Gesundheit und Psychologie

Unternehmen wissen zu wenig über ihre erkrankten Mitarbeitenden

Unternehmen haben häufig sehr wenige Informationen darüber, warum ihre Mitarbeitenden sich krank melden – und 
können so erst zeitverzögert darauf reagieren. Ein neues, externes Modell des Care-Managements setzt bereits am ersten Tag einer Absenz ein und ermöglicht es dem Arbeitgeber so, tiefer liegende Probleme rechtzeitig zu erkennen.

Viele Schadenfälle werden meist erst nach einigen Wochen erkannt und dadurch spät – manchmal zu spät – einem professionellen Case-Management zugeführt. Wertvolle Zeit und Unterstützungsmöglichkeiten gehen dabei verloren, und aus einem kleinen Feuer ist bereits unbemerkt ein Brand geworden. Eine grosse Zahl an Problemfällen lassen sich jedoch schon frühzeitig, vielfach Monate im Voraus, erkennen und behandeln.

In den ersten Tagen einer Absenz liegt der Schlüssel für ein erfolgreiches Absenzen-Management – das Care-Management.

Probleme von Mitarbeitenden während der Arbeitsfähigkeit rechtzeitig zu erkennen, ist sehr schwierig und nur in den wenigsten Fällen möglich. Vielfach werden Anzeichen von der Umgebung falsch gedeutet und durch Falschbeurteilung und -reaktion negativ beeinflusst. Hier ist professionelle Unterstützung angesagt.

Probleme zu erkennen – während einer Absenz respektive einer wiederkehrenden Absenz –, ist für den Arbeitgeber nicht minder schwierig. Nachfragen bei Absenzen durch den Vorgesetzten oder durch eine Betreuungsperson aus dem Personalwesen ist empfehlenswert, bringt jedoch häufig nicht den gewünschten Erfolg. Der Mitarbeitende steht 
in einem Abhängigkeitsverhältnis und fühlt sich durch Nachfragen eher kontrolliert und überwacht. Selten kommuniziert er dem Arbeitgeber offen seine Probleme. Somit werden tiefer liegende Probleme meistens erst zu spät oder gar nicht erkannt. Zu diesem Zeitpunkt besteht aber vielfach bereits ein akutes Problem (Case), womit es für eine Care-Unterstützung zu spät ist.

Ein Care-Management während der ersten Absenzentage stellt also eine interessante Möglichkeit für Unternehmen mit einer höheren Absenzenquote dar, diese in den Griff zu kriegen und nachhaltig zu senken.

Will der Arbeitgeber aber seine Care-Pflicht selbst wahrnehmen und seine Mitarbeitenden sofort nach Eintreten einer Absenz unterstützen, stellen sich ihm grosse Probleme.

  • Hoher Aufwand
    
Nur ein sofortiges und kontinuierliches «In-Kontakt-Bleiben» mit dem Mitarbeitenden bringt Erfolg. Dies bindet jedoch erhebliche Ressourcen in der Linie und im Personalwesen und bedarf einer schlüssigen organisatorischen Struktur (Care-Prozess: Meldewesen => Absenzen-Controlling => Analysen => Informationserfassung => Auswertung => Rückführung => Problembehandlung => usw.)
  • Fachwissen

    Für eine Care-Betreuung braucht es spezielle Fähigkeiten und menschliche Eignung (Sozialkompetenz, Empathie). Schnell kann ein gutgemeintes Gespräch vom Erkrankten falsch aufgenommen werden und eine Blockade verursachen.
  • Abhängigkeit

    Nachfragen vom Arbeitgeber werden vielfach als Kontrolle wahrgenommen. Selten werden Gründe einer Abwesenheit direkt kommuniziert – meist aus Angst, Misstrauen und Kontrollgefühlen.
  • Personenschutz
    
Informationen aus der Privatsphäre eines Mitarbeitenden zu erfragen, ist heikel und im Handling problematisch. Auch kann und darf sich der Arbeitgeber nur beschränkt in private Angelegenheiten des Mitarbeitenden einmischen und Absenzenursachen nachfragen.
  • 
Datenschutz

    Sind Informationen über die Gesundheit des Mitarbeitenden vorhanden, so dürfen diese vom Arbeitgeber nicht erfasst und/oder später wiederverwendet werden. Dies verunmöglicht eine vollumfängliche Betreuung.

Grosse und mittelgrosse Betriebe können profitieren

Ein neues Modell respektive Unterstützung im Bereich Absenzen-Management stellt eine externe Dienstleistung dar, die vor allem bei mittelgrossen und grossen Unternehmen Erfolge und Wirkung erbringt. Gerade infolge der Abhängigkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie der Datenschutzvorschriften kann eine externe Unterstützung im Kurzabsenzenbereich von grossem Nutzen sein.

Es gibt mindestens sieben Argumente für eine professionelle Care-Unterstützung, die nebst betriebswirtschaftlichen Gründen vor allem im menschlichen Bereich wertvolle Resultate zum Nutzen von Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Gesundheitswesen generiert:

  1. Meldewesen
    Ein effizientes und effektives Meldewesen ist für die Führung eines Care-Managements zentral, wie die Betreibung eines Care Center rund um die Uhr, wo die Mitarbeitenden den Eintritt einer Krankheit oder eines Unfalls zentral, jederzeit und sofort melden müssen.
  2. Arztzeugnispflicht
    Die mehrheitlich gängige und pauschale Arztzeugnispflicht ab einer vorgegebenen Absenzendauer ist kontraproduktiv und gegenüber dem Mitarbeitenden nicht gerade vertrauenswürdig. Arztzeugnisse werden dort verlangt wo nötig. Menschen gehen meist zu schnell zum Arzt, was auch unnötige Gesundheitskosten sowie Kosten für den Mitarbeitenden verursacht. Arztzeugnisse haben einen bescheidenen Informationsgehalt, bedürfen vielfach einer genaueren Überprüfung und verlängern teilweise die Rückkehr an den Arbeitsplatz unnötig. Vielfach ist Telemedizin (medizinische Beratung am Telefon) eine wirksame Ergänzung, die von den meisten Krankenkassen angeboten und unterstützt wird.
  3. Betreuung/Unterstützung
    Eine Kontaktaufnahme am ersten Tag der Absenz und ein unabhängiges Care-Gespräch geben dem Mitarbeitenden das Gefühl von Vertrauen und Akzeptanz. Die erhaltenen Informationen, auch aus früheren Fällen, ermöglichen der Betreuung, eine wertvolle Unterstützung und Begleitung zu bieten. Dadurch kann dem Mitarbeitenden professionelle Hilfe angeboten und rechtzeitige Unterstützung vermittelt werden.
  4. Medical Care
    Sind medizinische Beurteilungen von Absenzen, Gespräche mit dem behandelnden Arzt oder anderweitige Auskünfte nötig, so werden eigene Ärzte eingesetzt. Mit eingeholter Entbindung von der Schweigepflicht bringen Gespräche mit den behandelnden Ärzten hilfreiche Informationen für den Mitarbeitenden, die zukünftige Betreuung und die weitere Integration der Sozialpartner.
  5. Sozialpartner / Case Management
    Der Informationsaustausch mit den Sozialpartnern (Versicherern) ist äusserst wichtig. Eine rechtzeitige Integration auch weit vor Beginn der vereinbarten Leistungserbringung ist nötig. So kann das Potenzial der Sozialpartner aktiviert und rechtzeitig mobilisiert werden. Case-Management muss in den ersten drei Wochen einer Arbeitsunfähigkeit erkannt und initiiert werden.
  6. Reporting
    Im Mittelpunkt jeglicher effizienter Aktionen steht das Datenmanagement. Erfassung, Analyse und Überwachung der Absenzendaten ist für ein professionelles Absenzen-Management entscheidend. Allgemeine Informationen (anonym) müssen in die Unternehmung zurückfliessen und sind wichtige Führungshilfsmittel.
  7. Daten- und Personenschutz
    Die Erfassung und Verwendung von Mitarbeiterdaten unterliegen strengen Vorschriften. Eine «GoodPriv@cy»- Zertifizierung ermöglicht etwa ein strenges Daten-Commitment, um Gesundheitsdaten mit dem Mitarbeitenden, den Medizinern und Sozialpartnern auszutauschen und diese vertraulich zu verwalten. Nur mit explizitem Einverständnis des Mitarbeitenden werden diese weiterverwendet. Dank diesen Informationen kann eine wirksame Betreuung erfolgen, was dem Arbeitgeber aufgrund von Daten- und Persönlichkeitsvorschriften verunmöglicht wird.

Investition in die Mitarbeitenden zahlt sich für alle Seiten aus

Der Nutzen eines professionellen Care-Managements als integriertes Element des Absenzen-Managements ist einleuchtend. Nicht die Absenzen-Kontrolle und die Überwachung der Mitarbeitenden während der Arbeitsunfähigkeit dürfen bestimmend sein.

Im Mittelpunkt stehen der Mensch und das Commitment des Arbeitgebers, dass er am Wohl seines Mitarbeitenden nicht nur interessiert ist, sondern dass ihm dessen Gesundheit am Herzen liegt.

Der Erfolg stellt sich ein, wenn dem Mitarbeitenden dieses Commitment vermittelt werden kann und er diese Ehrlichkeit auch erfährt. Dann sind positive Ergebnisse im organisatorischen, betriebswirtschaftlichen und kulturellen Bereich eine logische Entwicklung.

«Es lohnt sich, in die positiven Seiten eines Menschen zu investieren», sagte Jakob Kellenberger vom IKRK einmal. Somit ist eine enge Betreuung der Mitarbeitenden während der Arbeitsunfähigkeit nicht nur von ethisch hohem Wert, sondern indirekt auch betriebs- und volkswirtschaftlich wertvoll.

Glossar des Gesundheits-Managements:

Absenzen-Management
Alle gemeinsamen Massnahmen von Arbeitgeber, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Dies beinhaltet die betriebliche Vorsorge (Prävention) wie auch die ausserbetriebliche Betreuung und Unterstützung bei Arbeitsunfähigkeit.

Innerbetriebliches Gesundheitsmanagement (Prävention)
Alle Massnahmen zur Vorbeugung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit und der Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz – 
«Gesunde Menschen in einem gesunden Betrieb».

Care-Management (direktes ausserbetriebliches Gesundheitsmanagement)
Betreuung und Unterstützung der Mitarbeitenden im Kurzabsenzenbereich (während der ersten Tage einer Arbeitsunfähigkeit). Analyse von ungewöhnlichen Absenzen, Aufdeckung von Spezialfällen und rechtzeitige Überführung von Problemfällen in ein professionelles Case-Management.

Case-Management (indirektes ausserbetriebliches Gesundheitsmanagement)
Case Management ist ein spezifisches Verfahren zur koordinierten Bearbeitung komplexer Fragestellungen im Sozial-, Gesundheits- und Versicherungsbereich. In einem systematisch geführten, kooperativen Prozess wird eine auf den individuellen Bedarf abgestimmte Dienstleistung erbracht bzw. unterstützt, um gemeinsam vereinbarte Ziele und Wirkungen mit hoher Qualität effizient zu erreichen.
 

 

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Chris Holzach ist Gründer und CEO der Synaps Care AG. 
1984 gründete er sein erstes eigenes Unternehmen im Bereich der Produktekommunikation. In den folgenden Jahren kamen drei weitere Unternehmen hinzu. 2005 verkaufte er sein
Hauptunternehmen, das er über 20 Jahre geführt hatte, an einen deutschen Konzern und löste sich gleichzeitig von allen anderen Beteiligungen. Obwohl damals noch überhaupt kein Thema, war er überzeugt, dass zukünftig nicht nur Ausbildung und Fähigkeiten, sondern Motivation und Leistungsfreude der Mitarbeiter Konkurrenzvorteile erbringen werden. Und damit hat er mit der Gründung der Synaps Care AG im 2007 den Grundstein gelegt für eine neue Dienstleistung – dem Absenzen-Management. 
www.synaps.ch

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