Arbeit und Recht

Ungerechtfertigte fristlose Entlassung

Urteil des Bundesgerichts vom 13. März 2013 (4A_690/2012)

Das Urteil

Die Klägerin war seit Februar 2005 bei der Beklagten als Therapeutin angestellt. Gemäss Arbeitsvertrag durfte die Arbeitgeberin die genauen Arbeitszeiten festlegen. Über die letzten zwei Jahre waren diese detailliert auf Montag, Dienstag und Donnerstag sowie jeden zweiten Freitag verteilt. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 teilte die Arbeitgeberin mit, dass die Arbeitszeiten ab 1. Januar 2008 geändert würden. Nachdem die Arbeitnehmerin zwischen Weihnachten 2007 und Neujahr 2008 Ferien bezogen hatte, eskalierte die Situation, streitig war, ob der Ferienbezug eigenmächtig erfolgt oder doch vereinbart war.

Wohl als Folge dieses Streits teilte die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 5. Januar 2008 mit, dass ihr die neuen Arbeitszeiten zu spät kommuniziert worden seien und sie bereits bestehende Termine am 11., 14. und 18. Januar nicht mehr verschieben könne. Diese seien somit von der Arbeitgeberin als Arbeitszeit zu entschädigen. Als sich dann die Arbeitnehmerin am 10. Januar für eine Stunde unentschuldigt vom Arbeitsplatz entfernte, kündigte ihr die Arbeitgeberin fristlos. Die Arbeitnehmerin war mit der fristlosen Kündigung nicht einverstanden und klagte auf Bezahlung von rund 48 000 Franken. Die Arbeitgeberin machte ihrerseits Schadenersatz in der Höhe von rund 28 000 Franken geltend.

Sowohl die Vorinstanzen als auch das Bundesgericht waren der Ansicht, dass einerseits die Arbeitgeberin nicht habe beweisen können, dass es tatsächlich zwischen Weihnachten und Neujahr zu einem eigenmächtigen Ferienbezug gekommen sei, und andererseits eine fristlose Kündigung am 10. Januar dafür ohnehin zu spät gekommen sei. Die fristlose Kündigung für den eigenmächtigen Ferienbezug hätte währenddessen oder allenfalls unmittelbar im Anschluss ausgesprochen werden müssen. Auch das Argument der Arbeitgeberin, dass das Schreiben der Arbeitnehmerin vom 5. Januar als Arbeitsverweigerung verstanden werden müsste und eine fristlose Kündigung gerechtfertigt habe, liessen die Gerichte nicht gelten. Die Arbeitgeberin habe trotz anders lautender Vertragsklausel kein Recht gehabt, die Arbeitszeiten nach zwei Jahren einseitig neu festzulegen. Dies hätte einer Absprache bedurft.

Entsprechend rechtfertigt diese Mitteilung der Arbeitnehmerin keine ausserordentliche Kündigung und auch das unentschuldigte Fernbleiben vom Arbeitsplatz für eine Stunde stellt selbstverständlich keinen wichtigen Grund für eine Entlassung dar. Die Arbeitgeberin wurde zur Bezahlung von Lohnersatz über rund 30 000 Franken und einer Strafe von 5400 Franken verpflichtet.

Konsequenz für die Praxis

Es gilt zu bedenken, dass sich einzelne Umstände und Eindrücke in einem späteren Gerichtsverfahren oft nicht beweisen lassen und die Gerichte deshalb sehr oft zum Schluss kommen, es sei nicht erwiesen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum ordentlichen Kündigungstermin nicht mehr zumutbar gewesen sei. Deshalb will eine fristlose Kündigung gut überlegt sein, muss gleichzeitig aber auch rasch, innert einer kurzen Bedenkzeit von etwa zwei bis drei Tagen, erfolgen.

In der nächsten Ausgabe wird ein weiterer Aspekt dieses Urteils beleuchtet: die Frage, ob die fristlos entlassene Arbeitnehmerin verpflichtet war, Arbeitslosentaggelder zu beziehen.

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Yvonne Dharshing-Elser arbeitet als Anwältin in der Steuer- und Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät vorwiegend KMU in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts.

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