Mediation

Wie Konfliktmuster 
aufgebrochen werden können

Kommt es am Arbeitsplatz häufig zu Auseinandersetzungen und Reibereien, so ist das nicht nur 
mühsam, sondern auch teuer. Mit Hilfe einer Mediation können Konflikte gemeinsam analysiert und 
gelöst werden. Dies schafft die Grundlage für ein neues Miteinander. Ein Bericht aus der Praxis.

Die Auswirkungen von ungelösten Konflikten auf das Betriebsergebnis sind nicht zu unterschätzen, wie ein Beispiel aus der Mediatorenpraxis zeigt: Ein Industriebetrieb im Kanton Zürich mit rund 380 Angestellten beschäftigte in einem der Grossraumbüros ein Team bestehend aus vier Teammitgliedern und einem Teamleiter. In diesem Team waren ein schroffer Ton, versteckte Seitenhiebe und unterschwellige Angriffe an der Tagesordnung. Statt dies im Team zu besprechen, taten die Beteiligten so, als wäre alles in Ordnung und diese Art zu kommunizieren normal. Jedes Teammitglied litt, aber keines unternahm etwas. Die Vorgesetzten und die Personalabteilung hatten mehrmals versucht, die Situation zu klären. Ohne Erfolg. Sie verschlechterte sich sogar, und Kunden begannen, sich zu 
beschweren.

Die Führung schätzte die Arbeitsleistung jedes Einzelnen sehr und stellte das gesamte Team schliesslich vor die Wahl: Entweder nehme das Team gemeinsam an einer Mediation teil oder es müsse mit Kündigungen rechnen. Niemand aus dem Team wollte das Unternehmen verlassen. Alle waren bereit, mithilfe einer Mediation die Situation zu klären.

Die Teammitglieder ziehen sich 
zurück – womit der Konflikt wächst

Als Mediatorin war mir klar, dass es sich beim geschilderten Konflikt um ein defensives Konfliktmuster handelte. Aus Angst, vermeintliche Schwächen zu zeigen, Anschuldigungen entgegennehmen zu müssen oder gar als Sündenbock dazustehen, bremste, verzögerte oder blockierte das Team die Auseinandersetzung über die eigentlichen Anliegen. Die einzelnen Mitarbeiter hatten sich längst zurückgezogen und gingen damit einer Konfliktaustragung aus dem Weg. Je mehr sie sich zurückzogen, desto grösser wurde der Konflikt. Es entstand ein Konfliktmuster, das es zunächst aufzubrechen galt.

Dazu war es nötig, die Hintergründe zu beleuchten, die zu dieser Situation geführt hatten: Im Herbst 2009 hatten zwei von damals vier Teammitgliedern, darunter die Teamleiterin, die Firma verlassen. Die Vorgesetzten organisierten Unterstützung von anderen Teams. Um Fehler und Fehlerkorrekturen von den unterstützenden Teams zu vermeiden, hatten die verbleibenden beiden Teammitglieder die Arbeit mehrheitlich 
allein erledigt.

Als ein neuer Teamleiter und zwei neue Teammitglieder am Jahresende 2009 eingestellt wurden, wurden sie von zwei ausgelaugten und übermüdeten Kollegen in ihre Arbeit eingeführt. Nicht genügend empfundene Wertschätzung für ihre Arbeit und die Enttäuschung, nicht selbst Teamleiterin oder Teamleiter geworden zu sein, lösten bei den alten Mitarbeitenden grosse Frustration aus. Diese wurde auf die neuen Kollegen übertragen. Die neuen Teammitglieder ihrerseits waren enttäuscht über ihre Arbeitsstelle, übernahmen zudem die schlechten Gefühle der anderen beiden und gerieten immer tiefer in den negativen Sog. Niemand wollte kündigen, weil die Arbeit ja grundsätzlich gefiel. Dennoch trieben Neid, Konkurrenzkampf, Trotz und Frustration die Konfliktspirale 
immer weiter an.

Spannungen rauben Kraft 
und viel (Arbeits-)Zeit

Die Stimmung im Team begann sich ab Februar 2010 markant zu verschlechtern, und das Team schätzte im Nachhinein selbst, dass es ab Oktober 2010 am absoluten Tiefpunkt angekommen war. Bis zum Start der Mediation im Januar 2011 vergingen 12 Monate. Gemäss Aussagen der Mitarbeitenden wendeten sie während dieser Zeit durchschnittlich rund 30 Prozent der Arbeitszeit zur Konfliktbewältigung (innere Auseinandersetzung, Ablenkung, Diskussion mit Mitgliedern anderer Teams etc.) auf.

Wenn die Mediation zu einer 
Teamentwicklung wird

Aufgrund des Konflikttyps und des Eskalationsgrades wurden als erster Schritt Einzelgespräche geführt. In diesem Rahmen konnten die persönlichen Bedürfnisse und Anliegen zur Sprache kommen, ohne dass die Teammitglieder sich vor den anderen blossgestellt fühlten. Zudem wurde der Boden 
bereitet, in den folgenden gemeinsamen Mediationssitzungen offen über diese Anliegen zu sprechen.

Die Freude der Teammitglieder an der Arbeit und ihr Wille, der Situation ein Ende zu bereiten und die Zusammenarbeit neu zu gestalten, überzeugten mich, dass eine Bearbeitung trotz schwerer Hindernisse erfolgreich sein könnte. Das Bild, das ich über die Lage und das Konfliktmuster erhielt, half mir, ein der Situation und den Teammitgliedern entsprechendes Interventionsdesign zu entwerfen.

In einem zweiten Schritt wurden die Anliegen und Konfliktpunkte mit dem ganzen Team bearbeitet. Die anfänglich verunsicherten und zurückhaltenden Teammitglieder entwickelten immer mehr Vertrauen zueinander, und die lange unterdrückten Emotionen und Anliegen konnten endlich zum Ausdruck gebracht und diskutiert werden. In der vierten Sitzung wurde aus der Mediation eine Teamentwicklung, in der Werte und Erwartungen auf den Tisch kamen und teaminterne Abläufe neu definiert wurden.

Insgesamt zahlte die Firma für diesen Konflikt einen hohen Preis (siehe Kasten). Je eher man sich eines Konflikts annimmt, umso geringer sind am Ende die Verluste und der Bearbeitungsaufwand. Mediation ist ein strukturiertes Verfahren zur konstruktiven Regelung eines Konflikts, bei dem die Konfliktparteien gemeinsam eine für alle Parteien tragbare Lösung entwickeln.

Konflikte in Organisationen sind nie als einzelne Phänomene zu betrachten. Die ganze Organisation spielt als System eine grosse Rolle. Nicht selten tauchen während einer Mediation Fragen über strukturelle Bedingungen wie Aufgabenverteilung, Arbeitskonzepte, Abläufe und Regeln auf. Die Mediation konzentriert sich auf das Konfliktsystem, bezieht aber die Organisation mit ein. Ergeben sich aus einer Mediation organisationale oder strukturelle Themen, können diese von den Beteiligten den Vorgesetzten zurückgemeldet und als Anstoss zu einer Organisationsentwicklung genutzt werden.

Wenn mich Vorgesetzte oder Personalabteilungen für eine Teamentwicklung anfragen, stellt sich im Gespräch oft heraus, dass es sich um einen Konflikt handelt. Hier wird zunächst geklärt, ob der Vorgesetzte eine Beratung zum Vorgehen, den Konflikt zu lösen, oder eine Mediation wünscht. Erst ein gelöster Konflikt schafft den Boden für ein neues  Miteinander, und nur dann macht eine Teamentwicklung Sinn. Innerhalb dieser können Spannungen abgebaut werden. Ein eingespieltes Team kann zu seiner ursprünglichen Qualität zurückfinden und diese auf Dauer sichern.

Nur wer die Konfliktpartner ernst nimmt, kann den Konflikt lösen

Mediation beruht auf der Eigenverantwortung aller Beteiligten und deren ausdrücklichem Wunsch, den Konflikt zu lösen. Sie entscheiden, wie viel sie zum Gelingen beitragen. Es ist eine Verantwortung, welche die Lösungsbereitschaft stärkt. Ein weiterer Aspekt für den Erfolg der Mediation ist, dass sich die Konfliktpartner in einem Rahmen austauschen können, in dem sie und ihre Anliegen ernst genommen werden. Der Mediator bewertet oder verurteilt weder seine Klienten noch was diese sagen. Im Laufe der Mediation wird es den Beteiligten möglich, den eigenen Standpunkt zu hinterfragen und mit der Zeit eine andere Sichtweise zu entwickeln.

Die aus der Mediation resultierende Vereinbarung, welche den zukünftigen Umgang, das Verhalten oder Abläufe regelt, erfolgt so auf der Basis der persönlichen Bedürfnisse 
aller Beteiligten. Mitarbeitende schätzen es enorm, wenn Vorgesetzte eine Mediation ermöglichen. Diese Wertschätzung und die Verantwortung, mit den eigenen Ressourcen den Konflikt anzugehen, motiviere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Klärung und Suche einer Lösung.
Drei Monate nach der Mediation im oben geschilderten Fall wurde zur Standortbestimmung und zur Vertiefung der Vereinbarungen ein Anschlussworkshop durchgeführt. Die Teammitglieder verstanden sich mittlerweile so gut und hatten die Vereinbarungen eingehalten, sodass das Team keine weiteren Workshops mehr wollte. Heute, ein Jahr nach Abschluss, arbeiten die Teammitglieder immer noch gerne zusammen und sind hoch motiviert.

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Esther Gossweiler Urenda ist Master of Advanced Studies FH in Mediation, Supervision und Coaching. Die Inhaberin der Firma Klarpunkt hat über 20 Jahre Erfahrung im Personalmanagement und bietet Mediationen, Teamentwicklungen, Coachings, Konfliktberatungen an.

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