Arbeit und Recht

Vertragsänderungen – wenn der Gratisparkplatz plötzlich kostet

Eine Vertragsänderung im Arbeitsverhältnis kommt nur dann 
zustande, wenn beide Seiten zustimmen. In der Praxis ist 
aber nicht immer ganz klar, was alles zum Arbeitsvertrag gehört. So können stillschweigend akzeptierte Rechte durchaus 
Bestandteil des Vertrages sein – auch wenn sie nie schriftlich festgehalten wurden.

Die Ausgangslage ist bekannt: Auf den 1. Januar wird im ganzen Betrieb ein neues Spesenreglement eingeführt und alle bisherigen Pauschalspesen gestrichen. Oder in wenigen Monaten soll der neugebaute Firmensitz am Stadtrand bezogen werden. Für den Pausenkaffee muss neu bezahlt werden. Ein neues Personalreglement will festschreiben, dass Überstunden zwingend innerhalb von drei Monaten mit Freizeit kompensiert werden müssen, ansonsten verfallen sie entschädigungslos.

In all diesen und weiteren Szenarien stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, solche Neuerungen einseitig zu verordnen, und was allenfalls von den Arbeit-nehmenden nicht ohne Weiteres akzeptiert werden muss. Dabei sind die folgenden Fälle zu unterscheiden:

  • 
bisher auf freiwilliger Basis vom Arbeitgeber erbrachte Leistungen werden verändert;
  • 
im arbeitsvertraglichen Weisungsrecht des Arbeitgebers liegende Veränderungen sollen durchgesetzt werden;
  • 
es sollen eigentliche Vertragsbedingungen zu Lasten der Arbeitnehmenden verschlechtert werden.

Nicht immer ist die Unterscheidung einfach. Im Juristendeutsch ausgedrückt gehört zum Arbeitsvertrag alles, was auf einer «gemeinsamen übereinstimmenden Willensäusserung» der beiden Vertragsparteien beruht. Dazu zählt zweifellos, was schriftlich niedergelegt und beidseits unterzeichnet wurde. Aber auch gegenseitige Rechte und Pflichten, welche ohne schriftliche Grundlage beidseits – und sei es auch nur stillschweigend – akzeptiert wurden, können Bestandteil des Vertrages werden. Typisch ist die jährliche Lohnerhöhung, über die man keine grossen Worte verlieren muss, trotzdem gilt der Vertrag in diesem Punkt als geändert.

Ein «alter» Parkplatz, ein neuer Arbeitsort

Die Art und Weise der konkreten Arbeitsausführung dagegen gehört weitgehend zum Weisungsrecht des Arbeitgebers, welches er unter Beachtung des Persönlichkeits- und Gesundheitsschutzes und eben im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen frei ausüben kann. Noch weiter geht seine Freiheit bei Leistungen, deren Freiwilligkeit offensichtlich ist oder stets ausdrücklich vorbehalten wurde.

Wird das Parkieren auf dem Firmengelände mit dem Hinweis «solange genügend Platz vorhanden und bis auf Widerruf» gratis gestattet, ist der Arbeitgeber frei, inskünftig für diesen Service eine Gebühr zu erheben. Wurde der jederzeit freie Parkplatz dem Kadermitarbeiter jedoch schriftlich zugesichert, stellt die Streichung dieses Privilegs eine Vertragsänderung dar. In der Regel ist auch der Arbeitsplatz geografisch einigermassen präzise bestimmt. Bleibt der neue Hauptsitz innerhalb dieses Rayons, liegt die Zuweisung des Arbeitsortes im Weisungsrecht des Arbeitgebers. Führt der neue Ort aber zu deutlich längeren Anfahrtszeiten und/oder Mehrkosten beim öffentlichen Verkehr, so wird auch hier eine Vertragsänderung anzunehmen sein.

Wo immer eine Vertragsänderung zur Diskussion steht, müssen beide Seiten zustimmen, damit diese zustande kommt. Schreibt das Gesetz – wie zum Beispiel bei der Abgeltung von Überstunden – zudem eine besondere Form (Schriftlichkeit) vor, muss auch diese gebührend beachtet werden. Schliesslich liegt die Grenze dort, wo zwingende gesetzliche Bestimmungen oder zwingend anwendbare Vorschriften eines Gesamtarbeitsvertrages den Absichten des Arbeitgebers und auch den Zustimmungsmöglichkeiten der Arbeitnehmenden von vornherein Schranken setzen.

Der Arbeitgeber ist gut beraten, wenn er sich schriftlich bestätigen lässt, dass die Betroffenen den Vertragsänderungen zustimmen. Sinnvoll ist, dass er zwischen der Ankündigung und dem Inkrafttreten solcher Änderungen die anwendbare Kündigungsfrist einhält. Stimmen die Arbeitnehmenden zu, ist die Einhaltung der Frist jedoch nicht zwingend, soweit es nicht um Rechtspositionen geht, die gesetzlich besonders geschützt sind. Bei solchen wäre eine per sofort eingeführte Verschlechterung für die Arbeitnehmenden nur dann als zulässig zu betrachten, wenn ihnen gleichzeitig äquivalente Vorteile eingeräumt werden (die Streichung der Überstundenzuschläge wird durch einen grosszügigen, festen Lohnzuschlag ersetzt).

Das Risiko der Änderungskündigung

Die Gerichtspraxis geht allerdings davon aus, dass die Zustimmung zu Vertragsänderungen durch die Arbeitnehmenden stillschweigend bekundet werden könne. So entschied das Obergericht des Kantons Zürich, dass ein dreimal widerspruchslos entgegengenommener, rund 20 Prozent tieferer Lohn rückwirkend zum neuen Vertragsinhalt geworden sei. Umso mehr wird man einen neuen Berechnungsmodus für Provisionen als akzeptiert betrachten, wenn dagegen nicht protestiert und einige Abrechnungen unwidersprochen entgegengenommen wurden. Für den Arbeitgeber ist dieses Vorgehen jedoch mit einigen Risiken behaftet.

Das schweizerische Arbeitsrecht basiert auf dem Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Solange eine Machtposition nicht ohne sachlichen Grund missbraucht wird oder vom Gesetz verpönte Motive den Auslöser bilden, können Vertragsänderungen auf dem Wege der Änderungskündigung angegangen werden. Dabei wird den Betroffenen zwar formell gekündigt, ihnen jedoch die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen nach Ablauf der Kündigungsfrist angeboten. Die Arbeitnehmenden sind – das ist das Risiko des Arbeitgebers – frei, das Angebot anzunehmen oder nicht. Die Freiheit endet allerdings häufig vor den Toren des RAV. Wer zumutbare Arbeit ablehnt, riskiert, bei der Arbeitslosenversicherung für längere Zeit (bis maximal 60 Stempeltage) in der Anspruchsberechtigung eingestellt zu werden. Nach Art. 16 AVIG und der dazugehörigen Rechtsprechung ist einiges zumutbar. Die Ablehnung von nur geringfügig geänderten Vertragsbedingungen will daher gut überlegt sein. Als Arbeitgeber muss man sich jedoch bewusst sein, dass der Entzug auch kleinerer Freuden rasch zu inneren Kündigungen führen und damit mehr Schaden als Nutzen anrichten kann.

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Christoph Häberli 
ist Fachanwalt 
SAV Arbeitsrecht und 
Partner bei Meier 
Fingerhuth Fleisch 
Häberli Rechtsanwälte
in Zürich.
www.mffh.ch

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