsetzt; Einfluss nimmt hingegen, wer die eigenen Interessen mit Zustimmung der anderen durchsetzt.

Der zweite Unterschied erschliesst sich aus dem Status-Modell (vgl. HR Today 1&2/09, S. 45). Innerhalb des Modells ist die Ausübung von Macht dem höheren Status zugeordnet und die Einflussnahme eine Position, die aus dem tieferen Status erwächst. Dabei erhöht der aus dem höheren Status Agierende die Akzeptanz seiner Macht, je sympathischer er auftritt. Der aus dem tieferen Status heraus handelnde gewinnt umso mehr Einfluss, je standfester er seine Interessen vertritt.

Historische Beispiele wie Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela verdeutlichen den Unterschied: Die Macht und den höheren Status hatten jeweils der politische Gegner. Aber beide hatten genug Einfluss, um aus dem tieferen Status heraus einen politischen – und auch weitgehend gewaltfreien – Wechsel herbeizuführen. Diese Fähigkeit, auch in äusserst stressbelasteten Situationen nicht nur den Verlockungen des Hochstatus zu erliegen, sondern auch den Status zu wechseln und aus dem tieferen Status heraus zu agieren, ist ein Aspekt, der Charismatiker auszeichnet.

Die innere Haltung ist dabei «hoch» (ich weiss, was ich will), die äussere Vorgehensweise aber «tief» – also nicht machtvoll, sondern Einfluss nehmend. Das ist vergleichbar mit der buddhistischen Metapher des Schilfhalms, der fest in der Erde verwurzelt sich im Sturm biegt, statt zu brechen, und sich hinterher wieder aufrichtet.

Nun tendieren Menschen – wie schon im letzten Artikel angedeutet – dazu, in sozialen Stresssituationen einen Status zu bevorzugen. Die meisten Zeitgenossen entscheiden sich hierbei für den tieferen Status, nur sehr wenige (etwa einer von zehn) für den höheren Status. Um aber den oben genannten Anforderungen gerecht zu werden, ist es notwendig, den eigenen Status bewusst zu gestalten und auch situativ zu wechseln. Dazu gibt es zwei Entwicklungswege:
1. Die aus dem Hochstatus handelnde Person muss lernen, in den tieferen Status zu wechseln (innen hoch, aussen tief). Subjektiv stellt sich diese Statusbewegung für den Hochstatus-Typen als bewusster Machtverzicht dar, den er so nicht ohne Weiteres eingehen möchte.

2. Die Herausforderung für den Tiefstatus-Typ ist, genügend Durchsetzungswillen zu entwickeln, um wirklich Einfluss zu nehmen. Nun zeigen aber Erfahrungen aus Status-Workshops, dass der Weg in die Position der gezielten Einflussnahme über den Hochstatus führen muss. Die Person muss innerlich bereit sein, im Status hoch zu gehen, und diesen Hochstatus auch aushalten. Erst dann kann sie in einem weiteren Schritt den hohen Status wieder verlassen. Diese Entwicklungsschritte sind deswegen so wichtig, weil es dabei immer auch um Souveränität geht. Um die Freiheit, das Selbstbewusstsein und das Vermögen, selbst bestimmen zu können, wie man im Umgang mit anderen auftreten möchte: hoch oder tief. Und um die Option, im Notfall auch blitzschnell den Status wechseln zu können.

Führungskräfte, die Ihren Status situativ bewusst gestalten können, sind Status-Artisten. Manche Leader verfügen über diese Fähigkeit, für alle anderen ist es eine Herausforderung, die verbunden ist mit jahrelangem Üben, einem hohem Mass an Selbstreflexion, Selbstbewusstsein, Angstfreiheit und der Fähigkeit, mehrdeutige Situationen auszuhalten. Sie werden dann von Ihren Mitarbeitern nicht nur als entschluss- und durchsetzungsstark empfunden, sondern gleichzeitig auch als glaubwürdig, verbindlich, berechenbar und in hohem Masse sympathisch.

Buchtipp

Das Buch «Status-Spiele, Wie ich in jeder Situation die Oberhand behalte» 
erschien im Scherz Verlag. 
Informationen zu Workshops und Seminaren unter: www.status-experte.de

 

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Tom Schmitt ist Trainer, Schauspieler, Regisseur und Inhaber des Trainingsinstituts COMMITT in Hamburg. www.committ-training.de

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