Für Sie sind vor allem fünf Bausteine für die Lebenskraft wichtig. Sie nennen sie: Dr. Motivation, Dr. Lebensmittel, Dr. Bewegung, Dr. Entspannung und Dr. Mental. Damit zeigen Sie auch, dass Körper und Seele zusammengehören. Welche physiologische und biochemische Wirkung haben unsere Gedanken?
Aus der Forschung der Epigenetik wissen wir, dass die Vitalstoffe und unsere Gedanken die entscheidenden Faktoren dafür sind, wie unsere 70 Billionen Zellen funktionieren. Unsere Gedanken sind entscheidend, welche Hormone wir im Körper haben. Gute Gedanken produzieren gute Hormone, die unser Immunsystem unterstützen, uns gut fühlen lassen und uns mehr Kraft geben. Leistungssportler nutzen dies sowohl in ihrem Training als auch in Wettkämpfen. Nur in Managerkreisen hat sich diese Macht noch nicht herumgesprochen beziehungsweise werden diese Erkenntnisse noch nicht konsequent umgesetzt. Allerdings sind 95 Prozent dieser Gedanken unbewusst. Deswegen ist die Achtsamkeit ein so wichtiger Aspekt in der heutigen Zeit.
Spricht man also zu Recht von der Macht der Gedanken?
Die Gedanken sind entscheidend. Alleine bestimmte Bilder in unserem Kopf können gewisse körperliche Reaktionen auslösen. Ob Sie an etwas Schönes oder Stressiges denken, Ihr Körper reagiert in Sekundenbruchteilen, und das hat physiologische Konsequenzen. Ich rate dazu, sich aktiv mit den eigenen Gedanken auseinanderzusetzen, Gedanken- und Informationshygiene zu betreiben und diese immer wieder zu reflektieren.
Mit dem Ziel, mehr Entscheidungen bewusst treffen zu können?
Es ist leider ein Irrglaube, dass wir Entscheidungen bewusst treffen, wie die neueste Forschung zeigt. Sie verarbeiten unbewusst (implizit) jede Sekunde 40 Millionen Bit, aber nur 40 Bit sind uns bewusst (explizit). Vieles läuft über das implizite Bewusstsein und die Gefühle. Diese können Sie jedoch «füttern», mit guter Literatur, Hörbüchern oder Gesprächen und Seminaren. Zu viel Nachrichten und gerade TV-Konsum füttern Ihr Unbewusstes mit Ängsten und negativen Glaubenssätzen. Und dies manipuliert unser Verhalten, so dass wir zum Beispiel Dinge tun, die wir bewusst als schädlich einstufen.
Was zum Beispiel?
Wenn ein Raucher sagt, Rauchen tue ihm gut, dann meint er vielleicht nur, was er damit assoziiert: den Moment Pause an der frischen Luft, die kurze Entspannung. Wahrscheinlich würde er sich aber in so einer Pause genauso entspannen, wenn er dabei nicht rauchen würde. In Wahrheit nimmt er täglich Gift ein, welches seinem einzigen Körper schadet.
Sie setzen sehr auf Bewegung. Wie sehr hat unsere körperliche Fitness Einfluss auf unsere mentale Stärke?
Ganz wesentlich. Sie hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Psyche. In Amerika stellen Psychologen sogar ihre depressiven Patienten aufs Laufband, weil sie festgestellt haben, dass alleine die Bewegung Hormone freisetzt, die Lösungsprozesse vereinfachen und die gedrückten Stimmungen reduzieren. Das kennen auch viele Führungskräfte, die morgens ihre kleine Walking- oder Joggingeinheit absolvieren und denen danach endlich die Antworten auf quälende Fragen einfallen.
Wie kommt das?
Während Sie Sport treiben, kommen Sie physiologisch in einen Zustand, in dem Kreativitätshormone frei werden. Wenn Sie zu viel Stress haben und sich wenig bewegen, überwiegt das Stresshormon Cortisol. Und dieses hindert Sie daran, lösungsorientiert und kreativ zu denken.
Welche Hormone sind für die Kreativität förderlich?
Serotonin und Dopamin lösen den entspannten, lösungsorientierten Zustand aus. Jeder, der ein bisschen trainiert ist, kann den Stress im Beruf, auf Dienstreisen oder in Meetings viel besser kompensieren und sehnt sich nicht schon am Montagmittag nach dem Wochenende.
Provokativ gesagt, wären im Rekrutierungsprozess auch körperliche Leistungstests aufschlussreich?
In einigen Firmen wird das sogar schon gemacht, aber man kommuniziert das nicht so offen. Klar ist: Um gewisse Managementpositionen erreichen zu können, wird eine gewisse körperliche Fitness vorausgesetzt.
Welche Vorteile bringt das den Unternehmen, ausser dass trainierte Führungskräfte kreativer denken?
Der Return on Investment ist bei körperlich fitten Mitarbeitern höher als bei anderen. Wer körperlich stabil und fit ist, ist weniger burnoutgefährdet. Das ist ein Fakt. Da lassen sich für Unternehmen mitunter Millionen einsparen.
Sie sagen, die Frage nach der körperlichen Fitness wird nicht offen kommuniziert. Ist das noch ein Tabuthema?
Da zäumen wir das Pferd auch von der falschen Seite auf. Wir können nicht die Gesundheitswerte heranziehen, um Personalentscheide zu treffen. Aber in das wichtigste Kapital, den Menschen, zu investieren und auf seine Gesundheit zu schauen, lohnt sich in jedem Fall. Sicher handeln hier Firmen nicht aus altruistischen Gründen, sondern in erster Linie aus Gründen des hohen Return on Investment.
Warum passen die Menschen selbst so wenig auf sich auf?
Stellen Sie sich vor, Sie erhielten als junger Mensch ein Auto geschenkt und Sie wüssten, dieses ist das einzige Auto, das Sie in Ihrem Leben fahren dürfen. Was würden Sie tun? Sie würden die Polster regelmässig neu beziehen, den Lack aufpolieren, Ölwechsel machen, den Motor immer wieder säubern, sich täglich kümmern und das Auto regelmässig in Inspektion geben. Und was machen wir mit unserem Körper, den wir wirklich nur einmal geschenkt bekommen? In meinen Vorträgen erlebe ich immer wieder, dass die Menschen sagen: «Ja, Sport ist mir wichtig.» Es sind jedoch nur wenige, die das wirklich umsetzen. Da habe ich mich auch gefragt, woran es liegt, dass die Menschen nicht tun, was sie selbst eigentlich für richtig halten.
Sind Sie zu einer Antwort gekommen?
Es hat mit unseren unbewussten Überzeugungen, Ängsten und Glaubenssätzen zu tun, die wir schon als Kind inhaliert haben und die uns mehr prägen, als es uns bewusst ist.
Haben Sie ein Beispiel?
Wer auf der bewussten Ebene nach Geld und Reichtum strebt, aber mit den Glaubenssätzen gross geworden ist: «Geld verdirbt den Charakter» und «Geld allein macht nicht glücklich», wird sich immer wieder selbst boykottieren. Viele Menschen laufen mit Glaubenssätzen herum, die ihnen einfach nicht dienen.
Wie können wir uns umprogrammieren?
Zum einen durch die bewusste Reflexion unserer Überzeugungen, am besten in einem Coaching. Und zum anderen indem wir uns der eigenen Gewohnheiten bewusst werden und diese verändern, auch oder vor allem in Bezug auf Sport. Dreimal pro Woche 30 Minuten Ausdauertraining und zweimal pro Woche 15 Minuten Muskeltraining, das sind zwei Stunden von 168 Stunden der Woche, die sollte jeder von uns in sich selbst investieren. Natürlich ist es gemütlicher, bei drei Grad und Nieselregen zu Hause mit einem Bier auf der Couch zu sitzen. Und wir denken, es tut ja nicht weh. Das ist ein Trugschluss. Denn der langfristige Schmerz wird irgendwann kommen, wenn ich so weitermache.
Und um eben nicht so weiterzumachen, brauchen wir unsere mentale Kraft?
Eine klare Vision, ein kurzfristiger Aktionsplan und die Bewusstmachung, welche negativen Konsequenzen es haben kann, wenn man so weitermacht wie bisher, sind die entscheidenden Faktoren, um neue Gewohnheiten in den Alltag zu integrieren.
Wann spüren Sie Ihre mentale Kraft besonders?
Ich habe in 24 Jahren 15 Mal am Ironman teilgenommen. Da muss die Motivation für das Training tagtäglich stattfinden. Im Wettkampf motiviere ich mich jeden Kilometer. Wenn Sie bei Kilometer zehn ein falsches Getränk und unerträgliche Magenkrämpfe bekommen und trotzdem ins Ziel einlaufen, dann wissen Sie, dass Sie stark sind.
Slatco Sterzenbach
(1967) ist Diplom-Sportwissenschaftler, Autor mehrerer Bestseller und fünfzehnfacher Ironman- Finisher. Er berät Weltmeister, Olympiasieger und Firmenvorstände. Nach mehr als 25 Jahren Praxis in den Themen Gesundheit, Prävention und Leistungsfähigkeit gilt Slatco Sterzenbach als Experte für Spitzenleistungen, der selbst lebt, was er lehrt. Durch seine Seminare und sein Consulting im Bereich betriebliches Gesundheitsmanagement erreicht er bei vielen seiner Kunden einen sichtbaren Return on Investment. www.lebenskraft.com