Forum Wirtschaftspsychologie

«Reorganisationen sind schlecht für die Gesundheit»

Am 5. November 2015 findet das Forum Wirtschaftspsychologie zum Thema «Reorganisation und Gesundheit – der Beitrag der Psychologie» statt. Referent Prof. Dr. Andreas Krause erläutert, welche Auswirkungen Reorganisationen haben und wie sich diese optimal umsetzen lassen.

Herr Krause, haben Reorganisationen gesundheitliche Auswirkungen?

Andreas Krause: Mehr als jeder dritte Erwerbstätige in der Schweiz ist zumindest alle drei Jahre direkt von einer Umstrukturierung oder Neuorganisation betroffen. Wer eine Reorganisation miterlebt hat, ist häufiger gestresst, wird öfter in seiner Arbeit unterbrochen, hat mehr gesundheitliche Beschwerden, geht eher krank zur Arbeit und berichtet tendenziell über mehr Zeitdruck und Arbeitstempo. Reorganisationen gehen offensichtlich im Durchschnitt mit einer Verschlechterung der Arbeits- und Gesundheitssituation einher.

Wie lassen sich Reorganisationen so gestalten, dass die Gesundheit der Mitarbeitenden nicht darunter leidet?

Wichtig ist eine ressourcenorientierte Gestaltung von Veränderungen. Das heisst, die Bedürfnisse und Stärken der Mitarbeitenden im Rahmen der Reorganisation ernsthaft berücksichtigen.

Was können Führungskräfte konkret tun?

Ressourcenorientierte Gestaltung von Veränderung bedeutet: Führungskräfte verdeutlichen den Sinn der Veränderung transparent und glaubhaft, sie zeigen im Zuge der Veränderung konkrete Weiterentwicklungsmöglichkeiten für den Einzelnen auf, bieten Weiterbildungen an, sie fördern die Autonomie der Mitarbeitenden im Arbeitsalltag. Wer viel Freiheit und Spielraum erhält, steht auch betrieblichen Veränderungen positiv gegenüber und ist gesünder.

Was ist noch gesundheitsfördernd?

Mitarbeitende brauchen nicht nur Autonomie, sondern auch soziale Unterstützung und die Kooperation im Team. Wird dies durch die Reorganisation gefördert oder reduziert? Da Reorganisationen immer auch Mehraufwand mit sich bringen, ist es zudem vorteilhaft, wenn zeitliche Puffer eingeplant werden, sich anstrengende Phasen mit weniger anstrengenden abwechseln. Hilfreich sind auch kurze Entscheidungswege, also wenig Bürokratie, und Chefs, die nah bei ihren Leuten sind. Reorganisationen führen leider häufig unbeabsichtigt genau zum Gegenteil.

Können Mitarbeitende auch zu viel Autonomie erhalten?

Das Problem ist meistens nicht, dass Mitarbeitende zu viel Autonomie erhalten, sondern dass sie weniger Autonomie als Verantwortung haben. Von Mitarbeitenden wird mehr und mehr gefordert, dass sie wie selbständige, engagierte Unternehmer agieren, doch dafür müssen ihnen auch die nötigen Freiheiten eingeräumt werden. Wir kommen weg von der direkten Steuerung und gehen hin zur indirekten Steuerung: Wichtig ist das Resultat. Die Mitarbeitenden müssen ihre Ziele erreichen, aber wie sie das machen, ist ihnen selbst überlassen. Dann bitte auch Freiraum bieten und erhöhen, ganz nach dem Motto «Wenn-schon-denn-schon».

Heisst das auch «Zeiterfassung adieu»?

Flexible Arbeitszeiten bieten viele Vorteile. Bei einem vollständigen Wegfall der Zeiterfassung kann es allerdings kippen: So arbeiten Schweizerinnen und Schweizer ohne obligatorische Zeiterfassung  eher in der Freizeit, am Wochenende und auch dann, wenn sie krank sind. Ich befürworte deshalb Zeitsouveränität mit dem Recht der Arbeitnehmenden auf – möglichst unkomplizierte – Zeiterfassung.

Haben Sie weitere Empfehlungen an Betriebe, die Reorganisationen anstreben?

Empfehlungen nach dem Motto «in 7 Schritten den Wandel erfolgreich gestalten» liegen ja bereits ausreichend vor. Wichtig ist sich frühzeitig Zeit zu nehmen und zu prüfen, ob die Reorganisation auf gutem Weg ist – und was eine stimmige Umsetzung behindert. Wenn im Laufe der Reorganisation Schwierigkeiten und Widersprüche auftreten: An wen kann dies der einzelne Mitarbeitende adressieren, findet hierzu ein offener hierarchieübergreifender Austausch statt? Nur bitte keine Pseudopartizipation mit zeitlich aufwendiger Retraite und mit Workshops, wo sich die Mitarbeitenden hinter vorgehaltener Hand fragen, wann darf ich endlich wieder arbeiten. Sicher braucht es zudem mitarbeitendenorientierte Ziele und Kennzahlen, die eine an allzu kurzfristigen ökonomischen Kennzahlen ausgerichtete Perspektive ergänzen und den Blick auf unbeabsichtigte Nebenwirkungen wie etwa steigende Bürokratie, widersprüchliche Prozessvorgaben, Arbeitsüberlastung, Fluktuationsneigungen und Präsentismus werfen.

Forum Wirtschaftspsychologie

Am Donnerstag, 5. November, findet im Stadttheater Olten von 18.20 bis 20.15 Uhr das Forum Wirtschaftspsychologie 2015 zum Thema «Reorganisation und Gesundheit – der Beitrag der Psychologie» statt. Der Eintritt kostet 15 Franken, Anmeldung telefonisch unter 062 957 23 09 / 95 oder online unter www.forum-wirtschaftspsychologie.ch.

 

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