Liebe am Arbeitsplatz

Partnerbörse Arbeitsplatz

In der Schweiz lernt sich jedes fünfte Paar im Job kennen. Tendenz steigend. Doch wie gestalten Unternehmen das Spannungsfeld zwischen Tabu und Diversität? HR Today hat sich in Wissenschaft und Praxis umgehört.

Beziehungen am Arbeitsplatz galten lange Zeit als Bedrohung für die Routinen von Organisationen, weil sie sich der Steuerung entziehen. So bewertete dies zumindest der bekannte Soziologe Max Weber zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Ganz so strikt sieht man es heute nicht mehr. Dennoch wirken firmeninterne Liebesbeziehungen heute noch verunsichernd auf Organisationen. Nicht zuletzt, weil die Grenze zwischen gegenseitiger Zuneigung und sexueller Belästigung fliessend ist.

Intimität zwischen Tabu und Diversität

Wie gross diese Verunsicherung ist, zeigt eine Studie der Society for Human Resource Management aus dem Jahr 2001. Rund 95 Prozent der befragten HR Professionals gaben damals an, «Workplace Romances» aus Angst, sich aufs emotionale Glatteis zu begeben, zu unterbinden oder zumindest nicht zu fördern. Auch in der Schweiz ist das teilweise noch so. «­Besonders wenn Frauen in den Unternehmen untervertreten sind, werden emotionale Aspekte heute oft noch tabuisiert, da wenig Erfahrung im Umgang mit Beziehungen existiert», so die Einschätzung von Dr. Brigitte Liebig, Professorin für angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz: «Das fördert die Verunsicherung.

Wo hingegen Diversität gelebt, über Nähe und Intimität offen kommuniziert wird und Leitlinien existieren, die deutlich machen, was sozial erwünscht ist, entstehen beziehungsfreundliche Organisatio­nen», führt die Geschlechterexpertin aus. Konflikte ortet Liebig vor allem dort, wo Machtfragen ins Spiel kommen. Wenn zum Beispiel nicht klar ist, ob eine Beziehung von beiden Seiten frei gewählt wurde oder sich andere Teammitglieder plötzlich benachteiligt sehen. Insgesamt sei der Umgang mit Beziehungen am Arbeitsplatz jedoch entspannter geworden, so die Einschätzung der Professorin. Nicht alles werde gleich als untragbar im Organisationsalltag eingeschätzt. Liebes­beziehungen würden zwar nicht unbedingt gefördert, Versetzungen seien jedoch seltener geworden. Auch würden Gespräche heute öfter früher gesucht, bevor eine Situation untragbar wird und eskaliert.

Studie

2006 Workplace Romance Poll Findings, Michael Parks, 2006

Workplace Romances sind nicht ver­meidbar, kommt die Studie der SHRM (Society for Human Resource Management)  zum Schluss. Sie zeigt, dass die meisten Unter­nehmen trotz zunehmen­der Tendenz, am Arbeitsplatz «anzubandeln», keine Regeln eingeführt haben, wie mit Beziehungen am Arbeitsplatz umzugehen ist. Der Workplace ­Romance Poll wurde 2006 durchgeführt, teil­genommen haben rund 500 HR-­Profes­sionals und 400 Angestellte. Die Studie ­wurde in den USA durchgeführt.

www.shrm.org/research

 

Blick in die Praxis

«Jedes Jahr finden bei uns rund zehn Paare ihre Liebe», erklärt Marcel Sonderer, Personalleiter bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB), freimütig. Als potenzielle «Single-Kontaktbörse» hat das Finanz­institut allerdings einige Massnahmen getroffen: «Bei uns sorgen Verhaltens-Guidelines dafür, dass ungute Situationen gar nicht erst entstehen. Wenn sich ein Paar findet und ein Interessenskonflikt im Raum steht, sind die Betroffenen angehalten, den nächst höheren Vorgesetzten darüber zu informieren. Insbesondere, wenn es sich um Vorgesetzte-Mitarbeiter-Beziehungen handelt oder bei Beziehungen innerhalb eines Teams, wo sich andere benachteiligt fühlen könnten.» In der Regel stellten Paarbeziehungen bei der ZKB aber kein No-Go dar. Bei rund 5000 Mitarbeitenden gäbe es auch immer Möglichkeiten, in eine andere Abteilung zu wechseln. Dann «hat man am Abend auch mehr zu diskutieren, als wenn man den ganzen Tag so nahe beieinander verbringt», meint Marcel Sonderer. «Verstecken spielen» sei jedenfalls nicht ratsam, meint er.

Wenn man offen mit dem Thema umgeht, könne man sich unter Kollegen in der Kaffeepause auch mal erzählen, was man Wochenende gemacht hat. «Nicht unbedingt gleich nach dem ersten Date, aber wenn die Beziehung eine gewisse Festigkeit hat.» Wie offen die Bank mit dem Thema «Liebe am Arbeitsplatz» umgeht, illustriert auch das Mitarbeitermagazin «Tresor», welches unlängst eine ganze Ausgabe der Thematik widmete, worin fünf Paare über Ihre «ZKB-Lovestory» Auskunft gaben (die auszugsweise auch den vorliegenden Artikel illustrieren). Übrigens: Sollte dem Glück doch keine lange Dauer beschieden sein, bietet die ZKB ebenfalls Hilfestellung. So haben alle Mitarbeitenden auch bei privaten Problemen Anspruch auf externe Unterstützung.

Das Buch zum Thema

Olaf Geramanis und Kristina Hermann (Hrsg.): Organisation und Intimität. Der Umgang mit Nähe im organisationalen Alltag – zwischen Vertrauensbildung und Manipulation. Carl-Auer Verlag, 310 S.

Was haben Organisationen mit Intimität zu tun? Wie viel Nähe und Emotionalität ist für das Funktionieren von Orga­nisa­tionen wünschenswert? In diesem Buch wird das Begriffspaar «Organisation und Intimität» aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Verschiedene Gastautoren beleuchten die diversen ­Aspekte von Nähe und Distanz in Unternehmen.

Von der (geheimen) Liebesbeziehung in die Selbständigkeit

Eric und Heike Rudolf von Rohrs Geschichte beginnt über Irrungen und Wirrungen und mit ­einer Kollegschaft, die eigentlich gar keine ist:  Eric Rudolf von Rohr: «Ich war als Geschäftsführer der schweizerischen Niederlassung einer ­Unternehmensberatung dafür verantwortlich, diese aufzubauen und hatte als Neuling natürlich viele Fragen. So haben Heike und ich viele Male telefoniert, bevor wir uns das erste Mal in Dänemark trafen. Ich wollte unbedingt mehr über Heike erfahren, die damals in München lebte. Sie hat aber überhaupt gar nicht reagiert.» Mit Hartnäckigkeit, Charme und Wertschätzung nutzt Eric Rudolf von Rohr von da an jedes berufliche Treffen, um Heike Rudolf von Rohrs Herz zu erobern. Von den Kollegen hat niemand gemerkt, dass es zwischen ihnen gefunkt hat, beteuern beide. Oder zumindest beinahe. «Es war richtig kribbelig», meint Heike Rudolf von Rohr. «Ich habe mich bei jedem beruflichen Treffen gefreut wie auf die nächste Schulreise», schmunzelt er. «Offensichtlich wurde es erst, als wir
beim Händchenhalten er­wischt wurden.»

Thematisiert haben die beiden die Beziehung am Arbeitsplatz nie. «Wir arbeiteten ja nicht am selben Ort oder im selben Team. Einen Rollen- oder Machtkonflikt gab es deshalb nicht», so Heike Rudolf von Rohr. «Ausserdem existierten keine Regelungen betreffend Umgang mit Beziehungen am Arbeitsplatz.» Das Private vom Beruflichen haben Eric und Heike Rudolf von Rohr schon immer getrennt. Seit sie sich mit dem Outplacement-Unternehmen TGC – The Gotthard Concept* gemeinsam selbständig gemacht haben, gilt dies umso mehr: Die Klientenvertraulichkeit ist zu wahren.

Und wie erleben sie ihre Zusammenarbeit? «Wir waren überzeugt, dass wir erfolgreich selbständig sein würden. Gemeinsam Lösungen zu finden, Höhe- und Tiefpunkte zu durchleben und sich gegenseitig wieder hochzuziehen, macht enorm stark. Wir wissen, dass wir aufeinander zählen können. Und dass wir am selben Strick ziehen. Uns kann eigentlich nichts passieren», gibt sich Eric Rudolf von Rohr überzeugt. Wer eine Beziehung am Arbeitsplatz eingehe, sollte sich jedoch die Konsequenzen vor Augen halten und nicht andere entscheiden lassen oder sich zum Gesprächsthema machen, schränkt Rudolf von Rohr ein. Oftmals sei es auch ratsam, einen Stellenwechsel einzukalkulieren  und zu überlegen, wer den ‹höherwertigen› Job hat. «So hat alles seinen Preis», meint er abschliessend. «Authentisch zu sein, ist nicht immer einfach.» (cpa)

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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