Wissensmanagement

Technik als Basis – doch Wissen 
erzeugt immer noch der Mensch

Wissensintensive Organisationen müssen sich umstellen: Damit ihre Mitarbeitenden ihr Wissen voll und gerne einbringen, neue Erfahrungen mit Kollegen teilen und Innovationen aktiv unterstützen, bedarf es integrativer Ansätze und neuer Methoden.

Wissen ist im Gegensatz zu Ressourcen wie Boden und Finanzen nicht sicht- und greifbar. Der gekonnte Umgang damit ist für den Unternehmenserfolg jedoch entscheidender denn je. Die Gefahr besteht, dass der effektive Umgang mit Wissen – weil nicht leicht in Zahlen ausdrückbar – übersehen und vernachlässigt wird. Seit das World Wide Web in den 1990er-Jahren eine technische Revolution eingeläutet hat, zeichnet sich ein klarer Trend ab von der Industriegesellschaft in Richtung Wissensgesellschaft.

Der Management-Vordenker Peter Drucker betonte, dass der  Wissensarbeiter ein zentraler Wettbewerbsfaktor moderner Unternehmen sei. Neu sind kontinuierliche Innovation, selbstgesteuertes Lernen und Lehren feste Bestandteile der Arbeit. Der Managementautor Peter Senge popularisierte 1990 die Idee der lernenden Organisation, welche das Lernen von Personen, Teams und Management in einen systemischen Rahmen stellt. Ikujiro Nonaka beschrieb 1991, wie japanische Konzerne Wissen erzeugen. Er betonte, dass Organisationen eher einem lebenden Organismus als einer Maschine glichen, und wies auf die Bedeutung des impliziten, oft unbewussten Wissens hin.

Wissensmanagement bedarf indirekter Führungsmethoden

Damit wurde ein Grundstein für die neue Disziplin des Wissensmanagements gelegt, die Wissenserzeugung im Zentrum des Human Resource Managements sieht. Wissenschaftler wie Klaus North, Helmut Willke und Gilbert Probst haben praxisorientierte Grundlagen für das Wissensmanagement ausgearbeitet. Willke spricht von der Wissensökonomie, in der Wissensarbeiter in Wissensorganisationen Komplexität bewältigen und Innovationen vorantreiben.

Die erahnten Veränderungen blieben nicht aus. Nicht nur Softwareproduktion und Finanzberatung, sondern auch Automobilbranche, Spitäler, Schulen und Verwaltungen erleben den anhaltenden Wandel in Richtung Wissen.

Die zunehmende technologische Vernetzung und Wissensorientierung verändert die traditionellen Strukturen und Machtgefüge in Organisationen und bringt ein neues Führungsverständnis und Organisationsbild mit sich. In den letzten Jahren wurde in den Industrienationen ein Grossteil der routinehaften 
Arbeit entweder durch Technik automatisiert oder an spezialisierte Betriebe ausgelagert. Was übrigbleibt, sind zu einem wachsenden Anteil Tätigkeiten, die ständig wechselnden Anforderungen gerecht werden müssen: situativ angepasstes Handeln, schöpferische Arbeit, Planungs- und Entscheidungsarbeit sowie zwischenmenschliche Kommunikation.

Integratives Wissensmanagement verbindet mehrere Ebenen

Die Bereitschaft der Mitarbeitenden, eigene Lernerfahrungen aufzubereiten und anderen zugänglich zu machen, erfordert ein deutlich höheres Mass an Selbstführung und sozialer Kompetenz. Aufgrund der zunehmenden Komplexität vereinen Führungskräfte immer seltener das gesamte erforderliche Wissen in ihrer Person. Der Druck, alles besser wissen zu müssen, wird als Illusion erkannt. Viel wichtiger ist hingegen, den Wissensfluss zwischen den Mitarbeitenden anzuregen und in Richtung von konkretem Mehrwert und Kundennutzen zu lenken. Es geht darum, die passenden Rahmenbedingungen und Kontexte zu schaffen, in denen die Ressource Wissen optimal genutzt wird.

Es bieten sich verschiedene Wege an, das Lernen in Organisationen zu verbessern und Wissensmanagement zu fördern. Technische Mittel und Schulungen werden ergänzt durch aufeinander abgestimmte Methoden wie Coaching, Team- und Kulturentwicklung:

Technische Basis: Die Firmenbibliothek und strukturierte Dokumentenablagen behalten weiterhin ihren Stellenwert für den unkomplizierten gemeinsamen Informationszugriff. Daneben sind passende IT-Ressourcen grundlegend, die für alle Beteiligten erreichbar und benutzbar sind, wie Intranet, Wikis und elektronische Datenbanken. Die besten und teuersten technischen Mittel nützen jedoch wenig, wenn das Mitarbeiterinteresse für Wissensmanagement fehlt. Die Technik ist nur die Basis. Massgebend für den Erfolg sind die menschlichen weichen Faktoren, die durch folgende Methoden gefördert werden.

Coaching: Durch Einzelcoaching werden individuelle Lernerfahrungen explizit gemacht, was die Nachhaltigkeit von Erkenntnissen aus Erfolgen und Misserfolgen stärkt. Kernkompetenzen werden verdeutlicht, relevante Entwicklungsfelder und Wissensziele angegangen. Dies unterstützt die Mitarbeitenden in der Anwendung von neu erworbenem Wissen und motiviert zu Innovationsorientierung.

Teamentwicklung: Teams bilden das ideale Umfeld, neues Wissen zu selektieren und zu integrieren. Durch Teamentwicklung werden die Kompetenzen und das Potenzial jedes Einzelnen für das Gesamtteam besser verfügbar gemacht, Hindernisse abgebaut und das Zusammenspiel verbessert. Gemeinsame Schulungen fördern das Verständnis für Wissensmanagement und die Relevanz von Feedback, stärkenorientierter Führung und kollegialer Beratung.

Kulturentwicklung: Die Betriebskultur hat einen starken indirekten Einfluss auf die Bereitschaft, Wissen zu teilen und aus Fehlern zu lernen. Sinnvollerweise findet eine Kulturentwicklung gleichzeitig top-down und bottom-up statt. Mit Beteiligung der Führungsebene werden gemeinsame Werte und Strategien für einen verbesserten Wissensfluss ausgearbeitet und überholte Vorstellungen reflektiert. Methoden wie Wissens-Audit, Storytelling und Szenariotechnik fördern den Wissensaustausch und stärken gemeinsame Visionen.

Wo liegen in naher Zukunft die grössten Unterschiede zwischen dem, was ein Unternehmen weiss, und dem, was es wissen und können sollte? Wahrscheinlich schlummern die hierzu nötigen Wissenselemente bereits verteilt in den Köpfen einzelner Mitarbeiter. Sie müssen jedoch noch identifiziert, versprachlicht, vernetzt und verbreitet werden – mit den passenden technischen und menschenbezogenen Methoden. Wissensintensive Organisationen leben von einer Führungskultur, die auf Partizipation, Vertrauen, Motivation und Lösungsorientierung beruht.

Literatur:

  • Drucker, Peter (1999). Management Challenges of the 21st Century. New York: Harper Business.
  • Nonaka, Ikujiro (1991). The Knowledge Creating Company. Harvard Business Review 69: 96–104.
  • North, Klaus (2011). Wissensorientierte Unternehmensführung: Wertschöpfung durch Wissen. Wiesbaden: Gabler.
  • Senge, Peter (1990). The Fifth Discipline. New York: Currency Doubleday
  • Willke, Helmut (2007). Einführung in das systemische Wissensmanagement. Heidelberg: Carl-Auer.
Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Andreas Hieronymi, 
lic. phil. Psychologe, ist Mitarbeiter der 
DIACOVA AG. Seine Spezialgebiete sind Coaching, Teamentwicklung sowie Trainings für Führungskräfte. Er ist Projektleiter des Online-
Tools weMatch.ch.

Weitere Artikel von Andreas Hieronymi

Dr. Urs Tschanz, Psy-chologe FSP, Geschäftsführer der DIACOVA AG, ist seit 1994 als Unternehmensberater im Bereich Personalentwicklung tätig. 
Seine Spezialgebiete: Organisationsentwicklung, Führungs-/Teamcoaching, Betriebsklimaanalysen und Assessments.

Weitere Artikel von Urs Tschanz