Unter uns gefragt

Charles Neuhaus, Director HR von Ricoh Schweiz AG, fragt Dieter Saner, Dieter Saner Business Consulting.

Charles Neuhaus: Wie können wir die zur Ricoh-Kultur passenden Mitarbeiter im Markt finden?



Dieter Saner: Hier liegt die entscheidende Weichenstellung. Oft wird in Rekrutierungsprozessen das Schwergewicht auf Schul- und Ausbildungswissen, berufliche Erfahrungen und beobachtbares Verhalten gelegt. Alles wichtige Entscheidungsgrundlagen, aber der zentrale Faktor ist die Kulturpassfähigkeit der Kandidaten. Diese wird zu wenig stark mit einbezogen. Mitarbeitende werden wegen ihres Könnens und Wissens engagiert und wegen der nicht stimmigen Chemie wieder entlassen. Das wird relativ rasch erkannt, gleichwohl dauert es bis zur definitiven Trennung noch einige Zeit. Eine oft resultatmässig bescheidene sowie stimmungs- und energiemässig schwierige Periode der Zusammenarbeit.

Wenn dieser Umstand allgemein anerkannt ist, wieso wird er dann bei der Rekrutierung nicht mit grösster Priorität berücksichtigt?

Bewerbungen werden als Prüfungen erlebt. Egal, ob es sich um den Posten eines Hauswartes oder um eine CEO-Funktion handelt. Bei Prüfungen versucht jede Seite, bewusst oder unbewusst, die eigenen Stärken ins Zentrum zu rücken. Jede Partei versucht, die effektive Realität zu ergründen, zum Beispiel das Unternehmen mittels Tests, Assessments, spezifischer Fragetechniken und Referenzen. Die Kandidaten haben sich jedoch über die Zeit auf diese Methoden und Prozesse eingestellt und geben so zu ihren Gunsten Gegensteuer. Kein Wunder, dass oft auch gute Test- und AC-Ergebnisse nicht den nachhaltigen Anstellungserfolg bringen. Es braucht also einen Paradigmenwechsel: Prüfung muss durch Transparenz ersetzt werden. Ein Kandidat muss vor der Vertragsunterzeichnung alle für ihn wichtigen Grundlagen kennen. Er muss das wissen, was er wüsste, wenn er bereits einige Monate bei der Firma gearbeitet hätte. Dazu gehören auch die ausgesprochenen und unausgesprochenen Werte und Kulturaspekte der Unternehmung.

Was ist nun aber der Beitrag des Kandidaten zur besagten Transparenz?

Oft kennen die Kandidaten ihre persönlichen Werte, Motive und Einstellungen nur sehr ungenau oder bringen sie nicht in Verbindung mit einer neuen Anstellung. Daher gilt es, mit dem Kandidaten dessen persönliche Motivlandschaft zu erarbeiten. Das Ergebnis dieses biografischen Verfahrens wird dann mit dem umfassenden Anforderungsprofil abgeglichen und man entscheidet, ob eine Anstellung wirklich auf beiden Seiten Erfolg generiert. Kandidaten können so ablehnende Entscheide gut nachvollziehen, da sie im Prozess aktiv involviert waren. Sie verfügen in diesem Fall auch über ihre persönliche Motivlandschaft und können sich künftig gezielter im Arbeitsmarkt bewegen.

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