HR-Systeme

Vom Papier auf den Bildschirm: 
Der Weg zur digitalen Personalakte

Das Führen von Personaldossiers ist ein Muss für Unternehmen jeder Grösse. Nun macht die Digitalisierung von Arbeitsprozessen auch vor altgewohnten Errungenschaften wie der Personalakte nicht halt. Wir beleuchten, wie das E-Dossier effizient und sinnvoll eingeführt wird und was es unmittelbar und in Zukunft zu leisten imstande ist.

Die Papierakte: Was jahrzehntelang als sinnvolles Mitarbeiterauskunftssystem taugte, verkommt heute vielerorts zum angestaubten Nebenschauplatz, da heute die wichtigsten HR-Informationen elektronisch und online aus den HRM-Systemen abrufbar sind. Doch – alles andere als ein Relikt – lebt die papierbasierte Akte in ihrer Rolle als juristisch unanfechtbares Beweismaterial tapfer weiter. Auch wenn in den vergangenen Jahren ein Grossteil der HR-Prozesse digitalisiert wurde, das papierne Personaldossier fristet nach wie vor sein – wenngleich etwas stiefmütterliches – Dasein. Und so endet auch heute noch mancher perfekt automatisierte und digitale HR-Prozess mit ausgedrucktem, von Hand unterschriebenem und in der Personalakte abgelegtem Papier!

Mit Einscannen ist es nicht getan

Das Thema Personaldossier präsentiert sich von zwei Seiten: der Aktenzugriff auf der einen und die Aktenpflege auf der anderen Seite. Häufig aber wird, wenn es um eine digitale Lösung geht, das Thema nur vom ersten Aspekt her betrachtet. Um den Arbeitsalltag von HRM und Linie zu vereinfachen, wird ein ortsunabhängiger Aktenzugriff gefordert, so kann man auch den Schattendossiers – zu finden in Schreibtischschubladen oder lokalen Dateiablagen der Führungskräfte – den Garaus machen. Gesagt, getan: Man nehme alle Papierdokumente, scanne sie ein und stelle sie elektronisch und webbasiert zur Verfügung. Dafür genügt ein simples Dokumenten-Management-System (DMS) mit einer gewissen Intelligenz, was Zugriffe und Berechtigungen angeht. Wer nun denkt, damit über ein digitales Personaldossier zu verfügen, liegt aber weit daneben!

Denn dieser Ansatz lässt zu viele Wünsche offen. Zunächst einmal schafft er viel Redundanz, da alle oder zumindest sehr viele Dokumente sowohl papierbasiert als auch elektronisch vorliegen. Und was das Management sicher als Arbeitserleichterung erachtet, schafft auf Seiten des HRM leider vor allem eines: Mehrarbeit. Eine wirkliche Effizienzsteigerung und Kostenersparnis ist so nicht zu bewirken. Ein derartiges digitales Personaldossier ist eine elektronische Dokumentenablage und nicht zwangsläufig auch ein rechtsgültiges digitales Dossier. Das Papier ist hier nach wie vor «Leader».

Was der Gesetzgeber dazu sagt

Liebäugelt ein Unternehmen mit einem echten E-Dossier, dann müssen die HR-Prozesse unter die Lupe genommen werden. Am Ende vieler HR-Prozesse entstehen aktenpflichtige Dokumente, andere wiederum werden ihrerseits durch einen Akteneintrag ausgelöst.

Eine detaillierte Analyse des Status quo ist also angesagt: Wo überall entstehen Dokumente und wie finden sie ihren Weg in das Personaldossier? Wie sehen diese Prozesse heute aus und wie können sie sich in Zukunft abspielen? Anstatt also beispielsweise ein Dokument zu erzeugen, auszudrucken, zu unterschreiben und wieder einzuscannen, kann der Prozess selbst direkt ein digitales Dokument generieren, welches automatisch in die elektronische Personalakte des Mitarbeiters wandert. Also wirklich ohne Papier. Andere Dokumente erreichen das Unternehmen auf dem Postweg und müssen selbstredend gescannt und abgelegt werden. Dies kann zentral oder dezentral erfolgen, häufig werden diese Abläufe mithilfe von Barcodes organisiert.

Wichtigste Treiber all dieser Bestrebungen sind Kosten, Raum und Zeit. Doch Einsparungen entstehen am Ende nur, wenn man sich wirklich von den Papierakten komplett trennen kann. Und es ist in der Tat möglich – die gesetzliche Situation in der Schweiz erlaubt dies, sofern bestimmte Richtlinien eingehalten werden. So muss unter anderem die Unveränderbarkeit der Dokumente gegeben sein, was durch Dateiformate wie PDF/A und TIFF G4 gegeben ist. Weiterhin müssen die Dokumente auf einem unveränderbaren Medium gespeichert werden. Dazu zählen Hightech-Speicherlösungen der Anbieter Ixos oder NetApp, die die rechtssichere Archivierung und Datenverschlüsselung garantieren oder natürlich die guten alten CDs und DVDs. Falls die Speicherung auf veränderbaren Medien erfolgt, muss die Herkunft mittels digitaler Signatur sichergestellt werden. Neben der Speicherung am richtigen Ort und im korrekten Format müssen ferner alle Zugriffe nachweisbar protokolliert sein.

Ein echtes digitales Personaldossier bietet noch viel mehr, als dies ein einfaches, nicht-HR-spezifisches DMS kann. Volltextsuche, virtuelle Stempel und Post-its, automatische Löschvormerkungen oder das virtuelle Blättern in einem dem Look & Feel der Papierakte nachempfundenen Dossier sind nur einige vieler Pluspunkte. Auch die enge Anbindung an ERP-Systeme ist ein wichtiger Aspekt, so dass zum Beispiel bei Neueintritt eines Mitarbeitenden automatisch auch ein E-Dossier generiert und wichtige Stammdaten synchronisiert werden.

Was den Aktenzugriff angeht, so bieten moderne Lösungen die Verwaltung flexibler Zugriffsrechte entlang der hierarchischen Struktur des Unternehmens, Temporärzugriffe, Zugriffe auf Aktenteile und auch Mitarbeitende können ihre eigene Personalakte ohne grossen organisatorischen Aufwand entweder permanent oder «on demand» einsehen.

E-Dossier wird zum HR-Cockpit

Der Trend geht aber noch einen Schritt weiter, wenn man über die Rolle des Personaldossiers in den HR-Prozessen nachdenkt. Ist es einfach nur ein «Speicher» für Dokumente als Resultat verschiedener HR-Prozesse? Oder ist die Akte nicht vielmehr Dreh- und Angelpunkt sämtlicher HR-Prozesse, also die Schaltzentrale für einen HR-Sachbearbeiter in der täglichen Arbeit? Strukturierte HR-Daten, üblicherweise in ERP-Systemen abgelegt, und unstrukturierte Informationen aus digitalisierten Dokumenten verschmelzen zu einem vollständigen Personaldossier, das Auskunft gibt über die gesamte Mitarbeiterhistorie. So ist etwa eine Saläranpassung gewöhnlich als Historie der Basisbezüge eines Mitarbeitenden zu erkennen und gehört als Information natürlich in das Personaldossier.

Früher wurde daher häufig zusätzlich zur Salärmutation ein Salärbrief erstellt, der als Bestandteil der Personalakte auch dort eine Spur besagter Saläranpassung hinterlassen sollte. Mit einer intelligenten Aktenlösung werden derartige Redundanzen obsolet und Prozessabläufe somit verschlankt. Das neue E-Dossier ist somit nicht einfach ein weiteres Werkzeug für die HR-Abteilung, sondern wird zum zentralen HR-Cockpit für Bearbeitung und Auswertung von Mitarbeiterdaten.

Knackpunkte in der Umsetzung

Zunächst einmal steht das HRM vor einem Berg von Dokumenten, den es abzutragen gilt. Sprich,, man muss ein so genanntes Initialscanning durchführen, um den Inhalt der Papierstösse zu digitalisieren. Dies ist eines der kritischen Elemente auf dem Weg zum erfolgreichen E-Dossier. Wenn hier an der falschen Stelle gespart wird, dann sind die Dokumente schlecht lesbar oder ungenügend klassifiziert. Unzufriedene Anwender sind die Folge. Das erste grundlegende Einscannen wird selten vom Unternehmen selbst durchgeführt, sondern von einem professionellen Scan-Dienstleister, der noch aus sehr altem und schlecht lesbarem Papiermaterial eine gute Bildqualität erzeugen kann. Die Planung des Initialscannings ist ein wichtiges Projektdetail und sollte möglichst frühzeitig erfolgen, da das Scanning je nach Unternehmensgrösse die Projektlaufzeit stark beeinflussen kann.

Weitere Schlüsselelemente einer erfolgreichen Implementierung sind die Definition der künftigen Prozesse rund um Aktenpflege und Zugriff, das benötigte Berechtigungskonzept sowie Schnittstellen und allfällige Integrationen mit ERP-Systemen. Sind bereits Employee und Manager Self Services im Einsatz, muss im Rahmen des Rollen- und Berechtigungskonzepts die Integration des digitalen Personaldossiers in die bestehenden Self Services definiert werden.

Eines der wichtigsten Projektthemen ist der Datenschutz. Dazu gehört nebst dem Berechtigungskonzept auch die Analyse möglicher Sicherheitslücken. Dürfen bspw. Dokumente jederzeit gedruckt oder lokal auf einem PC gespeichert werden? Ist sichergestellt, dass Mitarbeitende exklusiv Zugriff auf eigene Akten haben und nicht auf die Akten von Kollegen? Es wäre auch falsch, sich dabei 1:1 an den Berechtigungen des HRM-Systems anzulehnen, denn bei weitem nicht alle Personen, die Zugriff auf die Mitarbeiterdaten im HRM-System haben, besitzen auch einen Schlüssel zum Aktenschrank. Und wenn das neue E-Dossier einige Zeit im Einsatz ist und alles rund läuft, dann können am Ende die Aktenschränke tatsächlich geleert werden.

Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn die Aktenvernichtung unterliegt ebenfalls strengen gesetzlichen Vorschriften. Zu empfehlen ist eine Vernichtung durch einen zertifizierten Partner, der sicherstellt, dass die relevanten Normen ISO 9001 und ISO 14001 eingehalten werden. Diese betreffen nicht nur die eigentliche Vernichtung, sondern auch den gesicherten Transport in speziellen Behältnissen. Bei der Vernichtung selbst wird das Papier fachgerecht zerkleinert, so dass es anschliessend ökologisch wiederverwertet werden und ein neuer Papierkreislauf beginnen kann.

Inhouse oder Outsourcing?

Outsourcing macht selbstredend auch vor dem digitalen Personaldossier nicht halt. Viele der gängigen Softwarelösungen können sowohl inhouse installiert als auch bei einem Outsourcing-Partner gemietet werden. Von der Softwaremiete bis hin zum Scan-Service im täglichen Betrieb ist eine Bandbreite verschiedener Service-Level möglich. Diese Angebote sind preislich vor allem für kleinere Firmen sehr attraktiv und werden dennoch nur zögerlich angenommen. Die Vermutung liegt nahe, dass es schon ein sehr grosser Schritt für ein Unternehmen ist, sich von den Papierakten zu trennen, und die Vorstellung, dass die neuen digitalen Dossiers sich quasi «ausser Haus» befinden, scheint im Moment noch eine Hürde darzustellen.

Nichtsdestotrotz ist der Outsourcing-Betrieb eine wirtschaftlich sehr attraktive Variante, mit geringen, fest kalkulierbaren Kosten von einem digitalen Personaldossier zu profitieren. Insbesondere da im KMU-Bereich häufig die Kosten für die ansonsten benötigte Hardware und Scan-Infrastruktur zur Ablehnung eines solchen Projekts führen können. Und wer sich heute für Outsourcing entscheidet, kann später immer wieder auf eine Inhouse-Lösung umsteigen.

Und was kommt morgen?

Verfolgt man den Gedanken eines «aktiven Personaldossiers» weiter, eröffnen sich Möglichkeiten für zahlreiche weiterführende Aktenfunktionalitäten. Zielstrebig geht der Trend etwa in Richtung Komplettlösung, sprich HR Information Processing (HR IP). Hierbei ist das Personaldossier nicht länger nur ein Ort für die Ablage von und den Zugriff auf Daten und Dokumente, sondern bietet zusätzliche Features zum direkten Erstellen von Mitarbeiterdokumenten aus dem Dossier heraus. So kann etwa ein Antrag auf Beförderung aus dem Personaldossier heraus erstellt werden, und anschliessend werden verschiedene Genehmigungsschritte durchlaufen, bis die Beförderung in Kraft tritt.

Alle in diesem Prozessverlauf entstehenden Dokumente und Datenmutationen werden dabei automatisch im richtigen Dossier abgelegt und der Prozess somit lückenlos nachvollziehbar. Mit HR Information Processing schliesst sich der Prozess- und Dokumentenkreislauf im Personalmanagement. Wirft man einen Blick auf die Angebote heutiger Softwarehäuser und ihre bisherige – künstliche? – Trennung zwischen HRM-Systemen und digitalen Aktenlösungen, so wird jene Entwicklung diese Unterscheidung zum Schmelzen bringen.

Kosten um die Hälfte senken

Man weiss es intuitiv und das Beratungsunternehmen Gartner, Inc. hat es präzisiert: Bei der Arbeit mit Papierdokumenten entfallen rund 50–80 Prozent der Zeit auf die Suche von Unterlagen. Die elektronische Personalakte (EPA) macht Schluss mit dieser verschwendeten Zeit und erlaubt Kostensenkungen in diversen Bereichen: Die administrativen Aufwendungen und der Papierverbrauch verringern sich, Entscheidungsprozesse werden beschleunigt. Dokumentenarchive können platzsparend aufgelöst werden etc.

In einer im Jahr 2008 vom deutschen Anbieter E&E Information Consultants durchgeführten Befragung von DAX100-Unternehmen wurde ermittelt, dass circa 80 Prozent aller HR-Prozesse Dokumente erzeugen – rund 300 verschiedene Arten an der Zahl. Dafür werden in den zentralen Unternehmensbereichen etwa 30 Prozent der Arbeitszeit aufgewendet.

2004 analysierte E&E Information Consultants in einer Studie am Beispiel einer deutschen Handelskette, dass monatlich ungefähr 1500 Mitarbeitermutationen erstellt wurden, die jeweils aus zwei Papierdokumenten bestanden. 3000 Dokumente monatlich, 36 000 papierbasierte Dokumente jährlich, welche einzig in diesem Prozess erzeugt wurden. Pro Dokument, so E&E Consultants, kostet das die HR-Abteilung circa 3,55 Euro. Bei 36 000 Dokumenten im Jahr entstehen so Ausgaben von rund 128 000 Euro. Bei Verwendung von HR Information Processing – also einer HR-Komplettlösung und Prozessoptimierung – lassen sich die Kosten laut E&E auf die Hälfte senken, auf jährlich rund 64 000 Euro.

(Tom Sperlich)

 

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Claudia Broghammer, Product Manager der HR Campus AG in Madetswil ZH; davor 10 Jahre bei der SAP AG in Walldorf, D, sowie der SAP Schweiz unter anderem als Product Manager für die SAP-Human-Capital-Management-Lösungen.

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