Positive Kosten-Nutzen-Bilanz für die Betriebliche Sozialberatung
Untersuchungen belegen, dass sich die Unterstützung bei persönlichen und beruflichen Problemen für das Unternehmen finanziell lohnt. Dies allein sichert aber keine gefestigte Position der Sozialen Arbeit in Unternehmen. Noch scheint Unklarheit zu herrschen über Auftrag und Positionierung der Betrieblichen Sozialberatungen.

Konflikte, ob im Büro oder zu Hause, kommen in der Betrieblichen Sozialberatung zur Sprache. (Foto: zVg)
In der Schweiz sind es vor allem grössere Unternehmen, welche für ihre Mitarbeitenden eine Betriebliche Sozialberatung anbieten. Dabei handelt es sich um freiwillige Leistungen des Unternehmens, denn es besteht keine gesetzliche Verpflichtung dazu. Gerade diese Freiwilligkeit wirft die Frage auf, was die Soziale Arbeit den Unternehmen bieten kann, was sich die Unternehmen auf der anderen Seite davon versprechen und wie weit Betriebliche Sozialberatungen dies auch einlösen können.
Studie: Nutzen von 116 bis 210 Prozent der eingesetzten Gelder
Die Anfänge der Betrieblichen Sozialen Arbeit reichen in der Schweiz bis in die 1920er-Jahre zurück. Die Fabrikpflegerinnen von einst hatten die Verbesserung der geistigen und körperlichen Wohlfahrt der Arbeitnehmenden und zugleich die Hebung der Produktivität des Betriebs im Blick.(1) Damit ist bereits der Rahmen für jede sozialarbeiterische Dienstleistung im Unternehmen beschrieben: soziale Verantwortung des Unternehmens für die «Wohlfahrt» der Angestellten auf der einen Seite, kombiniert mit der Verbesserung der Produktivkraft auf der anderen Seite. Es ist daher die zu erfüllende Grundbedingung der Betrieblichen Sozialen Arbeit schlechthin, durch soziale und/oder persönliche Belastungen beeinträchtigte individuelle Mitarbeitendenpotenziale erschliessen zu können.(2) Für einen monetären Nutzen für das Unternehmen ist dann gesorgt, wenn dadurch eine Steigerung der Wertschöpfung erfolgt, zum Beispiel durch eine Verbesserung der Arbeitsleistung oder eine Vermeidung von Kosten, die zum Beispiel durch einen Personalwechsel entstehen würden.
Verschiedene Studien untersuchen, wie weit sich das Engagement zugunsten der Mitarbeitenden für Unternehmen tatsächlich rechnet.(3) Sie alle weisen übereinstimmend eine positive Kosten-Nutzen-Bilanz aus, das heisst, der ökonomische Nutzen für das Unternehmen übertrifft die Kosten für eine Betriebliche Sozialberatung. Exemplarisch dazu eine Studie aus der Schweiz, die in zwei Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen die Wirksamkeit der Einzelfallhilfe empirisch untersucht und monetär bewertet hat: (4) Für das Industrieunternehmen resultiert bei jährlichen Kosten von rund 200 000 Franken ein Nettonutzen von 435 000 Franken. Der Nutzen macht also mehr als 210 Prozent der eingesetzten Gelder aus. Dieses Resultat ist durchaus robust. Denn selbst in einem Unternehmen aus einer Niedriglohnbranche (Gastronomie), wo die Verbesserung der Arbeitsleistung oder die Reduktion von Absenzen monetär entsprechend weniger zu Buche schlagen, macht der berechnete Nettonutzen noch 116 Prozent der Kosten aus.
Bisher konnte sich keine gefestigte Funktionsbeschreibung entwickeln
Durch den monetären Nutzen, der einen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg darstellt, ist zugleich auch die Wirksamkeit der Betrieblichen Sozialberatungen im Hinblick auf Problemlösungen belegt. Gleichwohl ist deren Stellung in den Unternehmen als randständig zu charakterisieren, wie eine Befragung bei 130 Betrieblichen Sozialberatungen in der Schweiz zeigt.(5) Dies erschliesst sich aus den Antworten der Leitenden von Betrieblichen Sozialberatungen auf die Frage, ob es im Unternehmen selbstverständlich ist, die Betriebliche Sozialberatung in Anspruch zu nehmen: Nur bei einem Anteil von 40 Prozent der befragten Sozialberatungen findet diese Aussage Zustimmung. Zudem ist nur eine knappe Mehrheit von 53 Prozent der Meinung, dass die Bedeutung der Sozialberatung im Unternehmen ausreichend erkannt ist. Für 75 Prozent ist die Aussage zutreffend, dass der Nutzen der Sozialberatung erst über konkrete Erfahrungen erkennbar wird. Diese starke Zustimmung deutet auf eine weitere grundlegende Problematik hin: Es fehlt offensichtlich in den Unternehmen an einer klaren Vorstellung über die Aufgaben und die Funktion der Betrieblichen Sozialen Arbeit. Trotz der langen Tradition des Arbeitsfelds hat sich keine allgemein bekannte und gefestigte Funktionsbeschreibung entwickeln können.
Die Soziale Arbeit in Betrieben steht also vor der Herausforderung, einerseits ihr Profil zu schärfen und ihre Dienstleistungen qualitativ weiterzuentwickeln und andererseits dieses Profil in den Unternehmen so zu kommunizieren und zu positionieren, dass eine optimierte Zusammenarbeit möglich wird. Um hier weiterzukommen, ist die Frage zu klären, welche Sorte von Problemen die Soziale Arbeit sinnvollerweise bearbeitet, woraus sich also ihre Wirkung und ihr ökonomischer Nutzen speisen.
An der Schnittstelle von privater Lebenswelt und Unternehmen
Auf der Basis einer qualitativen Studie und eines kooperativen Entwicklungsprojekts haben wir gemeinsam mit der Praxis konzeptionelle Grundlagen ausgearbeitet, von denen wir abschliessend den Kern kurz skizzieren möchten: Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass die Betriebliche Soziale Arbeit an der Schnittstelle zwischen privater Lebenswelt und beruflicher Leistungserbringung agiert. Im Mittelpunkt steht die Bearbeitung jener Situationen, in denen – erstens – die Integration von Mitarbeitenden, also die erfolgreiche und produktive Einbindung in das Unternehmen, belastet und letztlich gefährdet ist und diese Beeinträchtigung – zweitens – in ursächlichem Zusammenhang mit sozialen Problemen ausserhalb und innerhalb des Unternehmens steht. Sei es die Alkoholabhängigkeit des Mitarbeiters oder die Erziehungsschwierigkeiten mit der pubertierenden Tochter, sei es Mobbing durch Kollegen. Probleme dieser Art werden in diesem Verständnis für die Betriebliche Sozialberatung dann bearbeitungswürdig, wenn sie sich im Zusammenhang mit der Leistungserbringung im Betrieb als negativ erweisen.
Die Soziale Arbeit in Unternehmen bearbeitet den Zusammenhang von Arbeit und sozialen Problemen, so lautet ihr Auftrag. Aufgrund der Position an der Schnittstelle von Unternehmen und privater Lebenswelt kann sie diesen Auftrag besonders erfolgreich erfüllen und dafür sorgen, dass sich die soziale Verantwortungsübernahme von Unternehmen tatsächlich auszahlt. Darüber hinaus werden die Aufgaben unter einer klaren und benennbaren Funktion gebündelt, die aus Sicht eines Unternehmens nachvollziehbar und «sinnvoll» und Basis für eine optimierte Zusammenarbeit im Unternehmen ist.
Edgar Baumgartner und Peter Sommerfeld sind Mitautoren des Buchs «Betriebliche Soziale Arbeit» (Arbeitstitel), welches im Spätherbst dieses Jahres im VS-Verlag erscheinen wird.
Literatur
- (1) vgl. Reinicke, Peter (1988). Die Sozialarbeit im Betrieb. Von der Fabrikpflege zur Betrieblichen Sozialberatung. In: Soziale Arbeit, 37 (7/8), S. 202-213.
- (2) vgl. Appelt, Hans-Jürgen (2008). Betriebliche Sozialarbeit. In: Kreft, Dieter & Mielenz, Ingrid (Hg.). Wörterbuch Soziale Arbeit. Aufgaben, Praxisfelder, Begriffe und Methoden der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. 6., überarb. und aktual. Aufl. Weinheim: Juventa, S. 168-169.
- (3) vgl. Laubscher, Raphael & Baumgartner, Edgar (2004). Kosten-Nutzen-Rechnung der Sozialberatung: Positive Gesamtbilanz. In: Persorama, (3), S. 53–55; Stoll, Bettina (2001). Betriebliche Sozialarbeit: Aufgaben, Bedeutung, praktische Umsetzung. Regensburg: Walhalla-Fachverlag; Zeier, Brigitte (1999). Betriebliche Sozialarbeit im Personalwesen. Das Beispiel der Siemens AG. In: Soziale Arbeit, 48 (12), S. 437–440.
- (4) vgl. Baumgartner, Edgar (2004). Betriebliche Sozialarbeit lohnt sich. In: SozialAktuell, 36 (5), S. 2–5.
- (5) siehe: Baumgartner, Edgar; Berger, Daniela; Baur, Roland & Sommerfeld, Peter (erscheint 2011). Betriebliche Soziale Arbeit (Arbeitstitel). Wiesbaden: VS-Verlag.