«Mein Chef ist eine Frau» – Neue Wege zu mehr weiblichen Führungskräften
Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, ist für Unternehmen nicht mehr nur eine Frage gelebter Gleichberechtigung, sondern aufgrund der demografischen Entwicklung schlicht eine Notwendigkeit. Bei Axa Winterthur zeigte sich, dass viele Frauen dafür bereit wären. Damit sie auch dorthin kommen, entwickelte die Firma das Gender-Mentoring-Programm.

Die beiden Mentees Rahel Hauser und Vera Tejic (v.l.) pflanzen gemeinsam mit Christoph Müller, Head Human Resources, den Axa-Diversity-Baum. Mit weiblichen und männlichen Blüten versinnbildlicht die Erle den Dialog zwischen unterschiedlichen Blickwinkeln, der hoffentlich weiterhin spriesst. (Foto: zVg)
Was braucht es, damit künftig mehr Frauen im Management vertreten sind? Diese Frage stand im Zentrum des Workshops «Women on the move», an dem sich Frauen aller Hierarchiestufen beteiligt haben und wo die Idee des Gender-Mentoring entstanden ist. Schliesslich weisen sämtliche Studien darauf hin, dass die Zukunft denjenigen Unternehmen gehört, die von Frauen und Männern gemeinsam geführt werden.
Ungewöhnliche Denkanstösse fördern und neue Netzwerke knüpfen
Der Workshop machte offenkundig, dass es im Unternehmen diverse Frauen gibt, die Führungsaufgaben respektive Verantwortung übernehmen wollen, und zeigte auf, welche Lösungen favorisiert werden: Vernetzung untereinander, ein verstärkter Dialog zum Thema Chancengleichheit, eine erhöhte Visibilität sowie ein klares Commitment der Geschäftsleitung. Das Instrument, welches dafür entwickelt worden ist, heisst Gender-Mentoring. 41 Frauen aus allen Hierarchiestufen und ebenso viele männliche Mentoren aus dem Topmanagement haben sich am ersten Gender-Mentoring-Programm bei der Axa Winterthur beteiligt. Auch alle Geschäftsleitungsmitglieder waren von Beginn an aktiv als Mentoren involviert und sind überzeugt, dass es neue Wege braucht, um Chancengleichheit im Unternehmen zu verankern.
Das Gender-Mentoring-Programm deckt verschiedene Aspekte ab. So hilft ein regelmässiger Austausch zwischen Mentor und Mentee, zwischen denen keine Berichtslinie und zwei bis drei Hierarchiestufen stehen, Vorurteile abzubauen und neue Perspektiven kennenzulernen. Zudem profitieren beide Seiten von neuen Denkanstössen, und die Frauen finden durch ihre Mentoren Zugang zu männlichen Denk- und Verhaltensmustern sowie zu neuen Netzwerken.
Die zwischenmenschliche Chemie beim Tandempaar muss stimmen
Die Idee ist einfach, die Umsetzung dennoch eine Herausforderung: Schliesslich sollten sich im Sinne des geforderten Commitments eine ganze Reihe von Führungskadern beteiligen. Dass schliesslich die gesamte Geschäftsleitung sowie ein Drittel des Topmanagements als Mentoren mitwirkten, war unter anderem auf die erfolgreiche Präsentation der Resultate aus «Women on the move» vor der gesamten Geschäftsleitung zurückzuführen und zeigt das Interesse an einer Veränderung der Unternehmenskultur und der Gender-Realität auf Führungsebene. Wie bei allen Mentoring-Programmen ist auch beim Gender-Mentoring die zwischenmenschliche Chemie beim Tandempaar von besonderer Bedeutung. Denn gerade wenn Hierarchiestufe und Lebensmodell verschieden sind, braucht es auch Gemeinsamkeiten, um sich verstanden zu fühlen. Ein Fragebogen, der das Kernstück der Bewerbung seitens der Mentees und Mentoren war, leistete die Grundlage für das Matching.
Nach einem Jahr ist die erste Staffel offiziell vorbei. An einer gemeinsamen Abschlussveranstaltung zogen Mentoren und Mentees Bilanz. Sie haben sich ein Jahr lang regelmässig ausgetauscht, zum Mittagessen getroffen, sich an geschäftliche Veranstaltungen begleitet oder waren bei Präsentationen des andern zugegen. Ein Tandempaar hat sich sogar beim gemeinsamen Joggen über Job und Karriere ausgetauscht. Gerade den offenen Rahmen bezüglich Ort und Inhalt haben beide Seiten geschätzt. Schliesslich ging es insbesondere darum, sich aufs Gegenüber einzulassen und individuelle Fragen zusammen zu erörtern. Dadurch konnten sowohl Mentees als auch Mentoren neue Sichtweisen gewinnen. Zwei Drittel der Frauen geben als Fazit an, dass sich ihre Motivation, sich beruflich weiterzuentwickeln, durch das Programm massgeblich gesteigert hat.
Eine gewisse Abneigung gegenüber dem Ziel eines ausgewogeneren Verhältnisses zwischen den Geschlechtern wurde teilweise von Männern, die nicht als Mentoren involviert waren, hinter vorgehaltener Hand geäussert. Einige sehen dies als Benachteiligung männlicher Mitarbeitender. Um dem vorzubeugen, führt das Unternehmen in regelmässigen Abständen Mittagsveranstaltungen durch, die für alle Mitarbeitenden zugänglich sind.
Mit internen Schlüsselpersonen sowie externen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft werden da Themen wie Chancengleichheit, Arbeitszeitmodelle und weitere Diversity relevante Themen erörtert und einem grösseren Kreis von Mitarbeitenden nähergebracht. Der Dialog steht auch hier im Vordergrund, und offen geäusserte Kritik kann in einem solchen Rahmen aufgenommen werden. Es ist somit nicht das primäre Ziel des Unternehmens, «Frauenförderung» zu betreiben. Vielmehr soll ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis eine Konsequenz davon sein, dass diejenigen Stolpersteine entfernt werden, die verhindern, dass Frauen intern Karriere machen können. Und davon profitieren letztlich alle Mitarbeitenden.
Mit der Sensibilisierung für das Thema ist es noch nicht getan
Ein Kulturwandel braucht Zeit. Nach einem Jahr Gender-Mentoring hat sich die Zahl der Frauen im Topmanagement des Versicherers noch nicht signifikant verändert. Doch auch wenn Gender-Mentoring kein Zaubermittel ist, ein Umdenken ist im Unternehmen bereits zu spüren. Unterschiedliche Sichtweisen werden bewusster in Projekte, Entscheide und Diskussionen einbezogen. In einzelnen Unternehmensbereichen haben Frauen Netzwerke ins Leben gerufen und zeigen vermehrt Eigeninitiative. Und: Für die zweite Staffel des Programms, welche diesen Oktober startet, meldete sich eine noch grössere Anzahl Mentoren.
Dies zeigt, dass die Sensibilisierung gegenüber dem Thema geglückt ist – weitere Schritte müssen folgen. So erarbeiten die bisherigen Mentees nun gemeinsam weitere Massnahmen. Zudem wird das Programm international; das französische Mutterhaus und seine Einheiten in Deutschland und Belgien wurden vom Schweizer Modell inspiriert. Wer weiss, vielleicht ebnet dies den Axa-Frauen auch den Weg, international Karriere zu machen.