Strategische Positionen

Personalsoftware unterstützt 
wirksam Prozesse und Mitarbeiter

Informationstechnologie im HR ist zu beidem herangewachsen: einem unentbehrlichen Fundament täglicher Arbeit und gleichzeitig zum Enabler für strategisch-steuernde Aufgabenbereiche. Aber noch immer ist die HR-IT nicht in jedem Unternehmen vollends angekommen. Indes helfen neue webbasierte Services bei Recruiting und Kommunikation und Software der Business Intelligence bei der Optimierung von Geschäftsprozessen.

Kalte Computer-Hardware trifft auf Wetware – also den Menschen, mit seinem schöpferischen Universum im Kopf. Sind IT-Systeme und der Mensch überhaupt kompatibel? Der Mensch als emotionales, oft unlogisches Wesen versus die emotionslose, stets streng logische Hard- und Software – trägt diese Verbindung? In dem gewöhnlich eher prosaischen Bereich menschlichen Daseins, der Wirtschaft und ihren Unternehmungen, haben IT-Systeme und der Mensch sich nicht nur laufend einander angenähert, sondern es ist geradezu ein Abhängigkeitsverhältnis entstanden. Ohne IKT-Systeme läuft in der globalen Ökonomie rein gar nichts mehr, Hard- und Software sind die Innovationsmotoren Nummer 1. Derweil haben die IKT-Systeme eine unglaubliche Komplexität angenommen, die von vielen kleineren Unternehmen kaum noch zu bewerkstelligen ist. Meist wird dann gerade administratives und operatives Tagesgeschäft – sinnvollerweise – outgesourct.

Wertschöpfende HR-Aktivitäten wie etwa die Lieferung von HR-Daten für die Analyse von Geschäftsprozessen mit spezieller Business-Software könnten aber auch in grösseren Unternehmen stärker zum Tragen kommen. Nicht zu vergessen dabei die Notwendigkeit, die strategischen Massnahmen in den zwei Welten (Human- und Technologieorientierung) aufeinander abzustimmen. Die Aufgabe der HR-IT umfasst mehr als nur die Optimierung administrativer Aufgaben. Die Spatzen pfeifen es ja längst von den Dächern: Technologieorientierung und zunehmende Automatisierung sind oft matchentscheidende Massnahmen. Doch gehören Qualität und verfügbare Quantität des so genannten Humankapitals in zunehmendem Masse zu den wichtigsten Faktoren des Unternehmenserfolgs. Bei vielen Positionen haben Unternehmen inzwischen Schwierigkeiten, geeignete Bewerber oder gar den Nachwuchs für bestimmte Jobsparten zu finden. Die Gründe sind bekannt und reichen von demografischen Entwicklungen über wechselnde Trends bei der Berufswahl junger Menschen bis zur Praxis häufigeren Stellenwechsels.

Talent Management wird mehr und mehr zur Chefsache

Das bringt Betriebe zunehmend dazu, in IT-Systemen für E-Recruiting und Talent Management (TM) ihr Heil zu suchen – sie sind ein sich inzwischen deutlich abzeichnender Wachstumsmarkt innerhalb der Personalsoftware. So hat das renommierte Londoner Analyseinstitut Economist Intelligence Unit (EIU) in einer Umfrage bei fast 400 Firmenchefs weltweit registriert, dass 41 Prozent glauben, es werde künftig sehr viel schwieriger, Talente zu finden und zu gewinnen. 45 Prozent geben an, dass ihr Unternehmen derzeit an Fachkräftemangel leidet. Um diese Probleme zu überwinden, wollen laut EIU künftig 31 Prozent der befragten CEOs Investitionen in TM-Software tätigen, bis heute machten das aber erst 22 Prozent der Unternehmen. Immerhin: Unter allen von EIU abgefragten HR-Aktivitäten zur Lösung der Personalgewinnungs-Probleme waren diese 9 Prozent angestrebte Steigerung die grösste. Bei manchen Kategorien der Befragung (wie etwa «Flexiblere Arbeitszeiten» oder «Höhere Einstiegsgehälter») werden laut EIU die in Zukunft geplanten Massnahmen teils gar deutlich zurückgehen.

Und was das EIU noch feststellte: Vor allem das Talent Management wird immer mehr zur Chefsache. Das bestätigt Claudia Rollero, PR-Managerin von SAP Schweiz: «Während früher nur die Personaladministratoren HR-Tools genutzt haben, werden heute immer mehr Führungskräfte in den Talent-Management-Prozess miteinbezogen – mit anderen Anforderungen an IT-Lösungen und bestimmten Vorstellungen bezüglich Datenqualität und Flexibilität.» Michael Gniffke, Leiter IT Consulting Services Schweiz bei Pricewaterhouse-
Coopers, sieht jedoch genau bei der Datenbasis ein generelles Problem. Er betrachtet TM-Systeme eher als alten Wein in neuen Schläuchen und konstatiert, dass es zu guter Letzt immer darauf hinausläuft, dass «die Daten gepflegt werden müssen, und genau hier die meisten Unternehmen scheitern. Denn der Aufwand für die Aufrechterhaltung eines absolut integren Datenbestandes steigt aus meiner Erfahrung überproportional mit der Unternehmensgrösse.»

Praxiserfolg hängt nicht von IT, 
sondern von Organisation ab

Am Ende führt ein TM-System allein auch nicht unbedingt zum Erfolg beim «War for Talents» und zur Stärkung des HRM bei ihren wachsenden Managementaufgaben. Denn flexible und leistungsfähige IT-Systeme seien generell notwendig, sagt Claudia Rollero. «Der Trend geht von isolierten 
Anwendungen für bestimmte Bereiche, wie Nachfolgeplanung, Recruiting usw. zu integrierten Lösungen mit einer einheitlichen Datenbasis.» Nur durch ganzheitliche, abteilungsübergreifende Infra
strukturen aber könnten alle Mitarbeiterentwicklungsprozesse gezielt unterstützt werden, so die SAP-PR-Managerin. Hier legt ein bedeutender Knackpunkt, wissen die Experten. Profi-Informatiker und Personaler Professor Thomas Schwarb, Dozent für HRM an der Fachhochschule Nordwestschweiz, sagt es nochmals deutlich: Bei Talent-Management-, Competence-Management- und Wissensmanagement-Systemen sei der Praxiserfolg praktisch nie von der IT-Lösung, sondern von der organisatorischen Seite abhängig. «Obwohl das alle wissen, konzentriert man sich dann in den Projekten immer auf die IT-Seite und, die relevanteren, aber auch viel schwierigeren organisatorischen Fragen werden zu wenig beachtet.»

Insgesamt jedoch lässt sich festhalten: Gerade wenn es um den gesamten Recruiting-Prozess geht, bieten Neue Medien im Vergleich zu den alten Bewerbungskanälen viele zusätzliche Möglichkeiten und erhöhte Effizienz. Noch kein eindeutiger Trend zeichnet sich ab, wenn es um das neue HR-Modethema Web 2.0 geht. Auf 
der einen Seite halten Experten, wie etwa 
Michael Gniffke, Web-2.0-Applikationen im HRM für «kein wirklich grosses Thema». Thomas Schwarb glaubt zwar daran, dass sich der Gedanke von Web 2.0 weiter etablieren werde – «aber vielleicht langsamer als erwartet».

Für die Vorreiter aber sind neueste, innovative Recruiting-Instrumente unabdingbar, denn «gerade die Besten findet man nicht mehr nur durch Stellenanzeigen in Zeitungen oder im Internet», betont Hans-Christoph Kürn, Leiter E-Recruiting und operatives Recruiting bei Siemens in München. Siemens Schweiz koordiniert alle Recruiting-Massnahmen mit Deutschland, auch hierzulande werden dafür Web-2.0-Applikationen genutzt, beispielsweise Xing. Doch noch haben die neuen Web-2.0-Recruitingkanäle nicht die Bedeutung wie mittlerweile für die Kollegen in Deutschland, heisst es bei Siemens Schweiz. Bereits 20 bis 30 Prozent aller Stellenbesetzungen gehen bei Siemens in Deutschland auf «Recruiting 2.0»-Massnahmen zurück, wie das die deutsche Marketingzeitschrift «W&V» nennt. Immer noch machen sich jedoch rund die Hälfte aller Unternehmen im Nachbarland keine Gedanken über das Thema Recruiting 2.0, so die Zeitschrift.

Einer der beliebtesten Pfeiler des neuen Web 2.0 sind die Sozialen Netzwerk-Plattformen, wie Facebook, Xing und My-Space. Immer mehr Personalmanager nutzen diese Social Networks auch als Informationsquelle, wo sie die Profile ihrer Bewerber im Netz immer genauer unter die Lupe nehmen. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Job-Portals CareerBuilder.com unter 3100 HR-Mitarbeitern in den USA. 21 Prozent der Personalverantwortlichen informieren sich demnach bei Facebook und MySpace über die Jobaspiranten. In Kürze wollen weitere 9 Prozent damit beginnen. Im Jahr 2006 analysierten erst 11 Prozent der amerikanischen Personaler Online-Netzwerke. Dass auch die betriebliche Information und Kommunikation in ihrem Unternehmen durch Web-2.0-Anwendungen effizienter werden wird, davon gehen 53 Prozent der befragten deutschen Personalmanager aus; lediglich 
13 Prozent halten dieses Szenario für unwahrscheinlich, fand eine aktuelle Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) heraus.

Allerdings nutzen bislang erst einige wenige so genannte 
«Early Adopters» Web-2.0-Tools im HRM. Je nach Personalaufgabe schwankt der Anteil zwischen 5 und 22 Prozent. Aufgeschlossen gegenüber den neuen technischen Möglichkeiten zeigte sich die Mehrheit der befragten Personalmanager allemal: Etwa drei Viertel der Befragten nutzen die neuen Tools zwar noch nicht, können sich aber vorstellen, dies in Zukunft zu tun. Und 92 Prozent der HR-Manager prognostizieren, dass das Thema Web 2.0 in den nächsten drei Jahren für das Personalmanagement an Bedeutung gewinnen wird.

Hoher Automatisierungsgrad macht Fehler weniger transparent

Bereits länger im Kommen sind andere HR-IT-Anwendungen, die sich mittlerweile mehr oder weniger erfolgreich etabliert haben. Zwei starke Trends sind die Bereiche Outsourcing und Prozessoptimierung. Der Trend zur Prozessoptimierung, meint Brian Aiken, Geschäftsführer D, A, CH von Exact Software, beziehe sich aber nicht alleine auf den HR-Bereich, sondern schliesse das ganze Unternehmen mit ein. «Im HRM ist die Flexibilität der HR-Software besonders wichtig, damit die Prozesse an das Unternehmen angepasst und jederzeit bei Bedarf geändert werden können. Ein integriertes Workflow-Management spielt dabei eine entscheidende Rolle.» Der Anbieter von Mitarbeiterselbstverwaltungs-Software wie Employee Self Services (ESS) und HR-Portalen verweist auf eine Studie der Management- und IT-Beratung Capgemini, wonach stark im Unternehmen positionierte Personalverantwortliche, die sich vorwiegend um wertschöpfende Themen wie Personal- und Organisationsentwicklung oder Talent Management kümmern konnten, über eine effiziente HRM-Software verfügen oder zumindest damit zufriedener sind.

Skeptisch äussert sich Michael Griffke in Bezug auf verschiedene HR-Funktionen wie Bewerber- oder Workflow-Management. Diese werden seiner Meinung nach in den Hintergrund treten, weil der Aufwand für den Bau dieser Funktionen respektive Prozesse recht gross ist und sich bei hohem Automatisierungsgrad dadurch auch die Gefahr der Fortpflanzung von Fehlern erhöht. «Gerade im Bereich Workflow-Management scheitern viele Unternehmen an den zahlreichen Ausnahmen, die das System abfangen muss. Hingegen wird der Business-Intelligence-Bereich 
immer wichtiger.» Business Intelligence Software bietet etwa Funktionalitäten für die Kennzahlensteuerung oder Controlling-Werkzeuge, um beispielsweise drohende Engpässe in der Stellenplanung oder die Rentabilität der Mitarbeiter sichtbar zu machen. Die Auswertung solcher Fakten sorgt für eine breite Informationsbasis und kann so strategische Management-Entscheidungen optimierter unterstützen.

Den kräftigen Trend zu Effizienz, zur Optimierung und Automatisierung stellen viele im Personalwesen Tätige fest. ESS und Manager Self Services entlasten das HRM, helfen Kosten sparen – kein Wunder, ist die Nachfrage nach HR-Portalen gross. In Deutschland ist es laut Erhebungen durchschnittlich jedes siebte Unternehmen, in der Schweiz, bei den grossen Unternehmen, gar schon mehr als jedes vierte, das Mitarbeitenden ein HR-Portal zur Verfügung stellt.

Outsourcing – klarer Trend für 
kleine Unternehmen

Outsourcing und ASP sind ein weiterer Trend, der ganz klar zu erkennen sei, sagt Claudia Rollero von SAP: «Unternehmen, die wenig oder keine personellen oder finanziellen Ressourcen haben, um selbst IT-Systeme im Unternehmen instand zu halten, nutzen immer öfters die Chance, über einen externen Anbieter Lösungen effizient und kostengünstig nutzen zu können.» Michael Griffke hingegen sieht KMU selten bis nie überhaupt ein IT-gestütztes HRM verwenden, jedoch stets eine Payroll-Anwendung, sofern sie nicht outgesourct ist. «In grösseren Unternehmen ist oft SAP im Einsatz, insbesondere dann, wenn es sich um internationale Konzerne handelt. Ein funktionierendes HR mit integriertem Bewerberprozess, Stellenplänen, Budgetierung, ESS/MSS ist eher selten anzutreffen», meint der Direktor des IT Consulting bei PwC.

Mit der Integration ist es ohnehin so eine Sache. Denn eine immer noch schwelende Debatte ist, für welche Art von Personalsoftware sich das HRM nun überhaupt entscheiden solle. Ist es das integrierte Standardkomplettsystem für alle wichtigen HRM-Aufgaben oder der  Best-of-Breed-Ansatz mit individuellen, genauestens passenden Modulen für einzelne Prozesse, vielleicht noch gar von verschiedenen Anbietern? Beide Konzepte haben ihre Vor- und Nachteile, und grundlegend ist eine genaue Anforderungsanalyse. Es gibt Berater und Experten, die eine Mischung aus beidem empfehlen (siehe auch Seite 24), abhängig von den spezialisierten Anwendungsgebieten der jeweiligen IT-Architekturen. Vielleicht ist das die Lösung. Beide Lager haben eben ihre erklärten Anhänger und entschieden ist die Debatte wohl noch lange nicht. Muss sie auch nicht. Wichtig seien aber, so Prof. Schwarb, die echte Integration der IT-Unterstützung aller HR-Bereiche in einer Plattform und Systeme, welche wirklich international eingesetzt werden können.

Schlussendlich hat gar manche HR-Abteilung ohnehin bereits ein Überangebot eingekauft: «Bei vielen IT-Lösungen sind im Grundpaket schon fast alle Anwendungsbereiche enthalten», sagt Thomas Schwarb. «Jedoch werden diese nicht von allen Personalabteilungen genutzt. Was wer nutzt, weiss niemand, nicht mal die IT-Anbieter. Es sei denn, sie würden die Fehlermeldungen auswerten», fügt er augenzwinkernd hinzu. Da begegnen wir ihm wieder, dem Wetware-Faktor.

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Tom Sperlich ist freier Journalist.

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