HR-IT-Basics

Power-Duo: Die visionäre Leaderin 
und der umsetzungsstarke Manager

Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt: Der beste Entwickler wird Entwicklungsleiter. Die beste Verkäuferin wird Verkaufsleiterin. Unternehmen verlieren dadurch hervorragende Experten und gewinnen meist schlechte Manager. Andere Unternehmen leiden an Innovationsschwäche, weil Visionäre nicht in leitende Funktionen aufsteigen und diese Unternehmen nur noch verwaltet werden. Ein neuer Ansatz könnte diese Probleme lösen – und selbst bestehende Software kann dabei auf einfache Weise unterstützen.

Die Anforderungen, die heute an Führungskräfte gestellt werden, überfordern viele. Vorgesetzte sollen inspirierend und motivierend sein, innovativ und organisiert, fachlich versiert und gut mit Menschen, visionär und umsetzungsstark. Wenn man die Realität betrachtet, so gibt es fast keine Führungskraft, die diesen Ansprüchen gerecht wird. Ausbildungen in Leadership und Management erfahren einen stürmischen Zulauf, ohne dass sich an den Schwächen der einzelnen Personen tatsächlich etwas ändert. Eine schlechte Managerin wird mit grossen Mühen eine etwas weniger schlechte Managerin. Eine uninspirierende Führungskraft wird mit grossen seelischen Verrenkungen etwas weniger uninspirierend. Das Kernproblem bleibt bestehen. Mitarbeiter kündigen wegen Problemen mit ihren Vorgesetzten. Führungskräfte erleben reihenweise  Überforderung und brennen aus.

Das heutige Bild von Führungskräften ist fundamental falsch und gefährlich. Es überfordert «normale» Menschen. Die Aufgabe von Organisationen wäre eigentlich, die Zusammenarbeit von Menschen so zu gestalten, dass gewöhnliche Menschen 
Aussergewöhnliches vollbringen können. Dass Menschen dort eingesetzt werden, wo sie ihre Stärken haben. Und dass Arbeitsteilung so organisiert ist, dass Schwächen keinen Schaden anrichten können.

Erfolgreiche Teams aus Leadern 
und Managern

Betrachtet man die Führung erfolgreicher Unternehmen in Zeiten ihrer grössten Erfolge, so findet sich häufig ein Team aus einem visionären Leader und einem umsetzungsstarken Manager. Microsoft (Bill Gates/Steve Ballmer), Apple (Steve Jobs/ Tim Cook), Google (Sergey Brin, Lawrence Page/Eric Schmidt), Facebook (Mark Zuckerberg/Sheryl Sandberg), SAP (Hasso Plattner/
Dietmar Hopp), General Electric (Thomas Edison / William Gilmore, Charles Coffin) sind einige der herausragenden Beispiele. Selbst in KMU gibt es häufig einen umtriebigen Geschäftsführer und einen alles zusammenhaltenden Finanzchef.

Somit scheint ein Modell auf oberster Ebene erfolgreich zu sein, in dem es eine klare Aufgabentrennung zwischen Leaderin und Managerin gibt. Jede Person übt genau die Aufgaben aus, die sie gut kann und die ihr auch Energie geben. Eine Leaderin muss nicht organisatorisch gut sein, ein Manager muss nicht der begeisternde Verkäufer von Ideen sein (siehe Kasten).

Ein anderes 
Organisationsverständnis

Wenn man dieses Modell auf die gesamte Organisation anwendet, verändern sich das klassische Organigramm und auch das Verständnis von Aufgaben. Jede Box enthält zwei Personen, einen Leader und einen Manager. Beide Funktionen sind gleich wichtig und werden mit denselben finanziellen und sozialen Anerkennungen versehen. Das bedeutet in der Regel die Aufwertung der «rechten Hand» zu einem gleich wichtigen Partner im Führungsteam – und auf «unterer» Ebene häufig die Aufwertung der fachlichen Experten auf das finanzielle und soziale Niveau des Managers.

Natürlich können nicht alle Führungspositionen verdoppelt werden. In kleineren Teams kann die weniger zeitaufwendige Funktion von einer Person wahrgenommen werden, die dieselbe Funktion auch in anderen Teams innehat – etwa eine über mehrere Teams hinweg geteilte Managerin.

Die Veränderung bedeutet für den Leader, dass er seine Mitarbeiter als direkter Vorgesetzter «abgibt». Diesen schwierigen Schritt kann die Unternehmensleitung unterstützen, indem der Geschäftsführer – häufig auch ein Leader – mit gutem Beispiel vorangeht.

In reifen Unternehmen ist es in der Regel der Fachexperte, der zum Leader aufgewertet wird. Er erhält ohne direkte Personalverantwortung denselben Lohn und dieselben «Insignien seines Status», weil er eine vergleichbar wichtige inhaltliche 
Verantwortung trägt.

Die Konsequenzen des Leadership-Management-Modells

Leader und Manager leiten gemeinsam das Team. Im Konfliktfall hat der Leader das letzte Wort bezüglich Priorisierung der Aufgaben und der Budgetzuteilung. Der Manager hat das letzte Wort bezüglich Umsetzung, Zeitplanung und Budgetkontrolle. Für Mitarbeiter ist der Manager der direkte Vorgesetzte und der Leader ein Berater. Der Manager hilft Mitarbeitern, ihre Arbeit zu planen, sich im Unternehmen zu entwickeln, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu haben, und schützt vor  Überlastung und Ungerechtigkeit. Er ermöglicht Mitarbeitern, motiviert zu bleiben. Der Leader hilft Mitarbeitern, fachliche Probleme zu lösen, unterstützt ihre Arbeit, gibt Ideen und Vorschläge und 
inspiriert durch seine Vision.

Im Unternehmen gibt es folglich zwei gleichwertige Karrierepfade. Schon früh in der Berufstätigkeit stellt sich heraus, ob jemand eher Leader oder Manager ist. Die Vorstufe von Leadern sind Fachexperten, die Freude an der Lösung von Problemen haben und darüber alles andere vergessen. Die Vorstufe von Managern sind Adminis-tratoren, denen klare Prozesse wichtig sind und die auch bei anderen darauf achten. Ein Unternehmen hat nur einen beschränkten Bedarf an Leadern und Managern, weshalb für beide Karrierewege dieselben Schritte notwendig sind: Bedarf im Unternehmen und Potenzial der Mitarbeiter bestimmen, Beförderungen nominieren und entscheiden, Karriereschritte mit Entwicklungsplänen entwerfen und umsetzen.

Wie klassische Fehler verhindert werden können

Dieser neue Ansatz eines Organisationsverständnisses hilft, die eingangs erwähnten Probleme zu verhindern. In einem Leadership-Management-Modell wäre 
niemand auf die Idee gekommen, das «Dream Team» Tony Blair und Gordon Brown durch Gordon Brown als Leader abzulösen. Die Probleme und auch das Leiden für den Beförderten konnte jeder öffentlich mitverfolgen. Weniger öffentlich, aber doch in den Konsequenzen bemerkbar war die Nachfolge von Bill Gates durch Steve Ballmer, wodurch Microsoft deutlich an Innovationskraft verlor. Tim Cook als hervorragender Manager wird bei Apple eine schwere Aufgabe als CEO zu erfüllen haben. Larry Page bei Google hat zwar als Leader wieder die Rolle des CEO übernommen, aber Eric Schmidt ist weiterhin 
Executive Chairman.

Einfache Unterstützung durch 
Software

Software – meist sogar bestehende – kann diesen neuen Ansatz einfach und häufig ohne grosse Anpassungen unterstützen und nachhaltig verankern. Anwendungen zur Potenzialeinschätzung können Vorgesetzte nach ihrer Einschätzung fragen, ob Mitarbeiter ein Potenzial als Leader oder als Manager haben. Talentmanagement-Software unterstützt Nominierungen, Karriereplanungen und Entscheidungskonferenzen im Leadership genauso wie im Management. Gute Organigramme  können diese Art der Organisation abbilden und damit die Gleichwertigkeit auch grafisch darstellen. Aber auch hier gilt wie immer im Talentmanagement: Software kann Prozesse nur unterstützen, aber nicht steuern oder gar einführen.

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Hermann Arnold ist Mitgründer und Verwaltungsratspräsident der Haufe-umantis AG, eines 
Anbieters von Talent- und Leistungsmanagement-Software.

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