Bildung und Kompetenzen

Viele Wege zum Traumjob

Was halten Experten von der Bildungslandschaft Schweiz? Welche Kompetenzen 
werden zu wenig gefördert in den Bildungsstätten? Welche Weiterbildungen bieten 
die Unternehmen intern an? HR Today hat nachgefragt.

Christian Knobel, Leiter Produktion, Zweifel Pomy-Chips AG

Angelernte Mitarbeiter erhalten Weiterbildung

«Als Leiter Produktion beschäftige ich rund 100 Mitarbeiter im gesamten Produktionsprozess. Viele von ihnen sind angelernt, haben keine Ausbildung absolviert. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie aus Ländern kommen, wo sie nie die gleichen Chancen hatten wie wir hier in der Schweiz.

Uns liegt die Aus- und Weiterbildung, die Förderung dieser Mitarbeiter sehr am Herzen. Während vor acht Jahren noch niemand in meinem Team eine Berufsausbildung hatte, sind es mittlerweile rund 30 Prozent. Wir haben Projekte durchgeführt und gezielt angefangen, diese Menschen zu fördern. Die Basis dafür ist meist die Sprache. Darum haben wir Deutschlehrer in den Betrieb eingeladen, die während der Arbeitszeit und für die Mitarbeiter gratis Deutsch unterrichten. Ein anderer Schwerpunkt sind die PC-Grundkenntnisse. IT ist auch bei uns nicht mehr wegzudenken.

Wir kombinieren interne und externe Weiterbildungen. Beispielsweise haben wir zwei Mitarbeitern über 30, die bei uns wichtige Positionen innehaben und auch Personal führen, ermöglicht, die dreijährige Lehre als Lebensmitteltechnologe zu absolvieren. Auch haben wir vor zwei Jahren begonnen, die verkürzte Ausbildung zum Lebensmittelpraktiker anzubieten. Das Angebot richtet sich spezifisch anangelerntes Personal und wird gut genutzt und geschätzt.

Die Lebensmittel-Industrie leidet etwas darunter, wenige gut qualifizierte Mitarbeiter zu haben, weil die Anforderungen hinsichtlich Lebensmittelsicherheit massiv gestiegen sind. Die Betriebe sollten viel stärker in ihre Leute investieren. Solange die Unternehmen nicht motiviert sind, Zeit und Geld zu inves-tieren, wird es auch wenig schulische Angebote geben. Generell ist das Bildungsangebot in der Schweiz sehr gut – wenn man finanziell einigermassen gut gestellt ist. Für wirtschaftlich Schwächere und Menschen, die aus irgendeinem Grund im Schulsystem durch die Maschen gefallen sind, ist es schwierig, Fuss zu fassen.»

Manuela Rindlisbacher, Head 
of Corporate Personnel 
Development, Bühler AG

Inhouse-Universität mit weltweitem Angebot

«Wir haben in der Schweiz eine fantastische Bildungslandschaft. Unser duales Ausbildungssystem ist einzigartig. Ich denke, viele Jugendliche sind zum Zeitpunkt der Berufsfindung zu jung, um schon den für sie richtigen Weg zu wählen. Nach der soliden Berufslehre oder einem Studienabschluss steht ihnen aber in unserer  Weiterbildungslandschaft Tür und Tor zur Aneignung von Spezialwissen oder einer Neuorientierung offen.

Was wir bei Bühler als internationalem Konzern in den Aus- und Weiterbildungen gerne noch öfter sehen würden, ist die Förderung von interkulturellen Kompetenzen. Bei den zwischenmenschlichen Qualifikationen würde ich mir eine stärkere Sensibilisierung  für das Thema «Teamarbeit und verschiedene Generationen» wünschen. Vielleicht könnten die Aus- und Weiterbildungsinstitute hier noch einen grösseren Beitrag leisten.

Wir haben ein grosses Angebot an internen Weiterbildungen, das wir ab dem 1. Januar 2013 weltweit in unserem Bühler Learning Center, einer Inhouse-Universität mit lokalen Learning Centern in Europa, Nord- und Südamerika, China und Indien, anbieten werden.

Bei diesen Weiterbildungen handelt es sich vorwiegend um Bühler-spezifisches Wissen. Oft wählen wir auch eine Kombination aus externer und interner Zusammenarbeit, indem wir auf unser Unternehmen zugeschnittene Inhalte von einer Fachhochschule erarbeiten und die Kurse bei uns durchführen lassen und dabei auch interne Referenten involvieren.

In der externen Weiterbildung hat sich die Auswahl der Angebote und deren Anerkennung durch die Bologna-Reform verbessert. Auch die Zusammenlegung von Fachhochschulen befürworte ich. Im Gegenzug führt die Fülle der Angebote mit den unterschiedlichen Abschlüssen bei vielen Verantwortlichen noch heute zu Verwirrung und die Struktur ist nach wie vor unklar.»

Jörg Frei, HR-Verantwortlicher, Sulser Logistik AG

Bewährte Mischung aus Theorie und Praxis  

«Ich bin ein grosser Befürworter des dualen Bildungssystems. Einerseits, weil es damit auch kleineren Unternehmen möglich ist, Lehrlinge aufzunehmen. Sie hätten vielleicht nicht die Kapazität, auch das theoretische Wissen zu vermitteln. Andererseits, weil die jungen Menschen so eine breite und vielfältige Ausbildung durchlaufen. Die Mischung aus Praxis und Theorie hat sich bewährt.

Nachholbedarf sehe ich eher in der Ausbildung vor der Lehre: Ich denke, die jungen Erwachsenen werden in der Schule mental nicht so gut auf das Berufsleben vorbereitet. Für viele ist der Berufseinstieg ein grosser Schnitt. Sie wissen nicht, was von ihnen erwartet wird und auf was sie sich einlassen. Auch haben viele noch nicht die Reife, um sich im Betrieb aktiv einzubringen. Vielleicht könnten die Schulen da noch etwas mehr Vorarbeit leisten. Gleichzeitig sehe ich die Lehrbetriebe in der Pflicht. Sie müssen Verantwortung übernehmen, sich mit den jungen Menschen auseinandersetzen und ihre Anliegen ernst nehmen. Keinesfalls dürfen Lehrlinge  nur als günstige Arbeitskräfte verstanden werden.

Die Ausbildung ist heute aber nach der Lehre noch nicht zu Ende. Weiterbildung ist zentral, die Anforderungen sind bei all unseren Jobprofilen gestiegen. Das bestehende externe Angebot an Weiterbildungen betrachte ich als ziemlich umfassend. Vor allem für mittlere und höhere Hierarchiestufen stehen viele Wege offen. Wenn sich jemand bemüht, geht in der Schweiz fast alles. Es liegt dann immer in der Verantwortung des Einzelnen, was er weiter aus seinem Leben und seiner Berufung macht.

Als Anbieter von Aus- und Weiterbildung für Jugendliche und Erwachsene (Swiss ProWork AG) sind wir in den Bereichen Logistik, Transport und Arbeitssicherheit sehr engagiert. Nur schon aus diesem Grund ist es für uns sehr elementar, dass sich unsere Mitarbeiter ständig weiterbilden und -entwickeln.»

Jürg Zellweger, berufliche Aus- und Weiterbildung, Schweizerischer
Arbeitgeberverband

Unternehmerisches Mitdenken ist gefragt

«Wir haben in der Schweiz ein sehr gut ausgebautes Bildungssystem mit exzellenten Hochschulen und einem Berufsbildungssystem, das den Absolventen hervorragende Karriere-chancen auf dem Arbeitsmarkt und Zugänge zu praktisch allen weiteren Bildungsstufen eröffnet. Mit der Einführung der Berufsmaturität in den 1990er-Jahren wurde die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems massiv erhöht. Auch die Reformen in der beruflichen Grundbildung – angestossen durch das Berufsbildungsgesetz 2002 – hat zu einem Qualitätsschub geführt.

Es braucht allerdings erhebliche Anstrengungen, um die Stärken der dualen Berufslehre und der höheren Berufsbildung auf internationaler Ebene besser zu verankern. Sowohl im angelsächsischen als auch im lateinischen Kulturraum sind Ausbildungssysteme, die stark auf Praxis und weniger auf reine Schultheorie setzen, kaum bekannt. Es muss nun darum gehen, Instrumente zu schaffen, welche internationale Vergleiche von Qualifikationen zulassen, um die Leistungsfähigkeit unseres Systems transparent zu machen und das Verständnis zu fördern. Gelingt uns das nicht, gerät unser System unter Druck und die internationale Mobilität unserer Berufsbildungs-Absolventen wird eingeschränkt.

Zu den Anforderungen der Wirtschaft an die Aus- und Weiterbildung lässt sich sagen: Wir stellen eine hohe Nachfrage etwa für Führungsseminare fest. Das ist ein Indiz dafür, dass in einer Dienstleistungsgesellschaft Methoden, Selbst- und Sozialkompetenzen einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Zudem, denke ich, steht die Fähigkeit und Bereitschaft der Arbeitnehmer zum unternehmerischen Mitdenken bei den Arbeitgebern immer hoch im Kurs. Das nötige Rüstzeug dafür besteht aus dem spezifischen fachlichen Know-how und den erwähnten Soft Skills.»   

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