Bern (sda). Der Bund der Schweizer Frauenorganisationen allianceF sieht in der vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Revision des Gleichstellungsgesetzes eine Minimalvorlage im Kampf gegen die Lohndiskriminierung der Frauen. Zusätzlich sollten die vorgesehenen Lohnkontrollen nicht nur bei Unternehmen mit fünfzig und mehr Mitarbeitenden Vorschrift sein, sondern auch auf die übrigen Firmen ausgedehnt werden.
Freiwillige Massnahmen hätten in der Vergangenheit leider nicht die erhoffte Wirkung gezeigt, staatliche Massnahmen zur Durchsetzung der Lohngleichheit seien nun zwingend. Die Meldung und Veröffentlichung von Pflichtverletzungen erachtet allianceF als absolut zumutbares Minimum. Bund, Kantone und Gemeinden sollten eine Vorbildfunktion übernehmen. Die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Weiterbildung müsse endlich ermöglicht werden, damit das Potenzial gut ausgebildeter Frauen ausgeschöpft werden könne.
Einbezug der Sozialpartner
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) begrüsst es, dass der Bundesrat nach langem Zusehen endlich verbindlichere Massnahmen gegen die Lohndiskriminierung ergreifen will. Der Bundesrat müsse aber die Chance packen, entschieden gegen den verfassungswidrigen Zustand vorzugehen und Lohngleichheit nicht mehr als «freiwilliges Schönwetterprogramm» zu behandeln. Der Verzicht auf Sanktionen bei Gesetzesverletzungen sei juristisch in sich widersinnig und müsse korrigiert werden.
Die Pflicht für die Durchführung von Lohnanalysen müsse für alle Unternehmen gelten und durch eine entsprechende Behörde durchgesetzt werden. Der SGB verlangt zudem, dass die Gewerkschaften in einer tripartiten Kommission auf Bundes- sowie im Rahmen der Kontrollen auf Betriebsebene bei der Umsetzung des Gesetzes einbezogen werden.
Geldbussen bei Verstössen gefordert
Auch für die Arbeitnehmer-Dachorganisation Travail.Suisse genügt die vorgeschlagene Revision nicht. Immerhin ermögliche sie den Unternehmen, sich des Problems der Lohndiskriminierung überhaupt bewusst zu werden.
Allerdings seien Nachbesserungen unbedingt nötig. Unternehmen müssten Erklärungen liefern, wenn die Analyse eine Lohndiskriminierung aufdecke. Travail.Suisse fordert Sanktionen in Form von Geldbussen, deren Höhe sich je nach dem vom betroffenen Unternehmen erzielten Umsatz bemisst.
Gleich enttäuscht zeigt sich die Gewerkschaft Unia über die Revision. Diese geht in ihren Augen viel zu wenig weit. Von einer Durchsetzung von Amtes wegen sei im Gesetz gänzlich abgesehen worden. Auch werde auf ein Behördenklagerecht verzichtet.
Die Gewerkschaft vpod begrüsst den Gesetzesentwurf als ersten, aber ebenfalls nicht ausreichenden Schritt. Um die Lohndiskriminierung wirksam zu bekämpfen, brauche es weitergehende Massnahmen.
Um den bereits 35 Jahre alten Verfassungsauftrag zu erfüllen, für gleichwertige Arbeit gleichen Lohn zu bezahlen, seien verpflichtende staatliche Massnahmen zwingend, fordert auch die Gewerkschaft syndicom.
Arbeitgeber wollen weiter auf Freiwilligkeit setzen
Ganz anders sieht dies die Wirtschaft: Der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) lehnt alle Massnahmen zur Verschärfung des Gleichstellungsgesetzes als «unverhältnismässig, bürokratisch und unnötig» ab. Sie stellten einen massiven Eingriff in den flexiblen Arbeitsmarkt dar.
Der bundesrätliche Vorwurf an die Unternehmen, dass sie freiwillig nicht bereit seien, Massnahmen zur Durchsetzung der Lohngleichheit zu treffen, sei unberechtigt. Von einem Marktversagen könne keine Rede sein. Staatlich vorgeschriebene Lohnkontrollinstrumente und Meldestellen sowie schwarze Listen würden abgelehnt.
Im Gegenzug fordert der Arbeitgeberverband vom Bund, die bisherigen und freiwilligen Massnahmen der Unternehmen und insbesondere ihre Lohnanalysen mittels Funktionsbeschreibungen endlich vorbehaltlos anzuerkennen. Der SAV lehne Lohndiskriminierung entschieden ab und fordere die Unternehmen auf, weiterhin und freiwillig für Lohngleichheit in ihren Betrieben zu sorgen. Mit den heute bestehenden Instrumenten könne Lohndiskriminierung verhindert werden.
Eliminierung von «goldenen Fesseln» gefordert
Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) lehnt die aus seiner Sicht bürokratische Belastung der Unternehmen ab. Als besonders irritierend wird der Vorschlag des öffentlichen Prangers bezeichnet. Gleiche Arbeit müsse bei gleicher Qualifikation und Erfahrung gleich entlöhnt werden. Letztlich liege es im Interesse der Unternehmen selbst, für die gleiche Leistung auch den gleichen Lohn zu bezahlen. Nur so könnten sie ihr qualifiziertes Personal halten.
Einen anderen Ansatz bringt die Denkfabrik Avenir Suisse ins Spiel. Quoten, Lohnkontrollen oder andere Arbeitsmarkt-Interventionen änderten wenig an der Hauptursache der verbleibenden Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern. Nur ein stärkeres Engagement der Frauen im Erwerbsleben könnte Abhilfe schaffen: Dies werde jedoch durch Steuern und Sozialversicherungen erschwert. Die Eliminierung dieser «goldenen Fesseln» und steuerlichen Benachteiligungen würden dazu beitragen, dass Frauen und Männer ihr Potenzial gleichermassen ausschöpfen könnten.