KI-Tools

Schlaues hybrides Recruiting bringt viele Vorteile

Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting-Prozess bietet sowohl für Recruiterinnen und Recruiter als auch für Bewerbende signifikante Vorteile. Trotz einiger Bedenken hinsichtlich Ethik und Datenschutz bewerten beide Seiten den Einsatz von KI positiv, was auf eine zukünftige verstärkte Integration dieser Technologien im HR-Bereich hindeutet.

Im Dezember 2023 wurden in Deutschland zwei empirische Studien durchgeführt. Sie gehen der Frage nach, wie Recruiterinnen und Recruiter sowie Bewerbende den Nutzen von KI-Tools während des Recruiting-Prozesses beurteilen. Vermutlich würden vergleichbare Studien in der Schweiz ein ähnliches Bild zeigen.

Die künstliche Intelligenz (KI) ist längst in der HR-Welt angekommen. Generative KI-Tools wie ChatGPT und KI-Algorithmen entlasten die Personalabteilungen spürbar. Infolge des Zuspitzens des Arbeitskräftemangels freuen sich die HR-Abteilungen zunehmend über virtuelle Assistenten und automatisierte Hilfe beim Recruiting. KI-Algorithmen können dabei entlastende «stumme Diener» sein. Zudem wünschen sich die digital sozialisierten Zielgruppen der Generationen Y und Z seit Jahren einen schnellen, digitalen, fairen und transparenten Bewerbungsprozess. Dies dürfte auch die Erwartung der Generation Alpha sein.

In der EU dürfen KI-Tools weder eigenständig noch automatisch Entscheidungen darüber treffen, ob jemand eingestellt wird oder nicht. Dies verbietet die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die die Verwendung von automatisierten Entscheidungsprozessen einschränkt. Unternehmen müssen immer sicherstellen, dass bei der KI-gestützten Bewertung von Kandidatinnen und Kandidaten ein gewisses Mass an menschlicher Aufsicht besteht. In der Schweiz gibt es bislang kein entsprechendes Verbot, jedoch dürfte die Praxis hierzulande dieselbe sein, allein schon, weil Unternehmen ähnliche ethische Standards und Verantwortlichkeiten einhalten wollen, um Diskriminierung vermeiden und Transparenz in ihren Einstellungsprozessen gewährleisten zu können.

KI-gesteuerte Algorithmen können aber den HR Professionals unliebsame Tätigkeiten während der Candidate Journey abnehmen. Wenn sich beispielsweise sehr viele Personen auf eine Stelle bewerben und grosse Mengen an Bewerbungen in kurzer Zeit nach vordefinierten Kriterien analysiert werden müssen, kann KI prima helfen. Natürlich müssen Menschen im Vorfeld die Auswahlkriterien sorgfältig festlegen, damit qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten nicht versehentlich aussortiert oder gar ungeeignete Personen eingestellt werden.

 

So kann KI die Candidate Journey unterstützen

Entlang der Candidate Journey können KI-Algorithmen an verschie­denen «Touch Points» zum Einsatz kommen. Hier ist eine Auswahl von Beispielen, die sich in der Praxis gut bewährt haben:

  • KI-Content-Creator-Tools konzipieren Social-Media-Kampagnen zur zielgruppengerechten Ausspielung von Stellenanzeigen auf Instagram, TikTok und Co.
  • KI-Algorithmen für Jobempfehlungen unterstützen Jobempfehlungssysteme auf Karriereseiten und bieten Stellensuchenden offene Stellen passgenau an.
  • ChatGPT generiert blitzschnell zielgruppengerecht formulierte Stellenanzeigen.
  • Cultural-Fit-Tests auf Karriereseiten ermöglichen es potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern, vor ihrer Bewerbung herauszufinden, ob sie zur Kultur des Unternehmens passen.
  • Chatbots auf Karriereseiten beantworten sehr «menschenähnlich» erste Fragen der Bewerberinnen und Bewerber.
  • KI-unterstützte Analysen von Lebensläufen nach vorgegebenen Auswahlkriterien helfen bei der Identifikation von Topkandidatinnen und Topkandidaten.
  • KI-Statuserfassung ermöglicht Online-Statusabfragen zu Bewerbungen, vergleichbar mit Versandstatusabfragen bei Paketen.
  • KI-Termin-Tools ermöglichen es, dass Termine für Vorstellungsgespräche online gebucht werden können.
  • KI-unterstütze Analysen von Vorstellungsgesprächen auf der Basis eines automatisch erstellten Transkripts (beispielsweise auf Zoom oder MS Teams) helfen dabei, herauszufinden, welche Bewerberinnen und Bewerber im Interview die besten Antworten gaben.
  • Generative KI-Tools schreiben und versenden automatisch Zu- oder Absageschreiben auf Bewerbungen.

 

Mehrheit nutzt noch keine KI beim Recruiting

An den beiden Studien im Dezember 2023 nahmen 182 Recruiterinnen und Recruiter (aus verschieden grossen Unternehmen) beziehungsweise 200 Bewerberinnen und Bewerber (zwischen 20 und 60 Jahre alt) teil. Beide Gruppen wurden über Instagram und LinkedIn akquiriert und beantworteten jeweils die 15 Fragen des für jede Gruppe eigens konzipierten Online-Fragebogens.

108 der 182 befragten Recruiterinnen und Recruiter (59 Prozent) gaben zu Beginn der Befragung an, bisher keine KI-Tools im Recruiting-Prozess zu nutzen. Deshalb mussten sie die Befragung abbrechen. Ihnen fehlte die Erfahrung, KI-Tools während der Candidate Journey zu bewerten. Die verbliebenen 74 Recruiterinnen und Recruiter (41 Prozent) gaben zu Beginn der Befragung an, dass in ihrem Unternehmen bereits KI-Algorithmen die Candidate Journey unterstützen.

Umfrageergebnisse Recruiterinnen und Recruiter

  • 100 Prozent der 74 Recruiterinnen und Recruiter bewerten den Nutzen von KI-Tools während des Recruiting-Prozesses «alles in allem» als «sehr positiv» (31 Prozent) und «eher positiv» (69 Prozent).
  • 89 Prozent sind der Meinung, dass sie wegen der KI-Assistenz mehr Zeit haben, sich persönlich auf die Kandidatinnen und Kandidaten zu konzentrieren.
  • 68 Prozent geben an, dass die Gesamtkosten des Recruitings sinken.
  • 68 Prozent kreuzen an, dass die «Time to Hire» aufgrund von KI-Unterstützung sinkt.
  • 34 Prozent sind der Ansicht, dass mithilfe von KI-Instrumenten passgenauer ein «Perfect Match» für Stellenbesetzungen gefunden wird.

Das sind die Bedenken von Recruiterinnen und Recruitern gegenüber KI-Tools:

  • 72 Prozent misstrauen den KI-Entscheidungen.
  • 70 Prozent haben Bedenken hinsichtlich Ethik und Fairness.
  • 70 Prozent haben Bedenken, dass Diskriminierung durch KI stattfinden könnte.
  • 57 Prozent haben Bedenken beim Datenschutz und der Sicherheit von Bewerberdaten.
  • 15 Prozent befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

 

Wie Recruiterinnen und Recruiter KI einsetzen

  • 89 Prozent generieren ihre Stellenanzeigen mit ChatGPT,
  • 84 Prozent senden den Bewerbenden sofort nach dem Eingang der Bewerbung automatisiert eine Eingangsbestätigung,
  • 43 Prozent konzipieren mit KI-Content-Creator-Tools Social-Media-Kampagnen zur Ausspielung von Stellenanzeigen,
  • 38 Prozent senden automatisierte Einladungen zu Vorstellungsgesprächen,
  • 27 Prozent senden eine automatisierte Statusmeldung zur Bewerbung an Bewerbende,
  • 22 Prozent identifizieren Topkandidatinnen und Topkandidaten automatisiert aufgrund von Informationen aus dem Lebenslauf,
  • 19 Prozent nutzen Chatbots für die Kommunikation mit Bewerbenden auf der Karriereseite,
  • 22 Prozent haben automatisierte Jobempfehlungssysteme auf ihren Karriereseiten,
  • 8 Prozent bieten Cultural-Fit-Tests zur Selbstselektion auf Karriereseiten an,
  • 7 Prozent analysieren automatisiert Transkripte von über Zoom geführten Vorstellungsgesprächen.

Obwohl nur 19 Prozent der 74 Befragten Chatbots nutzen, sind 81 Prozent der Überzeugung, dass ein Chatbot auf der Karriereseite der Unternehmens-Webpage sehr sinnvoll (30 Prozent) beziehungsweise sinnvoll (51 Prozent) ist. Nimmt man die Antworten sämtlicher 182 teilnehmenden Recruiterinnen und Recruiter, sind es jedoch nur 7,6 Prozent, die ihren Kandidatinnen und Kandidaten Chatbots auf der Karriereseite zur Verfügung stellen.

 

Umfrageergebnisse Bewerberinnen und Bewerber

  • 75 Prozent der 200 Bewerberinnen und Bewerber bewerten den KI-unterstützen Bewerbungsprozess als sehr gut (28 Prozent) beziehungsweise gut (47 Prozent).
  • 67 Prozent wünschen sich, dass zukünftig Stellenbesetzungen sowohl mit «menschlichen» Recruiterinnen und Recruitern als auch mit Unterstützung von KI-Tools, KI-Algorithmen und virtuellen Assistenten vorgenommen werden.
  • Knapp 50 Prozent finden es sehr wichtig, vor Durchlaufen des Bewerbungsprozesses ihr Einverständnis für den Einsatz von KI-Algorithmen zu geben, 11,5 Prozent ist eine Einverständniserklärung egal und 39 Prozent würden sie begrüssen, sie ist ihnen aber nicht wichtig.
  • 54,4 Prozent erhoffen sich durch den Einsatz von KI-Algorithmen einen effizienteren/schnelleren Ablauf und 69 Prozent einen faireren Ablauf des Bewerbungsverfahrens als bisher.
  • 84,5 Prozent halten automatische Jobempfehlungssysteme auf Karriereseiten für sehr hilfreich (38,5 Prozent) beziehungsweise hilfreich (46 Prozent), auch wenn sie dafür ihre persönlichen Daten hinterlassen müssen.
  • 53,5 Prozent finden Cultural-Fit-Tests auf Karriere- seiten sehr wichtig (27 Prozent) respektive wichtig (26,5 Prozent), um die kulturelle Passung zum Unternehmen selbst festzustellen.
  • 88 Prozent beurteilen die Möglichkeit, den aktuellen Bewerbungsstatus selbst abfragen zu können, als sehr wichtig (56 Prozent) beziehungsweise wichtig (32 Prozent).
  • 85 Prozent finden die Möglichkeit, selbst Vorstellungstermine buchen zu können, «sehr gut» oder «gut».
  • 43 Prozent befürworten die Möglichkeit, dass Zoom-Interviews aufgenommen, transkribiert und analysiert werden, sehr gut (22 Prozent) beziehungsweise gut (21,5 Prozent)
  • 66 Prozent wollen mit einem Chatbot auf der Karriereseite des Unternehmens kommunizieren, dem sie beispielsweise Fragen zu den Benefits, zu Kontaktmöglichkeiten mit der Personalabteilung, zum Gehalt und Fragen zum Bewerbungsprozess stellen möchten.
  • 72,5 Prozent wünschen sich auf jeden Fall (34 Prozent) oder vielleicht (38,5 Prozent) neben einem Chatbot auf der Karriereseite einen 24/7-Chatbot als virtuellen Assistenten, der ihnen während des gesamten Bewerbungsprozesses für Fragen zur Verfügung steht.

Fazit: KI muss Teil der Recruiting-Strategie werden

Die überwiegende Mehrheit der befragten Recruiterinnen und Recruiter empfindet KI-Tools als eine positive Unterstützung. KI trägt zur Entlastung bei und ermöglicht es, sich intensiver mit Bewerberinnen und Bewerbern zu befassen. Ausserdem führt der Einsatz von KI zu niedrigeren Gesamtkosten und einer kürzeren «Time to Hire». Schnelligkeit ist ein Wett­bewerbsvorteil; KI-Tools können die Effizienz des Recruiting-Prozesses steigern.

Bedenken haben Recruiterinnen und Recruiter hinsichtlich des Vertrauens in KI-Entscheidungen, ethischer Fragen und potenzieller Diskriminierung. Diese Punkte müssen bei der weiteren Integration von KI-Tools in den Recruiting-Prozess berücksichtigt werden.

Bewerberinnen und Bewerber wiederum wünschen sich eine Mischung aus menschlicher Interaktion und KI-Unterstützung und erwarten von KI einen effizienteren und faireren Bewerbungsprozess. Dies bedeutet, dass Unternehmen KI-Tools zwar einsetzen sollten, um die Candidate Journey effizienter zu gestalten, gleichzeitig müssen sie den menschlichen Aspekt im Recruiting beibehalten. Fast die Hälfte der Bewerberinnen und Bewerber legt Wert auf eine Einverständniserklärung zum Einsatz von KI-Algorithmen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von transparenter Kommunikation und klaren Kommunikationslinien bezüglich des Einsatzes von KI.

Insgesamt sollten Unternehmen bei ihrer Recruiting-Strategie auf eine ausgewogene Kombination aus KI-Effizienz und persönlicher Interaktion achten.

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Anja Lüthy

Anja Lüthy ist Diplom-Psychologin und Diplom-Kauffrau und lehrt seit über 20 Jahren als BWL-Professorin an der Technischen Hochschule Brandenburg. Nebenberuflich ist sie Speakerin, Trainerin, Coachin und Autorin zu den Themen digitales Employer Branding, Online-Recruiting via Social Media und künstliche Intelligenz, Leadership und New Work. Sie ist Gründerin des Frauennetzwerks #FemaleHRexcellence. luethy. jimdofree.com

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