Zukunft sichern mit Kern- und Flexbelegschaft
Unternehmen stehen vor wachsenden Herausforderungen: Der Fachkräftemangel verschärft sich, der Wettbewerb um Talente nimmt zu. Strategien zur Rekrutierung und Bindung von Mitarbeitenden werden damit zum zentralen Erfolgsfaktor. Wer Personalstrategien zukunftsträchtig gestalten will, setzt auf ein durchlässiges Modell aus fester und flexibler Belegschaft.

Das Atkinson-Modell gibt Hinweise darauf, wie eine flexible Belegschaft mit einem Kernteam kombiniert werden kann. (Bild: ChatGPT / Canva)
Das HR-Modell der flexiblen Belegschaft (siehe Illustration unten) vereint zwei Ansätze: Es kombiniert eine Kernbelegschaft mit einer flexiblen Belegschaft, um Stabilität und Anpassungsfähigkeit zu verbinden. Während Festangestellte Kernkompetenzen und kritisches Wissen im Unternehmen sichern, ermöglichen «Flexworker» eine schnelle Reaktion auf konjunkturelle Schwankungen und kurzfristig benötigtes Spezialwissen.
Zur flexiblen Belegschaft zählen unter anderem Temporärarbeitende, Freelancer, Projektkräfte, Gig-Worker und Subunternehmen. Sie machen je nach Studie und Definition bereits 20 bis 26 Prozent aller Erwerbstätigen in der Schweiz aus (vgl. AMOSA 2024, swissstaffing 2022). Diese Zahlen zeigen: Flexwork ist längst kein Randphänomen mehr, sondern sowohl ein Bedürfnis von Erwerbstätigen wie auch ein strategisches HR-Instrument.
Welche Motive und Erwartungen bringen flexible Arbeitskräfte mit? Die nachfolgenden Resultate veranschaulichen dies am Beispiel von Temporärarbeit, die hierzulande eine wichtige flexible Arbeitsform ist: 60 Prozent der Schweizer Unternehmen haben bereits Temporärarbeit genutzt (vgl. Sotomo 2024). Der GAV-Personalverleih garantiert dabei faire Rahmenbedingungen und soziale Absicherung, damit Flexibilisierung nicht zulasten der Arbeitnehmenden geht.
Temporärarbeit: Zwei Typen – zwei Chancen für Unternehmen

Eine Befragung von über 5000 Temporärarbeitenden offenbart zwei Typen von Flexworkern mit unterschiedlichen Prioritäten:
- Feststellensuchende nutzen Personalverleih als Etappe zur Festanstellung. Im Idealfall können sie ihre Rolle in der flexiblen Belegschaft als Sprungbrett in die Kernbelegschaft nutzen. Die temporäre Anstellung bietet ihnen die Chance dazu. Für sie sind Stabilität und Jobsicherheit (53 Prozent) sowie Karriereperspektiven (44 Prozent) besonders wichtig. Dies erstaunt nicht, angesichts des Umstands, dass ein Drittel von ihnen vor der Temporärarbeitsphase arbeitslos war und deshalb eine langfristige Perspektive sucht.
- Flexibilitätssuchende möchten hingegen keine Festanstellung. Sie schätzen Flexibilität und Autonomie und möchten Teil der flexiblen Belegschaft bleiben. Sie empfinden temporäre Einsätze nicht als Übergangslösung, sondern als Ausdruck beruflicher Selbstbestimmung. Wichtig sind ihnen Wertschätzung (33 Prozent), zeitlich flexibles Arbeiten (32 Prozent) und die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit (26 Prozent).
In beiden Gruppen bilden ein gutes Arbeitsklima und eine attraktive Vergütung die Grundvoraussetzungen für Motivation und Bindung.
Flexworker als Rekrutierungskanal und Wissenspool
Unternehmen, die die unterschiedlichen Bedürfnisse von Temporärarbeitenden kennen und auch verstehen, können diese gezielt ansprechen und in eine zukunftsfähige Personalstrategie einbinden:
Rekrutierungskanal: Feststellensuchende nutzen Temporärarbeit als Einstiegsmöglichkeit zur Festanstellung. Unternehmen profitieren von dieser «Testphase», da sie Fachkräfte bereits in der Praxis kennenlernen. Damit lassen sich Fehlbesetzungen vermeiden, die Chance auf langfristige Bindung steigern und Rekrutierungskosten senken. Wichtig für Feststellensuchende sind Transparenz über Einsatzdauer, Übernahmechancen und Entwicklungsperspektiven.
HR-Modell der flexiblen Belegschaft
Die Unterscheidung in Kern- und Randbelegschaft («Core Periphery Model») gründet auf dem HR-Konzept der «flexiblen Firma» von John Atkinson (1984).
Das ursprüngliche Modell von Atkinson differenziert die Belegschaften stärker:
- Kernbelegschaft: hochqualifizierte, interne Arbeitskräfte
- Erste Peripherie: interne, wenig spezialisierte Arbeitskräfte
- Zweite Peripherie: Teilzeit- und temporäre Arbeitskräfte
- Externe Arbeitskräfte: ausgelagerte Aufgaben (IT, Reinigung)

Wissenspool: Flexibilitätssuchende wählen bewusst temporäre Arbeitsverhältnisse, um mehr Autonomie und Freiheit zu haben. Sie gehören zwar nicht zur Kernbelegschaft, leisten aber einen wertvollen Beitrag. Ein wertschätzender Umgang ist entscheidend, um auch diese Talente durch wiederkehrende Einsätze aktiv zu binden. So entsteht ein Pool an qualifizierten, flexiblen Arbeitskräften mit unternehmensspezifischem Wissen – ein Vorteil, der besonders in sensiblen Bereichen wie Pflege und Betreuung relevant ist.
Erfolgsfaktor Unternehmenskultur
Wer die Vorteile von Kern- und Flexbelegschaft kombiniert, kann auf Marktentwicklungen schneller reagieren, Talente bedarfsgerecht einsetzen und neue Zielgruppen erschliessen. Doch Flexibilisierung gelingt nur, wenn sie auf einer Unternehmenskultur des Respekts und der Zusammenarbeit auf Augenhöhe basiert. Entscheidend ist dabei, dass flexible Mitarbeitende als integraler Teil eines vielfältigen Teams wahrgenommen werden. Konkrete Hebel einer integrativen, positiven Unternehmenskultur sind:
- Gleichwertige Kommunikation: Klare Informationen zu Einsatzdauer, Erwartungen und Feedback sind essenziell, auch für kurzfristige Einsätze.
- Einbindung statt Abgrenzung: Gemeinsames Onboarding, Zugang zu internen Wissensquellen oder Teamevents fördern die Zugehörigkeit.
- Anerkennung und Sichtbarkeit: Wer Leistungen von Flexworkern gezielt wertschätzt – etwa in Feedbackgesprächen oder Erfolgskommunikation – stärkt Loyalität und Motivation.
- Reibungsverluste minimieren: Sauber dokumentierte Prozesse und geeignete Strukturen erleichtern die Zusammenarbeit und vermeiden unnötige Doppelspurigkeiten oder Missverständnisse in hybriden Teams.
Unternehmen, die bewusst in solche Faktoren investieren, schaffen eine nachhaltige Vertrauenskultur. Sie fördern nicht nur die Bindung der Kernbelegschaft, sondern auch das Commitment flexibler Talente – und machen so den entscheidenden Unterschied im Kampf um Fachkräfte.