swissstaffing-News

Temporärarbeit: Wie die Schweizer 
Unternehmen sie einsetzen

Die globalisierungsbedingt unter verstärktem Wettbewerbsdruck stehenden Unternehmen setzen vermehrt auf Flexibilisierung, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Eine Möglichkeit, die Arbeit zu flexibilisieren, ist der Einsatz von Temporärarbeit. Im letzten Jahrzehnt hat die Temporärarbeit darum einen massiven Boom erfahren. Die Anzahl temporär Arbeitender hat sich mehr als verdoppelt. Im Jahr 2007 arbeiteten 262 000 Personen temporär.

An einem Temporärarbeits-Verhältnis sind drei Akteure beteiligt: die temporär arbeitende Person, der Personaldienstleister als Arbeitgeber und der Einsatzbetrieb, in dem die temporär arbeitende Person ihren Einsatz leistet (vgl. Grafik 1).

Temporärarbeit in der Baubranche besonders weit verbreitet

Temporärarbeit ist bei den Schweizer Unternehmen ziemlich weit verbreitet: Knapp ein Viertel (23 Prozent) der Unternehmen setzt Temporärarbeit ein. Unter den Grossfirmen nutzen gar 70 Prozent Temporärarbeit. Von allen Branchen nutzt das Baugewerbe Temporärarbeit am häufigsten: Knapp die Hälfte 
(49 Prozent) der Baufirmen setzten temporär Arbeitende ein.

Hauptmotiv für die Einsetzung von temporär Arbeitenden ist mit Abstand der Spitzenausgleich (für 69 Prozent der Unternehmen, die Temporärarbeit nutzen, sehr wichtig). Denn die Temporärarbeit ermöglicht den Unternehmen, die Belegschaft bedarfs- bzw. auftragsgerecht anzupassen. An zweiter Stelle folgt als Motiv, dass die Firmen mit Temporärarbeit ihre Belegschaft generell flexibilisieren wollen, indem sie einen flexiblen Belegschaftskreis aufbauen und die feste Belegschaft auf den Kern reduzieren (38 Prozent). Fast genauso wichtig ist ein drittes Motiv, dass sich Temporärarbeit nämlich für den Ersatz von abwesendem Personal eignet (35 Prozent). Dass Temporärfirmen Dienstleistungen wie Rekrutierung oder Selektion übernehmen, ist hingegen nur wenig relevant für die Nutzung von Temporärarbeit (12 Prozent) (vgl. Grafik 2).

Dass Unternehmungen Temporärarbeit nicht nutzen, hat vor allem zwei Gründe: Sie ziehen andere Formen flexibler Arbeit vor (für 34 Prozent der Nicht-Nutzer sehr wichtig), oder sie sind nicht auf flexible Arbeit angewiesen (29 Prozent). Bedenken hinsichtlich der Einarbeitungszeit für temporär Arbeitende und der passenden Qualifikation von temporär Arbeitenden spielen auch eine gewisse Rolle dafür, dass Unternehmen Temporärarbeit nicht nutzen (24 Prozent bzw. 23 Prozent). Allfällige Kostenüberlegungen, dass Temporärarbeit zu teuer sein könnte, sind hingegen weniger von Bedeutung (17 Prozent).

Unternehmen, die bevorzugt auf andere Formen flexibler Arbeit zurückgreifen, nutzen vor allem Teilzeitarbeit (von 47 Prozent dieser Unternehmen häufig eingesetzt) und Überstunden bzw. flexible Arbeitszeitkalender (40 Prozent). Auch die Arbeit auf Abruf geniesst eine gewisse Verbreitung (22 Prozent), viel weniger hingegen Jobrotation-Modelle (6 Prozent). Entlassungen werden von Schweizer Unternehmen trotz liberalem Kündigungsschutz nicht als Flexibilitätsinstrument eingesetzt. Kein Unternehmen gibt an, dieses Instrument häufig einzusetzen. 21 Prozent der Unternehmen setzen es manchmal ein.

Ein Sechstel der Belegschaft im Durchschnitt temporär

Schweizer Unternehmen, die Temporärarbeit nutzen, beschäftigen durchschnittlich 17 Prozent ihrer Belegschaft temporär. Jeder sechste Mitarbeitende ist in diesen Firmen somit temporär angestellt. Auf die gesamte Erwerbsbevölkerung bezogen, beträgt der Anteil temporär Arbeitender gut 2 Prozent (in Vollzeitäquivalenten).

Der Anteil temporär Arbeitender in Firmen, die Temporärarbeit einsetzen, um die Belegschaft generell zu flexibilisieren, indem sie einen flexiblen Personalbestand aufbauen und den festen Kern reduzieren, ist überdurchschnittlich und beträgt 22 Prozent. Gut ein Fünftel der Belegschaft gehört in diesen Unternehmen somit zum flexiblen Belegschaftskreis.

Die Unternehmen, die Temporärarbeit nutzen, setzen im Durchschnitt die Hälfte
(50 Prozent) der temporären Belegschaft als Hilfskräfte ein. Die Unterschiede zwischen den Unternehmen sind allerdings beträchtlich. So setzt gut ein Viertel (29 Prozent) der Betriebe alle temporär Angestellten als Hilfskräfte ein, während 40 Prozent der Betriebe alle ihre temporär Beschäftigten ausschliesslich für Fach- oder Spezialistenaufgaben einsetzen.

Weitere durchschnittlich 43 Prozent der temporären Belegschaft werden von den Einsatzbetrieben als Fachkräfte – hauptsächlich mit Berufsausbildung – eingesetzt.

Akademiker oft für unternehmensbezogene Dienstleistungen eingesetzt

Eine Minderheit von durchschnittlich 7 Prozent der temporären Belegschaft wird als Spezialisten eingestellt (vgl. Grafik 3). Das entspricht aber doch 18 000 Personen pro Jahr.

Nach wie vor wird also ein überdurchschnittlicher Teil der temporär Arbeitenden als Hilfskräfte eingesetzt. Es handelt sich typischerweise um Personal, das vermutlich nicht viel Einarbeitung braucht und daher ohne grosse Einarbeitungskosten flexibel gewechselt werden kann. Die Hälfte der temporär Arbeitenden wird hingegen für qualifizierte Jobs eingesetzt.

Der Fachkräfte- und Spezialistenanteil könnte mit der demographisch bedingten Verknappung der Arbeitskräfte zunehmen, falls sich die Unternehmen entschliessen, Arbeitskräfte nur noch projektweise anzustellen, um hohe Fixlohnkosten zu sparen. Je knapper Fachkräfte und Spezialisten werden, desto teurer wird nämlich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage deren Anstellung.

Temporäre Hilfskräfte werden vor allem im Detailhandel, Gastgewerbe und Handel 
gebraucht. Ihr Anteil an der gesamten Temporärbelegschaft beträgt in diesen drei Branchen zwischen 80 Prozent und 92 Prozent – gegenüber 50 Prozent im Branchendurchschnitt.

Temporäre Fachkräfte werden vornehmlich in Informatik und Forschung & Entwicklung sowie im Baugewerbe nachgefragt. Informatik- sowie Forschungs- und Entwicklungsfirmen übertragen 74 Prozent ihrer temporär Angestellten Fachfunktionen, Baufirmen 64  Prozent (43 Prozent im Durchschnitt aller Branchen).

Temporäre Spezialisten sowie temporär Arbeitende mit akademischer Ausbildung werden vor allem für unternehmensbezogene Dienstleistungen, bei Behörden, Schulen und im Gesundheitswesen sowie in Informatik und Forschung&Entwicklung eingesetzt. Der Spezialistenanteil unter den temporär Arbeitenden beträgt in den Branchen Informatik und Forschung&Entwicklung 23 Prozent, bei Behörden, Schulen und im Gesundheitswesen 29 Prozent und bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen gar 33 Prozent – gegenüber 7 Prozent im Durchschnitt.

Schnellere Einarbeitung als bei neuen Festangestellten

Die Unternehmen, die Temporärarbeit einsetzen, sind im Durchschnitt mit den Qualifikationen der temporär Arbeitenden zufrieden. Knapp die Hälfte (48 Prozent) gibt an, dass das Qualifikationsprofil der temporär Arbeitenden den ursprünglichen Erwartungen des Einsatzbetriebes entspricht. Ein Viertel 
(25 Prozent) findet, die temporär Arbeitenden brächten sogar bessere Qualifikationen mit als erwartet. Ein weiteres Viertel (27 Prozent) ist mit dem Qualifikationsprofil der entliehenen temporär Arbeitenden hingegen nicht zufrieden (vgl. Grafik 4).

In knapp drei Vierteln der Fälle stimmt die Qualifikation der verliehenen Arbeitskraft somit mit den Anforderungen des Einsatzbetriebs überein (oder sie ist sogar besser). Angesichts der Tatsache, dass die Arbeitskraft nicht direkt vom Einsatzbetrieb gesucht und ausgewählt wurde, ist das ein sehr gutes Ergebnis, das für die Professionalität der Personaldienstleister spricht.

Für die Einarbeitung der temporär Arbeitenden verwenden die Einsatzbetriebe im Mittel eher wenig Zeit. Gut die Hälfte (52 Prozent) der Unternehmen verwendet für die Einarbeitung von neuen Festangestellten mehr Zeit. Wäre dies wesentlich anders, würde sich der Einsatz von temporär Arbeitenden vermutlich weniger lohnen, da die häufigen Wechsel – ein durchschnittlicher Temporäreinsatz dauert zirka 14 Wochen – beachtliche Einarbeitungskosten mit sich bringen würden. Doch 10 Prozent der Firmen wenden für die Einarbeitung von temporär Arbeitenden mehr Zeit auf als für die Einarbeitung von Festangestellten.

Fast drei Viertel (73 Prozent) der Unternehmen, die Temporärarbeit nutzen, finden, die temporär Arbeitenden seien gut in ihre Firma integriert. Ein Viertel (26 Prozent) ist der Meinung, die Integration funktioniere teils-teils. Nur 2 Prozent finden, temporär Arbeitende seien schlecht integriert (vgl. Grafik 5). Dieses Ergebnis ist angesichts der häufig kurzen Dauer von Temporäreinsätzen bemerkenswert.

Was die Motivation von temporär Arbeitenden betrifft, stellen die Einsatzbetriebe ein etwas weniger gutes Zeugnis aus. 60 Prozent der Unternehmen finden, temporär Arbeitende seien motiviert. 29 Prozent sind der Meinung, temporär Arbeitende seien nur teilweise motiviert, während 11 Prozent ihre temporär Angestellten als unmotiviert einstufen (vgl. Grafik 6).

12 Prozent schaffen im Schnitt den Sprung ins Unternehmen

Die teilweise mangelnde Motivation von temporär Arbeitenden könnte mit der klaren zeitlichen Begrenzung des Einsatzes zusammenhängen, obschon in einigen Fällen eine reale Chance auf Umwandlung in ein festes Arbeitsverhältnis besteht: Die Einsatzbetriebe übernehmen im Mittel 12 Prozent der Temporärbelegschaft als Festangestellte in ihrem Betrieb. Die anderen 88 Prozent bleiben temporär angestellt oder wechseln zu einem anderen Einsatzbetrieb oder in die (freiwillige oder unfreiwillige) Erwerbslosigkeit. Ein beachtlicher Teil der temporär Arbeitenden, die zu einem anderen Einsatzbetrieb wechseln, erhalten dort – manchmal sogar direkt – eine Festanstellung. Gemäss einer swissstaffing-Erhebung aus dem Jahr 2006 wechseln insgesamt 48 Prozent der temporär Arbeitenden, die eine Festanstellung suchen, innert Jahresfrist nach Abschluss ihres Temporäreinsatzes in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Damit erfüllt die Temporärarbeit eine wichtige Brückenfunktion am Arbeitsmarkt.

Grossfirmen mit 100 oder mehr Mitarbeitenden stellen mehr temporär Arbeitende später fest an als als kleinere Firmen. Knapp 
20 Prozent der temporären Belegschaft in Grossfirmen erhalten nach Ablauf des Temporäreinsatzes einen unbefristeten Vertrag vom Einsatzbetrieb. Auch Banken und Versicherungen sowie Unternehmen des Verkehrs und der Nachrichtenübermittlung wandeln einen weitaus überdurchschnittlichen Teil von rund einem Viertel (26 Prozent bzw. 23 Prozent) der Temporärarbeitsverträge in feste Arbeitsverträge um. In diesen Branchen dürfte die Temporärarbeit somit auch als Selektionsinstrument verstanden werden, das den Unternehmen ermöglicht, eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter vor der Festanstellung kennenzulernen.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

Weitere Artikel von Myra Fischer-Rosinger