Ökologische Programme

Wie Geschenke und Bäume aus Indiens Konsumenten Recycler machen

Die Zahl der Mobiltelefone in den Schwellenmärkten explodiert, gleichzeitig haben die dortigen Konsumenten ein vergleichsweise geringes Umweltbewusstsein. Die kürzlich von Nokia gestartete Initiative zur Ausweitung seines weltweiten Telefonrecyclings ist also dringlich, wie Ambrish Bakaya, Director of Corporate Affairs für Nokia Indien, im Interview erklärt.

Im Rahmen eines Pilotprogramms wurden in Indien innerhalb von 45 Tagen rund 68 000 Geräte gesammelt, und inzwischen läuft das Projekt in 15 weiteren Städten.
Recyclingvorhaben wie dieses sind Teil der integrierten Innovationsstrategie von Nokia im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit.

Herr Bakaya: Ist es schwierig, die Leute davon zu überzeugen, ihre alten Telefone abzuliefern?

Ambrish Bakaya: Es ist schwierig, die Recyclingbotschaft zu vermitteln. Indien ist Nokias zweitgrösster Markt, doch in einer kürzlich durchgeführten Studie fanden wir heraus, dass nur 17 Prozent der indischen Konsumenten wissen, dass man Telefone rezyklieren kann. Das ist einer der niedrigsten Bewusstseinswerte weltweit. Das Bewusstsein beträgt weltweit durchschnittlich rund 50 Prozent, wobei viele, die sich dessen bewusst sind, nicht wissen, wie man dabei vorgeht.

Wie verbreiten Sie die Botschaft?

In Indien nutzen wir Presseinserate, Aussenwerbung und Radiospots, und wir platzieren Lieferwagen in Wohngebieten. Unser Ziel ist es, das Recycling so einfach wie möglich zu machen: Wir stellen spezielle Tonnen in Geschäften auf und erklären unseren Mitarbeitern, wie sie die Kunden über das Recycling ihrer Handys informieren. Ausserdem bieten wir Anreize.

Welche Art von Anreizen bieten Sie?

Wir haben festgestellt, dass kleine Anerkennungsgeschenke – Kaffeebecher, Taschen und Ähnliches – helfen, Verhalten zu ändern. Die Anreize, welche die Leute ansprechen, unterscheiden sich von Land zu Land. In Finnland und Frankreich spendet Nokia für jedes zurückgegebene Telefon einen kleinen Betrag an den Umweltschutz. In Indien wollen wir daneben auch Gutscheine für Telefondienste wie Musikdownloads und Spiele vergeben. Und dann gibt es auch noch die Bäume.

Bäume?

Für jedes rezyklierte Telefon pflanzt Nokia im Namen des Kunden einen Baum. Bisher wurden von den NGOs, mit denen wir bei dieser neuen Initiative zusammenarbeiten, gut 3000 Bäume gepflanzt, und es sollen noch viel mehr werden.

Macht Bäumepflanzen für die Kunden wirklich einen Unterschied?

Auf jeden Fall. In Indien sind insbesondere 
junge Leute sehr umweltbewusst. Wer Telefone rezykliert und Kontaktinformationen liefert, wird von uns per SMS informiert, wo seine Bäume gepflanzt  werden.

Rezyklieren Sie auch Handys, die nicht von Nokia sind?

Selbstverständlich. Wir sind herstellerneutral. Unser Ziel ist es, Bewusstsein zu schaffen.

Lässt sich mit Material, das aus alten Telefonen gewonnen wird, Geld verdienen?

Für Nokia ist Recycling keine Einnahmequelle – wir sind nicht im Recyclinggeschäft tätig. Zweck der Rückgabeprogramme von Nokia, die 1997 gestartet wurden und heute in 85 Ländern bestehen, ist es, mit den Einnahmen die Kosten zu decken. Von jedem Nokia-Gerät können grob geschätzt 65 Prozent bis 80 Prozent wiederverwertet werden; zu den Vorteilen gehören die Abfallreduktion sowie Energie- und Chemikalieneinsparungen, weil weniger Rohstoffe gewonnen und verarbeitet werden müssen.

Baut das Unternehmen seine Telefone so, dass sie rezyklierbar sind?

Nokia setzt sich von Anfang an mit der Rezyklierbarkeit auseinander. Sie ist ein Kriterium der Materialwahl. Tatsächlich fliesst das Umweltbewusstsein in alle Aktivitäten des Unternehmens ein, von der Maximierung der Gebäudeeffizienz bis hin zur Auflage an die Komponentenzulieferer, den Abfall aus ihrem eigenen Betrieb zu rezyklieren.

st die Verminderung des Ressourcenverbrauchs der einzige Geschäftszweck?

Recycling hilft uns, mit dem Konsumenten ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Obwohl das Umweltbewusstsein in Indien immer noch relativ gering ist, zeigen Studien, dass man hier zunehmend Unternehmen bevorzugt, die Verantwortung für die Umwelt übernehmen.

Sie leiten also einen kulturellen Wandel ein?

Die Ironie besteht darin, dass die indische Kultur die Menschen immer schon veranlasste, aus gebrauchten Dingen Wert herauszuholen. Alte Telefone werden von Person zu Person weitergegeben, bis sie vollkommen unbrauchbar sind. Und selbst dann enden sie oft in der Schreibtischschublade, manchmal für Jahre. Wir versuchen, diese Telefone aus den Schubladen in die Recyclingtonnen zu befördern.

  • Anmerkung: Dieses Interview erschien erstmals in der 
«Harvard Business Review», September 2009
Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Übersetzung: Georges Manouk

Weitere Artikel von Andrew O'Connell