Recruiting

Onboarding 2.0: Das Gefühl, schon vor Stellenantritt dazu zu gehören

Durch interne Netzwerke können neue Mitarbeitende ins Unternehmen integriert werden, schon bevor sie ihr Büro bezogen haben. Das hilft beiden Seiten.

Tag eins und Woche eins stellen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Weichen: ­gemeinsames Begrüssen aller Neulinge durch die Geschäftsleitung, aktive Unterstützung von Kollegen der unterschied­lichen Abteilungen, um die Bereiche ­vorzustellen, Gespräche gleich zu Beginn mit der Führungskraft, Vorstellung des Teams durch die Führungskraft, ein Zwei-Wochen-Plan mit Meetings, Lunches und Dinners, um Arbeitskollegen kennenzulernen, und vieles mehr. Die Personalabteilung und die Führungskraft gestalten gemeinsam Tag eins und die darauffol­genden Wochen. Das sind die normalen Standards.

Doch Firmen können den Neuen oder die Neue schon vor dem ersten Arbeitstag in das Firmennetzwerk einbinden. Mehr denn je ist das interne Netzwerk für das persönliche Wohlbefinden und die Entwicklung des neuen Mitarbeitenden entscheidend. Das bestehende externe Netzwerk war gegebenenfalls ein Erfolgsfaktor während der Entscheidungsfindung. Daher ist es wichtig, sogenannte New Hire früh durch interne Multimedia-Kanäle ins Unternehmensnetzwerk einzubinden.

Neue Anforderungen ans Training

Für Organisationen ist es entscheidend, Multimediatrends proaktiv aufzunehmen, um die Veränderungen im sozialen Kontrakt der Mitarbeitenden positiv zu gestalten. Mit abnehmender Loyalität seitens der Mitarbeitenden und deren wachsendem Bedürfnis nach kollaborativen Erfahrungen wird virtuelles Networking mit Arbeitskollegen immer wichtiger. Dabei erhalten die Mitarbeitenden unmittelbaren Zugang zum Erfahrungsschatz und umfassenden Wissen von Organisationen und spezifischen Communities.

Hierdurch verändern sich auch die Anforderungen an Onboarding und Training. Das Onboarding ist die erste offizielle Interaktion mit dem neuen Unternehmen und bietet die Gelegenheit, eine Talent-Revolution zu initiieren und eine neue Stufe von Mitarbeiter-Engagement zu erreichen.

Der traditionelle Onboarding-Prozess, der sich in vielen Unternehmungen eta­bliert hat, besteht meist aus den Phasen Pre-Boarding, Orientierung, Assimilierung und kulturelle Anpassung. Dazu gehören ein auf verschiedene Mitarbeitergruppen abgestimmter modularer Aufbau, regelmässige Treffen mit dem Linienvorgesetzten, individuelle Unterstützung durch ­einen Mentor sowie ein spezifischer Einführungsplan mit arrangierten Meetings und Checklisten. Die Verantwortung dafür teilen sich die HR-Abteilung und die vorgesetzte Person.

Die allgemeine Einführung mehrerer New Hires in die neue Organisation, oftmals zu Beginn eines Monats und für etliche an deren erstem Arbeitstag erfolgend, wird von HR-Verantwortlichen geleitet. Zahlreiche interne Referenten vermitteln wichtiges Wissen zur Un­ternehmung und bringen den neuen ­Mit­arbeitenden die Firmenkultur nahe. Idealerweise erläutert ein Vertreter des Top­managements strategische Ziele, Her­ausforderungen sowie die Führungskultur und beantwortet Fragen. Die Führungskraft übernimmt danach das Vorstellen auf der Abteilung und die eigentliche Einführung in die neue Rolle am Arbeitsplatz. Bei Bedarf kann für das ­Onboarding auch externe Unterstützung angefordert werden. Der Einbezug von Experten macht insbesondere Sinn, wenn es sich bei dem New Hire um eine erfahrene Führungskraft handelt.

Trotz der relativ weiten Verbreitung des klassischen Ansatzes fällt auf, dass bei vielen Unternehmungen ein bedeutungsvoller Onboarding-Prozess, der den Bedürfnissen aller Generationen Rechnung trägt, immer noch fehlt. Social Media können nicht nur einen nennenswerten Beitrag dazu leisten, wie eine Unternehmung am ersten Tag wahrgenommen wird, sondern auch, wie gut der New Hire für die Einarbeitung in die neue Rolle vorbereitet ist.

Studien zeigen, dass es eine Firma ungefähr eineinhalb Jahressaläre kostet, um einen abgehenden Mitarbeitenden zu ersetzen. Untersuchungen zur Fluktuation deuten darauf hin, dass Mitarbeitende, die nach weniger als 18 Monaten kündigen, nicht wegen eines besseren Angebots gehen. Vielmehr fühlen sie sich nicht eingebunden in die Unternehmung. Denn in vielen Organisationen wird der Onboarding-Prozess bloss als Checkliste gesehen.

Idealerweise beginnt das Onboarding bereits nach Vertragsabschluss. In dieser Phase sollen die New Hires in ihrer getroffenen Entscheidung bekräftigt und für das neue Arbeitsumfeld sensibilisiert werden. Anstelle des heute üblichen Versands von Informationsunterlagen kann dieser Kontakt im Zeitalter von Web 2.0 auch virtuell stattfinden.

Der Weg zu wichtigem Wissen

Um sich in ein neues Umfeld eingliedern zu können, ist es für New Hires unerläss­lich, die richtigen Leute zu treffen und wichtige Informationen zu finden. Beides braucht Zeit. Onboarding 2.0 verkürzt diesen Prozess, indem es die wichtigen sozialen Netzwerke effektiv nutzt. Hilfsmittel wie Profile oder Empfehlungen für Kollegen und Communities sind entscheidende Vorteile, wenn Mitarbeitende sich ins neue Umfeld einarbeiten. So können sie Kolleginnen und Vorgesetzte unmittelbar kontaktieren, und sie kommen auf diesem Weg auch zu wichtigem Wissen, um in ihrer neuen Rolle erfolgreich zu sein.

Spezifische Communities für Projekte, Produktentwicklung oder Marktforschung können einen ausschlaggebenden Einfluss darauf haben, wie informiert und kompetent sich Mitarbeitende in ihrer neuen Rolle fühlen. Durch das Kontaktieren von Experten innerhalb solcher Communities können Mentoren gefunden, Fragen geklärt und ein Gefühl von Zugehörigkeit gefördert werden. Live-Chats mit Trainingsspezialisten und Karrierecoach-Blogs ermöglichen unmittelbaren Zugang zu Karriere-Coaching, Interessengruppen oder Alumni-Netzwerken. Werden diese Möglichkeiten mit einer überzeugenden Intranetstrategie verbunden, kann das HR der talentorientierten Unternehmung durch das effektive Engagieren und Einbinden der neuen Mitarbeitenden vom ersten Tag an einen dauerhaften Wert und Zusatznutzen schaffen.

Neue Mitarbeitende zu engagieren benötigt Zeit, deshalb ist es wichtig, eine Standortbestimmung vorzunehmen und zu eruieren, was erforderlich ist, um das Onboarding innerhalb der Unternehmung zu revolutionieren. Folgende Fragen sind zur Einstufung dienlich:

  • Minimal: Ist die relevante Onboarding-Information in einem zentralen, leicht zugänglichen Ort abgespeichert?
  • Basis: Kommen Portal-Applikationen zum Einsatz, um neuen Mitarbeitenden Onboading-Informationen, Checklisten inklusive Applikationen für Compliance oder Weiterbildungen, zur Verfügung zu stellen?
  • Erweitert: Ist die Community für neue Mitarbeitende benutzerzentriert mit interaktiven, medienunterstützten Informationen, welche den Onboarding- und Orientierungs-Prozess beschleunigen?
  • Fortgeschritten: Verfügen alle Mitarbeitenden über eine persönliche Webseite mit benutzerspezifischem Inhalt, wo unter anderem Webparts, Communities, Weiterbildungsmöglichkeiten oder Experten empfohlen werden und deren Inhalt auf dem persönlichen beruflichen Profil basiert?
  • Führend: Werden soziale Technologien eingesetzt, um eine persönliche und/oder markenbildende Seite zu erstellen, um Expertise zu finden und Networking zu ermöglichen?

Um das Engagement der neuen Talente von Beginn an bestmöglichst zu fördern, müssen HR-Verantwortliche den Onboarding-Prozess kritisch beleuchten und an die veränderten Anforderungen anpassen. Insbesondere sollte der Fokus darauf gerichtet werden, die Bedürfnisse mehrerer Generationen anzusprechen. Intensive Diskussionen mit New Hires, Führungspersonen und Spezialisten im Bereich Social Media sind hilfreich, damit HR einen Onboarding-Prozess entwickeln kann, der einen entscheidenden Einfluss auf die Unternehmung ausübt.

Onboarding 2.0 – Wie es funktioniert

Nach Unterzeichnung des Arbeitsver­trages bis zum ersten Arbeitstag nutzt der oder die Neue das Angebot des Arbeitgebers für neue Mit­arbeitende, um persönliche und berufliche Beziehungen mit Arbeitskollegen zu knüpfen. Private Räume auf LinkedIn und Facebook, welche sich hinter den Firmenseiten befinden, sind für New Hires reserviert, damit diese mit Networking beginnen und Fragen stellen können. Neue Mitarbeitende ­haben dort unter anderem die Möglichkeit, für ihre künftigen Arbeitskollegen eine Video-Begrüssung zu produzieren, in der sie sich vorstellen können. Statt des Versuchs, Treffen zwischen neuen Mitarbeitenden und Mitgliedern des oberen Management zu planen, nutzen neue Mitarbeiter das Mitarbeiter-Engagement-System, um das Top­management kennen zu lernen und mit ihm zusammenzuarbeiten.

Die Web­site des  Arbeitgebers verfügt über ein sogenann­tes «Online Prehire Center», welches zukünftigen  Mitarbeitenden erlaubt, administrative Aufgaben wie beispielsweise die Bestellung des Mobiltelefons, die Laptopzuweisung oder Angaben zur Bankverbindung vor Stellenantritt zu erledigen. Der erste ­Arbeitstag ist dann ausschliesslich dem Knüpfen von Kontakten, Teambildungs-Übungen und dem Engagement der neuen Mitarbeitenden gewidmet.

 

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Myriam Rosenkranz ist Senior Manager bei Deloitte Schweiz und dort spezialisiert auf die Themen HR ­Transformation und Change Management.

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Dr. Joseph Press ist ­Senior Manager bei Deloitte Consulting im Human Capital Team. Er verfügt über 15 ­Jahre HR-Beratungs­erfahrung und arbeitet vorwiegend mit inter­nationalen Unter­nehmen. 

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