HR Today Nr. 4/2022: International HRM / Mobility

Wie verändert Covid-19 die Global Mobility Policies?

Um Talente zu gewinnen und zu halten, müssen Arbeitgebende ihre Geschäftsreise- und Entsendepraxis überdenken und alternative Einsatzformen anbieten. Wie sich das auf die Global Mobility Policies auswirkt und welche Fragen sich dabei stellen.

1. Wie beeinflusst die Pandemie unsere Arbeitsformen?

Das Arbeiten von zu Hause hat ­Auftrieb erhalten. Viele Mitarbeitenden wurden kreativ und haben ihr «Homeoffice» in ein anderes Land ­verlegt. Zum Beispiel in die Berge oder in warme Länder, um dem Winter zu entfliehen. Nicht selten wurden Arbeitgebende nicht darüber in Kenntnis gesetzt, wodurch zentrale Compliance-Fragen ungeklärt blieben. Begriffe wie «Remote-Working», «Working From Anywhere» (WFA) oder «Workation» sind Themen, die Global-Mobility- und HR-Verantwortliche aktuell beschäftigen und herausfordern.

Auch global tätige Arbeitgebende überlegen sich zu Recht, ob eine Anwesenheit ihrer Mitarbeitenden im Büro immer noch zwingend notwendig ist. Bei der Ausarbeitung neuer Mobilitätsstrategien merken Arbeitgebende jedoch, dass Modelle wie «Working From Anywhere» nicht nur (positive) Auswirkungen auf die Attraktivität als Arbeitgebende sowie auf die Kosten haben, sondern auch auf Compliance-Themen.

2. Haben traditionelle Auslandeinsätze ­ausgedient?

Schon vor der Pandemie waren traditionelle Langzeitentsendungen rückläufig, gleichzeitig liess sich eine (kompensatorische) Zunahme von Geschäftsreisen und Kurzzeitentsendungen beobachten.

Die grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätze nehmen zwar wieder zu, dennoch wird die Entsendepraxis wohl nicht mehr das Niveau der Jahre vor der Pandemie erreichen. Die Gründe:

  • a) Restriktionen: eingeschränkte Ein- und Ausreisemöglichkeiten sowie Quarantänepflicht in vielen Ländern
  • b) Sicherheit: gesundheitliche Gefahren für die Mitarbeitenden und Ausschluss von möglichen Haftungsrisiken

Weitere Gründe für die rückläufige Entwicklung von Langzeitentsendungen sind die Kosten, eine zunehmende Zurückhaltung, Familienmitglieder mit ins Ausland zu nehmen (Karriere des Partners, Schulalter der Kinder) und nicht zuletzt die positiven Erfahrungen mit digitalen Kommunikationsmitteln.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass traditionelle Langzeitentsendungen wieder zunehmen, sobald Wirtschaft und Gesellschaft im neuen «Jetzt» angekommen sind. Arbeitgebende werden Auslandentsendungen jedoch selektiver zulassen und genauer prüfen, ob ein längerer Arbeitseinsatz vor Ort im Ausland notwendig ist.

3. Wie entwickelt sich die Mitarbeiter­mobilität in Zukunft?

Unternehmen möchten mit neuen Mobilitätsmodellen und -technologien dem Wunsch ihrer Mitarbeitenden nachkommen, flexibler und von überall aus zu arbeiten.

Mobilitätsmodelle wie «Virtuelle Assignments», «Hybrid-­Entsendungen», «International Remote Working», «Working From Anywhere» oder «Workation» sind Zukunftskonzepte, die Unternehmen in Betracht ziehen sollten, um als attraktiver Arbeitgebender neue Talente auf dem Globus zu rekrutieren und spezialisierte Fachkräfte zu halten. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich je nach Gastland und ­Aufenthaltsdauer bei diesen Arbeitsmodellen nicht um eine Entsendung, sondern um eine lokale Tätigkeit handelt. Das bedingt diversen Klärungsbedarf hinsichtlich Compliance und bringt einen damit verbundenen Mehraufwand.

In Bezug auf Entsendungen haben viele Arbeitgebende festgestellt, dass die ständige Präsenz vor Ort nicht in jedem Fall zwingend erforderlich ist, allerdings kann beispielsweise der Abschluss eines Projekts oft nicht komplett über Distanzen hinweg abgewickelt werden.

Es zeichnet sich folglich ab, dass sich Hybrid-Entsendungen (Entsandter arbeitet für ein paar Monate ohne Familienbegleitung im Zielland und führt seine Tätigkeit im Heimatland fort) im Vergleich zu virtuellen Projekten (von der Schweiz aus einen Produktionsbetrieb in China führen, ohne jemals länger vor Ort zu sein) eher durchsetzen werden. Dieses Modell spart Kosten und trennt Arbeitnehmende nicht allzu lange von ihrer Familie.

4. Wo besteht essenzieller Klärungsbedarf?

Bei allen (neuen) Formen von Auslandeinsätzen oder Anstellungen eines Mitarbeitenden im Ausland, bei dem dieser nicht am Arbeitsort des Arbeitgebenden tätig ist, besteht Klärungsbedarf hinsichtlich Compliance. Vorgängig zu prüfen sind insbesondere Themen wie Arbeits- und Aufenthaltsrecht, Sozialversicherungen sowie Personen- und Unternehmenssteuern. Besonderes Augenmerk gilt auch der Sorgfaltspflicht bezüglich Sicherheit und Gesundheit von in einem anderen Land tätigen Mitarbeitenden. Beim «Working From Anywhere»-Modell können bisweilen auch (soziale) Herausforderungen zutage treten. Beispielsweise, weil sich in bestimmten Teamkonstellationen nicht alle Mitarbeitenden persönlich kennen und zwischenmenschliche Konflikte entstehen, die sich schlecht auf digitalem Weg lösen lassen. Alle genannten Bereiche bergen potenzielle Risiken für ein Unternehmen. Es ist daher unerlässlich, sich ihrer früh genug anzunehmen und die notwendigen Abklärungen zu treffen.

5. Neue Mobilitätsstrategien, neue Policies?

Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden sich die Anfragen von Mitarbeitenden in Bezug auf neue Mobilitätsmodelle häufen. Bevor eine neue Global Mobility Policy entwickelt wird, sollten sich Arbeitgebende jedoch überlegen, welche Mobilitätsmodelle zu ihrer Unternehmenskultur passen und welchen Mehraufwand sie in Bezug auf Compliance-Vorschriften und administrative Kosten verkraften können oder wollen. Letztlich ist das auch eine Frage der finanziellen sowie personellen Ressourcen. Für welchen Weg sich ein Unternehmen entscheidet, die Devise sollte lauten: «Compliance first.»

Empfehlenswert ist folgendes Vorgehen:

a) Existierende Entsendungspolicy
Überprüfen und Anpassen der Entsendungspolicy auf ihre Aktualität in Bezug auf:

  • Sicherheit und Gesundheit der Entsandten, Sorgfaltspflicht des Arbeitgebenden, ­Repatriierung und Evakuationsplan, Haftungs­ausschluss etc.
  • Hybrid-Entsendungen
  • Commuters
  • Extended Business Travelers

b) Working from Anywhere (für eine begrenzte Zeit)
Diese Fragen stehen im Raum:

  • Wie gross ist die Nachfrage der Mitarbeitenden nach diesem Mobilitätsmodell und passt es zu unserer Unternehmenskultur?
  • Würden wir viele engagierte Mitarbeitende verlieren, wenn wir dieses Modell nicht anbieten?
  • Können wir mit der Einführung dieses Modells unsere Stellung als attraktiver Arbeitgebender verbessern oder halten?

c) International Remote Working (dauerhaftes Arbeiten im ­Ausland)
Diese Fragen stehen im Raum:

  • Sind wir angewiesen, neue Talente zu gewinnen, die dauerhaft im Ausland für uns tätig sein wollen?
  • Passt dieses Modell zu unserer Unternehmenskultur und sind wir uns aller Risiken bewusst?
  • Zu welchem Mehraufwand führen die einzuhaltenden Rechtsvorschriften in jedem Land?

d) Workation (vorübergehende Kombination aus Arbeit und Freizeit an einem Urlaubsort)
Diese Fragen stehen im Raum:

  • Wie gross ist die Nachfrage bei unseren Mitarbeitenden nach ­diesem Modell?
  • Was sind die Vor- und Nachteile von Workation?
  • Inwiefern würde dieses Modell unsere Unternehmenskultur verändern?

Fazit

Heutige technologische Standards und neue Mobilitätsmodelle bergen viele Vorteile für Arbeitgebende und Arbeitnehmende. So kann eine Mischform aus Entsendung und einem entsprechenden Mobilitätsprogramm beispielsweise auf die individuellen Bedürfnisse des Arbeit­gebenden, des Arbeitnehmenden sowie dessen Familie angepasst werden.

Wer im Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgebender bestehen will, muss sich mit neuen Mobilitätsprogrammen auseinandersetzen, da die Nachfrage nach Flexibilität und ortsungebundenem Arbeiten zunimmt. Folglich sollten Unternehmen ihre Möglichkeiten prüfen, potenzielle Risiken abwägen und entsprechende ­Policies erstellen oder anpassen. Global-Mobility- und HR-Verantwortliche sind gefordert, sich mit komplexeren Compliance-Themen auseinanderzusetzen und sich auf einen höheren Beratungsaufwand einzustellen.

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Gordana Muggler ist Leiterin Global Mobility und HR Services bei BDO AG in Zürich und berät Unternehmungen bei Entsendungen, internationalen Personaleinsätzen und weiteren HR-Themen.

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