Im Tessin gilt künftig ein Mindestlohn

Die Mindestlohndebatte in der Schweiz hat neuen Auftrieb erhalten: Das Tessiner Stimmvolk hiess eine Initiative der Grünen gut, wonach einzelne Branchen einen Mindestlohn aushandeln können, wenn kein Gesamtarbeitsvertrag besteht. Die Tessiner Grünen sprachen von einem «historischen Tag».

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Bellinzona (sda). Nach Neuenburg und Jura ist das Tessin erst der dritte Kanton, der einen Mindestlohn einführt. 50'419 Stimmende sagten Ja, 41'775 sprachen sich dagegen aus. Die Stimmbeteiligung lag bei 43 Prozent.

Die Initiative «Retten wir die Arbeit im Tessin» ging auf die ehemalige Grünen Grossrätin Greta Gysin zurück. Der Tessiner Grosse Rat stimmte der Initiative im März dieses Jahres zu. Unterstützung gab es von der SP, gewerkschaftsnahen Kreisen und Teilen der Lega. Kritik kam von der FDP und SVP.

Mittel gegen Lohndumping

Die Tessiner Grünen-Vertreter argumentierten, dass die Arbeitnehmer im Südkanton nur durch einen fairen Mindestlohn vor dem Lohndumping durch italienische Grenzgänger geschützt werden können. Der Initiativtext spricht von einem «würdevollen Lohn», der sich Branchen abhängig am nationalen Durchschnittslohn orientieren soll.

Die Mindestlohngegner bezweifelten, dass das einheimische Personal nach der Änderung besser gestellt sei, da es vorwiegend Grenzgänger seien, die unterdurchschnittliche Löhne bezögen.

Auf nationaler Ebene war die Mindestlohn-Initiative des Gewerkschaftsbunds im Mai 2014 an der Urne wuchtig abgelehnt worden. Im Tessin lag der Nein-Stimmenanteil damals bei 68 Prozent.

Tausende könnten mehr verdienen

Es sei ein «historischer Tag für das Tessin», sagte Grünen-Koordinator Sergio Savoia der Nachrichtenagentur sda. Das Abstimmungsresultat habe gezeigt, dass die aktuelle Vorlage eher den Realitäten des Kantons entspreche als die nationale Mindestlohn-Initiative, über die 2014 abgestimmt worden sei. Damals hatten noch 68 Prozent der Tessiner Stimmenden ein Nein in die Urne geworfen. Von den neuen branchenabhängigen Mindestlöhnen könnten laut Savoia rund 7000 bis 8000 Menschen profitieren, darunter vor allem junge Arbeitnehmende und Frauen.

1500-Franken-Löhne, die Grenzgängern angeboten würden, könnten ab sofort der Vergangenheit angehören, sagte die Grünen-Vertreterin Greta Gysin auf Anfrage. Sie hatte die Initiative 2013 lanciert. Der Ball liege nun bei den Tessiner Betrieben: Sie müssten mit den Gewerkschaften Mindestlöhne aushandeln, sofern in der jeweiligen Branche noch kein Gesamtarbeitsvertrag bestehe. Erst wenn dies nicht gelinge, müsse die Kantonsregierung ein Mindest-Salär festlegen.