HR Today Nr. 6&7/2022: Learning

Vielfalt nutzen

Soft Skills gehören zu den Erfolgskriterien im Berufsalltag. Warum sich Arbeitgebende mehr damit auseinandersetzen sollten und weshalb sich der Aufbau eines Skill Management auszahlt, erzählen eine Segellehrerin, ein Eishockeytrainer sowie ein Unternehmensberater und Märchenerzähler im Nebenamt.

Im Berufsalltag ist Annett Herrmann Strategische Personalentwicklerin bei der Sparkassen-Versicherung Sachsen, privat betreut sie Jungseglerinnen und -segler an Land und auf dem Wasser. Ihre in der Freizeit erworbenen (Soft) Skills nützen ihr auch im Berufsalltag: «Beim Segeln zählen Ausdauer, Konzentration und Fokus.» Bei einer Regatta definiere der Segelnde den genauen Fahrplan und die Manöver individuell durch Taktik und Strategie. Dabei müsse er Umstände wie Winddreher, Böen und Wellen im Blick behalten und diese als Chance für einen optimalen Kurs auf dem Wasser nutzen. Bei der Regatta-Auswertung würden dessen Strategien unter die Lupe genommen. «Damit richten Segelnde den Blick auf Erfolge und Herausforderungen und  lernen aus ihren Fehlern. Das sind erforderliche Skills im Berufsalltag», betont Herrmann.

Auch Simon Born, Leiter Administration & HR bei der Elektro Burkhalter AG, ein leidenschaftlicher Eishockeytrainer, hat sich durch seine private Tätigkeit Fähigkeiten angeeignet, die er im Berufsalltag nutzt. Doch welche? «Beispielsweise meine Handlungskompetenz», sagt er. «Das heisst, in einer Situation die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese adressatengerecht zu kommunizieren.» Auch seine Sozialkompetenz sei beim Trainieren der Eishockeyspieler wichtig. «Ich muss meine Teammitglieder verstehen, sie unterstützen und mit ihnen am gleichen Strang ziehen.»

Während sich Herrmann und Born zusätzliche Fähigkeiten im Trainingsbereich aneigneten, erarbeitete sich Armin Ziesemer weitere beim Aufbau der Synop-Sys Organisationsentwicklung GmbH im betrieblichen Gesundheitsmanagement und im Coaching. Zudem betreibt der HR-Mitarbeitende einer Behörde mit einem Kölner Kollegen den wöchentlichen Podcast «Mit Brille und Bart». «Zu zweit oder mit Gästen erfahren wir mehr über Organisationsentwicklung, Coaching und Transaktionsanalyse», beschreibt Ziesemer seine nebenamtlichen Lernerfahrungen. Zudem ist er Initiant der Kultur- und Bildungsinitiative «Märchen im Leben». Diese bringt Erwachsenen den weltweiten Märchenschatz näher. In einem zweijährlichen Symposium beispielsweise mit Brennpunktthemen wie «Von Geld und Gold» oder «Von Heimat und Fremde». Dabei werden Volksmärchen frei erzählt und als Instrument für die persönliche und gesellschaftlich Entwicklung genutzt. Im beruflichen Alltag helfen ihm vor allem seine Coaching-Skills: «Konstruktivere Arbeitsbeziehungen zu gestalten, Themen  zu adressieren, meine Resilienz und sowie meine Fähigkeit, mich als unselbständiger Erwerbstätiger abzugrenzen, schaffen im Unternehmen den Boden für eine gelingende Zusammenarbeit.»

Bekannte Nebentätigkeit, aber kein Skill Management

Die Nebentätigkeiten von Annett Herrmann wie Simon Born sind ihren Arbeitgebenden bekannt. «Ich nutze meine Skills ja ständig in meinem täglichen Umfeld», betont Herrmann. Nebenberufliche Tätigkeiten gerieten im beruflichen Alltag aber häufig in den Hintergrund: «Die Skills-Vielfalt jedes Mitarbeitenden stärker in den Vordergrund zu stellen, ist mir deshalb ein wichtiges Anliegen. Das sorgt für unternehmerischen Erfolg und motiviert Mitarbeitende.» Ähnlich sieht das Simon Born, der private Fähigkeiten und Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen bei der Rekrutierung von Lernenden nutzt. «Ich führe jungen Menschen ein grosses Ziel vor Augen. Nur so finden wir für unsere Lehrstellen passende Personen.» Bei Armin Ziesemer weiss die Arbeitgeberin zwar durch eine Nebentätigkeitsvereinbarung von seinen ausserberuflichen Engagements, nutzt seine Skills aber nicht explizit. «Das ist schade, weil keine weitergehende Verbindung oder gar Bereicherung durch eine Kompetenzentwicklung besteht.» Ein explizites Skills Management existiert in keinem der Betriebe. «Oder noch nicht», sagt Annett Herrmann: «Wir haben dafür aber schon einen ersten Baustein gesetzt. Beispielsweise mit der Einführung von Jobfamilien.»

Mehrwert fürs Unternehmen

Doch wieso sollten sich Unternehmen vermehrt für die privaten oder nebenamtlichen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden interessieren? «Mitarbeitende und Führungskräfte könnten individueller eingesetzt werden», meint Annett Herrmann. Etwa, indem Unternehmen ihre Stärkenfelder nutzen.» Seien sich Teammitglieder ihrer eigenen Stärken bewusster, gelänge es ihnen besser, sich zu ergänzen und miteinander und voneinander zu lernen. Das Bewusstsein der eigenen Stärken schaffe auch oder gerade in stürmischen Zeiten Orientierung. Ausserdem brauche es für die neue Arbeitswelt ein Mehr an Vernetzung und Miteinander. «Besonders Flexibilität, Agilität und Empathie sind dafür wichtig.»

Dem kann Simon Born nur zustimmen: «Erfahrungen, Erlebnisse und Herausforderungen aus dem Privaten oder Nebenamtlichen schaffen für Unternehmen einen grossen Mehrwert.» Auch Ziesemer propagiert eine ko-kreative Haltung von Arbeitgebenden: «In Job Coachings begegne ich immer wieder Menschen, die die Anforderungen ihres Arbeitgebenden erfüllen, in ihren begrenzten beruflichen Lernfeldern aber mehr erreichen möchten. Dadurch entstehen psychische Spannungen, die nach einer Energieabfuhr suchen.» Schaden lässt sich vermeiden, wenn Mitarbeitende in der Organisationsgestaltung kooperativ und kreativ mitwirken oder alternative Betätigungen finden.» Diese Art der Zusammenarbeit bedinge eine partizipative Führungshaltung. «Dadurch wird Arbeit sinnstiftender. Das trägt zu einer gesundheitsförderlichen Organisation bei und lässt Arbeitsbeziehungen lustvoll werden.»

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Christine Bachmann ist stellvertretende Chefredaktorin von HR Today. cb@hrtoday.ch

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