Landwirte möchten auf ihren Betrieben Flüchtlinge beschäftigen

Schweizer Bauern wollen anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen Arbeit anbieten. Gleichzeitig wollen sie damit ihren Mitarbeiterbedarf decken. Bauernverband und Bund haben ein Pilotprojekt gestartet.

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Füllinsdorf BL (sda). Zurzeit machen zehn Betriebe in sieben Kantonen beim Projekt mit. Beschäftigt werden 15 Flüchtlinge: Sie arbeiten bereits auf den Höfen oder werden ihre Tätigkeit im Lauf des Jahres aufnehmen. Am Mittwoch stellten der Schweizer Bauernverband und das Staatssekretariat für Migration (SEM) das Projekt auf einem Gemüsebaubetrieb in Füllinsdorf (BL) vor.

Herausfinden wollen die Beteiligten damit, was es braucht, damit die Beschäftigung von Flüchtlingen in der Landwirtschaft ein Erfolg wird. Durch die Arbeit sollen sie besser integriert werden, sagte SEM-Direktor Mario Gattiker vor den Medien. Zudem werde damit der Staat finanziell entlastet, und die Landwirtschaft erhalte dringend nötige Arbeitskräfte.

Inländisches Potenzial besser nutzen

Hintergrund ist die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014: Laut Gattiker muss auch die Landwirtschaft das inländische Potenzial an Arbeitskräften besser nutzen.

Die Bauern beschäftigten jedes Jahr 25'000 bis 35'000 ausländische Arbeitskräfte während der Ernte- oder Vegetationszeit. Diese befristeten Angestellten kommen vor allem aus Portugal, Spanien und Polen. Andererseits gebe es aber mehrere tausend anerkannte Flüchtlinge im Erwerbsalter, die keine Stelle fänden. Mangelnde Sprachkenntnisse, keine Ausbildung oder administrative Hürden seien die Gründe dafür.

Die Landwirte müssten wissen, dass anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene in der Schweiz arbeiten dürfen. In der Hotellerie und im Gastgewerbe sei dies bekannt: Rund ein Drittel der erwerbsfähigen Flüchtlinge arbeite in diesen Sektoren.

Mindestlohn nach Normalarbeitsvertrag

Die Flüchtlinge, die sich am Pilotprojekt der Landwirtschaft beteiligen, werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt. Sie erhalten im ersten Monat einen Lohn von 2300 Franken brutto, danach den Mindestlohn gemäss Normalarbeitsvertrag; in den meisten Kantonen beträgt dieser 3200 Franken.

Die Betriebe erhalten für ihren administrativen Aufwand im Zusammenhang mit der Auswertung des Projekts 200 Franken im Monat. Weitere 200 Franken werden den Bauern als pauschale Entschädigung ausbezahlt, wenn die Arbeitskräfte auf dem Betrieb wohnen und die Bauernfamilie sie verpflegt.

Die Arbeitsdauer soll drei Monate betragen, kann aber auch verlängert werden. SBV-Direktor Jacques Bourgeois sagte, nicht jeder Landwirtschaftsbetrieb eigne sich für die Beschäftigung von anerkannten Flüchtlingen. Komme hinzu, dass die Betriebe für die Projektauswertung einen zusätzlichen administrativen Aufwand haben.

Das Budget für das dreijährige Pilotprojekt liegt bei 400'000 Franken. Diesen Betrag teilen sich der SBV und der Bund je hälftig. Der finanzielle Rahmen sei auch der Grund für die relativ geringe Anzahl an teilnehmenden Flüchtlingen, sagte Monika Schatzmann vom SBV.

Aus Sicht des Betriebsleiters positiv

Aus Sicht von Andreas Eschbach, der einen grossen Gemüsebetrieb in Füllinsdorf leitet, sollen anerkannte Flüchtlinge ihren Lebensunterhalt selber verdienen können. Er beschäftigt seit über 20 Jahren Flüchtlinge. Für sie sei eine Beschäftigung positiv.

Ein heute 25-jähriger Somalier, der seit 2011 bei ihm befristete Einsätze leistete und seit Januar 2013 unbefristet angestellt ist, könne sich ein Auto und Fahrstunden leisten, sagte Eschbach. Obwohl nach der Arbeitsaufnahme die finanzielle Unterstützung des Staates wegfalle, hätten die Flüchtlinge mehr Geld in der Tasche als ohne Arbeit.

Für die Landwirte sei es eine Herausforderung, Migranten zu beschäftigen, sagte Eschbach weiter. Die Betriebsleiter «müssen wollen und können». Von den staatlichen Stellen verlangt er eine enge Zusammenarbeit.

Flüchtlingshilfe begrüsst Initiative

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst die Initiative grundsätzlich. «Je schneller jemand beruflich integriert wird, umso kürzer ist seine Abhängigkeit von Sozialleistungen», sagte Sprecher Stefan Frey auf Anfrage. Bei der Auswertung des Pilotprojekts müsse aber genau darauf geachtet werden, ob die Anreize richtig funktionierten, ergänzte Frey. So dürfte es für Alleinstehende einfacher sein, ohne staatliche Unterstützung auszukommen, als für Menschen, die eine Familie unterhalten müssten.

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist es wichtig, dass die Flüchtlinge entsprechend den Schweizer Arbeitsbedingungen angestellt und entlöhnt werden, wie Sprecher Thomas Zimmermann sagte. Dies gelte insbesondere, falls das Pilotprojekt auf andere Branchen ausgeweitet werden sollte.