Der Arbeitsplatz der Zukunft

Ortswechsel und Renovation als Vitalisierungsschub nutzen

Ein Unternehmen zieht in neue Räume, ein anderes baut seine Räumlichkeiten um. Was den jeweiligen Verantwortlichen dabei wichtig war, wie sie vorgingen, was sie im Nachhinein anders gemacht hätten, erklären der HR-Leiter von SBB Cargo International und der Facility Manager von Orange.

Wie eine Tochter, die selbständig geworden ist und in die erste eigene Wohnung zieht, so vergleicht Massimo Carluccio den Umzug der SBB Cargo International AG, einer Tochter­firma von SBB Cargo, von Basel nach Olten. Carluccio ist Leiter HR und hat das Projekt von Anfang an geleitet. «Es geht ja um Themen der Kulturentwicklung wie Arbeitsplatzgestaltung, optimale Teamzusammensetzung und -­arbeit, also Dinge, für die ich als HR-Leiter auch verantwortlich bin», erklärt Carluccio seine Motivation, das Projekt zu übernehmen. Dass sich ein HR-Leiter von A bis Z um die Neugestaltung und den Umzug kümmere, sei eher selten, weiss Daniel Rindlisbacher von der Firma Breitblick, der als Planungs- und Gestaltungsprofi Massimo Carluccio unterstützt hat. «Meistens haben wir mit Logistik-, Bau- und Gebäudeverantwortlichen zu tun, erst seit den letzten zwei Jahren zeichnet sich ein Gesinnungswandel ab und das HR wird zunehmend mit einbezogen», sagt Rindlisbacher.

In Olten bezog SBB Cargo International mit seinen 100 Mitarbeitenden eine Art Loft. «Bei der Neugestaltung habe ich mich vom bisherigen Arbeitsort in Basel inspirieren lassen, ohne die dortigen Mängel, etwa lange Kommunikationswege, zu wiederholen», erklärt Carluccio. «Ich wollte offene Räume, in denen diejenigen zusammen sitzen, die auch zusammen arbeiten und so die Kommunikation fliesst  – in Basel waren wir auf drei Stockwerke verteilt. Mir waren aber auch Rückzugsmöglichkeiten für ungestörtes Arbeiten oder vertrauliche Gespräche wichtig.» Aus diesem Wunsch heraus sind die sogenannten Besprechungsboxen, eine Art Glaswürfel mit Belüftung, entstanden. Diese Balance zwischen ungestörter Einzelarbeit und Zusammen­arbeit im Team zu halten, sei eine grosse Herausforderung für die moderne Arbeitsplatzgestaltung, sagt Rindlisbacher. «Aber sie ist der Schlüssel zum Erfolg.»

Die HR-Abteilung mittendrin

Im ganzen Büro der SBB Cargo International gibt es keine Trennwände, dafür Sideboards, die auf der einen Seite vom Gang abschirmen und auf der anderen Seite als Möbel dienen. Auch der HR-Bereich hat nur hohe Regale und Postfächer, die ihn etwas vom Grossraumbüro abtrennen. «Es war mein Wunsch, dass wir zentral platziert sind, so dass wir ganz natürlich zur Anlaufstelle werden und die Leute einfach vorbeikommen können», sagt Carluccio. Ebenso mittendrin liegen die Arbeitsplätze der Geschäftsleitungsmitglieder. Sie haben jedoch abschliessbare Büros, allerdings sehr transparente, denn sie sind auf drei Seiten aus Glas.

Einen wortwörtlich ganz zentralen Punkt in der Bürogestaltung bildet die Cafeteria ein. Sie ist mit ihrer über zwei Meter langen Theke eine beliebte Begegnungszone, wird aber auch für Teammeetings genutzt.

Die vielen positiven Reaktionen, die er ­erhalten hätte – vor allem für die Stehbar in der Cafeteria –, hätten ihm signalisiert, dass er sein Projekt erfolgreich durchgeführt habe, sagt Carluccio. «Einer der Erfolgsfaktoren war sicherlich auch die kurze Dauer von nur sechs Monaten, in der wir das ganze Projekt von der Planung bis zum Einzug durchgezogen haben», ist Carluccio überzeugt. Und ein anderer wichtiger Punkt für die schnelle und ­erfolgreiche Durchführung: «Ich hatte mit der Firma Breitblick nur einen einzigen ­Ansprechpartner und musste mich nicht mit allen Handwerkern auseinandersetzen.»

Wissen, wohin die Reise geht

Im Vorfeld der Planung, sagt der HR-Leiter, habe er sein HR-Netzwerk genutzt und sei bei verschiedenen Firmen gewesen. «Ich halte es für enorm wichtig, zuerst zu sehen, wie sich andere eingerichtet haben, und Ideen zu sammeln, bevor man selber loslegt mit der Planung», gibt Carluccio einen Tipp für veränderungswillige Firmen.

Wird umgebaut, um den Raum optimal auszunutzen, oder handelt es sich um einen Innovationsprozess? Die Verantwortlichen sollten möglichst früh eine Vorstellung des künftigen Bürobetriebs entwickeln und formulieren, was das Ziel der Neu- oder Umgestaltung ist. Genau das hat das Telekommunikationsunternehmen Orange getan, als es sich für das Projekt Office-Vitalisierung entschieden hat. Unter dieser Bezeichnung wurden die Büros in Biel neu organisiert und neu gestaltet. «Unser Ziel war, den Kundendienst kundenfreundlicher zu machen», erklärt Oliver Burri, der als Facility Manager das Projekt begleitet hat. «Gleichzeitig wollten wir die Büros farbiger, heller und kreativer gestalten, da sie sehr technisch aussahen, grau in grau mit vielen sichtbaren Kabeln», sagt Burri. «Die Leute sollten sehen, dass sich etwas verändert hat.

Kreative Eigenproduktionen

In nur vier Monaten hat Burri mit Hilfe des Gestaltungsbüros Breitblick die Neu- und Umgestaltung vollzogen. Dabei kam ihm zugute, dass sein externer Partner das Unternehmen Orange schon gut kannte, denn Breitblick hatte bereits die Neugestaltung der Büros in Lausanne und Zürich begleitet, beides grosse mehrjährige Projekte. «Es ist enorm wichtig, dass externe Partner die Kultur eines Unternehmens kennen und wissen, wie die Leute ticken», sagt Burri. Der Inhaber von Breitblick, Daniel Rindlisbacher, bestätigt, dass es grundlegend für sie sei, in kurzer Zeit ein Gefühl für eine Firma und ihre Werte entwickeln zu können. «Den Einstieg in ein Projekt machen wir deshalb immer mit dem Management. Später beobachten wir, wie sich die Mitarbeitenden in den Räumen bewegen, wie sie sich verhalten, und wir gehen mit ihnen Kaffee trinken, um sie kennen zu lernen.»

In Biel verteilen sich die rund 200 Mitarbeitenden auf drei Stockwerke, in denen jeder Raum eine eigene Farbe bekam. Zudem konnte je ein Mitarbeitender eines Teams an einem Workshop im Atelier eines Künstlers gestalterisch tätig sein. Dabei wurden kreative Bilderrahmen, Holzkleiderständer oder mobile Elemente kreiert (siehe Bilder), die in den Räumen platziert wurden. «Auf diese Weise wollten wir die Mitarbeitenden miteinbeziehen, sie sollten ihre Arbeitsräume mitgestalten können», erklärt Burri. Die Meinungen der Mitarbeitenden seien bei Orange wichtig, sagt Burri, insbesondere in diesem Fall, weil sich rund die Hälfte der Leute einen Arbeitsplatz teilen muss. «Mit der künstlerischen Raumgestaltung geben wir ihnen etwas von der Indivi­dualität zurück, die sonst ein eigener Arbeitsplatz garantiert.»

Ein ganz wichtiges Anliegen bei der ­Arbeitsplatzgestaltung war das Licht. «Wir ­haben sehr viel dafür investiert, das Licht, die Helligkeit zu verbessern, da wir vorher sehr dunkle Flächen hatten», sagt Burri. Die drei «L», Licht, Luft, Lärm gehören gemäss Rindlisbacher denn auch zu den «Evergreens», die generell am meisten zu reden geben und bei denen es am schwierigsten ist, es allen recht zu machen.

Die Orange-Mitarbeitenden sind in Grossraumbüros mit 20 bis 50 Leuten eingeteilt. Sowohl die Kommunikations- und die Rechts­abteilung als auch das HR, zu dem das Facility Management gehört, sitzen im Grossraum­büro. «Auch der CEO ist im Grossraumbüro, und ich glaube, er ist stolz drauf», sagt Burri. «Unsere offene Unternehmenskultur spiegelt sich wider in der Raumgestaltung. Wir haben flache Hierarchien und duzen uns alle.» Als Rückzugsmöglichkeiten dienen sogenannte Bubbles, Extra­anfertigungen aus Holz, die den Nutzer akustisch komplett von der Aussenwelt abschirmen, und Telefonkabinen, die für vertrauliche Gespräche genutzt werden können.

Sowohl Oliver Burri wie auch Massimo Carluccio haben sich gegen spezielle Extras entschieden, wie etwa Ruheräume oder aromatisierte Aufenthaltsorte. Carluccio meint dazu: «Als Schweizer Unternehmen liegt es nicht in unserer Kultur, uns in speziell aromatisierte Räume zurückzuziehen. Ich finde zwar, Goodies braucht es, aber sie sollen adäquat sein.» Auch Rindlisbacher empfiehlt seinen Kunden, Trends zu hinterfragen und gut zu überlegen, ob und in welcher Form sie in das Unternehmen passen. «Ich habe schon viele verwaiste Ruheräume gesehen, die bei Platzbedarf wieder in Büros umgewandelt wurden.»

Auch Nachbearbeitung gehört dazu

Im Nachhinein empfindet Burri nur die «sportliche Zeit», in der sie die Neuorganisa­tion und die Umgestaltung durchgezogen haben, als Stolperstein. «Es gab Dinge, bei denen wir vielleicht nicht das hundertprozentig Beste herausgeholt haben», sagt er. Fehler, wie etwa eine lila Farbe in einem Büro, mussten später ausgebügelt, sprich umgestrichen werden – «Lila ist nicht gerade jedermanns Farbe …» Damit die Neu- oder Umgestaltung erfolgreich verläuft, braucht es gemäss Burri vor allem zwei Dinge: «Genügend Zeit einplanen und möglichst viele Leute von verschiedenen Abteilungen involvieren.»

Und damit genau solche Fehler wie die lila Farbe korrigiert werden können, braucht jedes Projekt eine Nachbearbeitung: «Nicht alles funktioniert so wie  gedacht. Oft merken die Mitarbeitenden erst am neuen Arbeitsplatz, was für sie nicht stimmt, oder man hat einen Bedarf falsch eingeschätzt. Wird dann nichts gemacht, kann die Stimmung schnell in Verärgerung kippen», weiss Rindlisbacher aus langjähriger Erfahrung. Ebenso wichtig sei, dass die Inbetriebnahme gelinge: «Wenn beim Umzug nicht alles klappt, für den Mit­arbeitenden wichtige Einrichtungen nicht funktionieren – und sei es nur die Kaffeemaschine –, wird es schwierig, die Mitarbeitenden für die neue Umgebung zu begeistern.»

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