Die Schweiz ist einer der wichtigsten Handelsplätze für Rohstoffe aus aller Welt. Händler in Genf und Zug kaufen und verkaufen Erdöl und andere Rohwaren im Ausland, ohne dass diese je in die Schweiz kommen. Die Händler entscheiden über die Transaktionen, organisieren Transport, Finanzierung und Versicherung. Allzu viele Angestellte vor Ort braucht es dazu aber nicht.
Inzwischen macht der Transithandel 4 Prozent der Wertschöpfung in der Schweiz aus, aber nur 0,3 Prozent der Beschäftigung. 2015 wäre die Wirtschaft ohne seinen Beitrag auf der Stelle getreten, wie Jan-Egbert Sturm, Direktor der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich, am Donnerstag vor den Medien sagte.
Da für das Wirtschaftswachstum jeweils die realen Grössen herangezogen werden, wird dabei die Veränderung der Menge, nicht aber die Veränderung der Preise berücksichtigt. Der Transithandel konnte damit im vergangenen Jahr trotz tiefer Ölpreise zulegen. Für die Konjunkturforscher ist der Transithandel eine Herausforderung: Er schwankt stark und ist deshalb schwierig zu berechnen, wie Sturm sagte.
Einbussen bei Industrie und Banken
Während der Transithandel, der dem Grosshandel zugerechnet wird, derzeit floriert, haben andere Wirtschaftszweige mit Problemen zu kämpfen. Aus den Zahlen des Bundesamts für Statistik zur Wirtschaftsentwicklung 2015 schliesst die KOF, dass die Industrie wesentlich stärker von der Frankenaufwertung betroffen war, als bislang erwartet worden sei.
Die frühere Annahme, dass die Industrie ihre mengenmässige Produktion unter Inkaufnahme von grossen Margenverlusten steigern konnte, muss die KOF daher revidieren. Die Produktion verringerte sich um 0,9 Prozent und drückte das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) um 0,2 Prozentpunkte.
Schlechter lief es nur bei den Banken, die Einbussen von 9 Prozent einfuhren und mit einem halben Prozentpunkt das BIP-Wachstum belasteten.
Ende der Durststrecke naht
Für das laufende und das kommende Jahr zeichnet sich aber laut der KOF langsam ein Ende der Durststrecke ab. Die Waren der exportorientierten Industrie dürften im Ausland wieder stärker gefragt sein, weil sich die Weltwirtschaft weiter belebe, prognostizieren die Konjunkturforscher.
Keine Verwerfungen - weder kurz- noch langfristig - erwarten sie vom Brexit- Entscheid. Eine expansivere Fiskal- und Geldpolitik in Grossbritannien dürfte eine starke Abschwächung der Wirtschaftsleistung verhindern.
Die Schweizer Industrie dürfte 2016 bereits wieder zum Wachstum beitragen. Die Banken sollen ab 2017 wieder aus dem Minus herausfinden. Einen Beitrag zu einem Plus beim BIP werden laut der KOF auch die konsumentennahen Dienstleistungen beisteuern, die unter anderem Bildung und Gesundheitsdienstleistungen umfassen.
Langsame Erholung auf Arbeitsmarkt
Die KOF geht davon aus, dass der Druck auf den Franken anhält, der Wechselkurs zum Euro aber stabil bei 1,10 Franken bleibt. Unter Einbezug all dieser Entwicklungen erwartet die KOF für 2016 ein BIP-Wachstum von 1,6 Prozent, für 2017 von 1,8 Prozent und für 2018 von 1,9 Prozent.
Das wieder etwas stärkere Wachstum dürfte auch zu einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt führen. Diese wird laut der KOF aber nur schleppend vorankommen. Denn zum einen ist die Konsumentenstimmung gedämpft und der Aussenhandel kommt nur zögerlich in Schwung. Zum anderen stehen gerade Industriefirmen und Banken weiterhin unter Druck, die Betriebsabläufe effizienter zu gestalten. Sprich: Es muss weiter mit Meldungen über Stellenstreichungen gerechnet werden, weil die Unternehmen umstrukturieren oder Stellen ins Ausland verlagern.
Die KOF geht von einer stabilen Arbeitslosenquote bei 3,3 Prozent in diesem und 3,4 Prozent in den beiden Folgejahren aus.