Unternehmenschef nach Lohndumping auf PostParc-Baustelle verhaftet

Fingierte Verträge, Hungerlöhne und unrechtmässige Konkurrenz durch Lohndumping. So lauten die Vorwürfe der Tessiner Gewerkschaft OCST und Ex-Mitarbeitern an eine Baufirma aus Lugano TI. Diese führte auch Aufträge auf der PostParc-Baustelle in Bern aus.

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Nachdem die Tessiner Gewerkschaft OCST den Verstoss der Staatsanwaltschaft gemeldet hatte, wurde der italienische Unternehmenschef der Baufirma am vergangenen Montag festgenommen. Die vorläufige Verhaftung sei am Donnerstag «bis Februar» bestätigt worden, teilte der Sprecher der Tessiner Staatsanwaltschaft Saverio Snider am Donnerstag auf Anfrage mit. Am gleichen Tag informierte die Tessiner Gewerkschaft OCST an einer Medienkonferenz in Lugano über die mutmasslichen Verstösse der Baufirma auf der Berner PostParc-Baustelle – anwesend war ebenfalls ein italienischer Ex-Mitarbeiter.

Dumpinglöhne kein Einzelfall

Sie habe «systematisch» ihre Arbeiter ausgebeutet und sich durch Niedriglöhne Aufträge auf Baustellen in «Genf, Lausanne, Luzern und Bern» gesichert, sagte der OCST-Gewerkschafter und Ex-CVP Nationalrat Meinrado Robbiani am Donnerstag vor Medienvertretern über die Firma.

7 Mitarbeiter hätten sich trotz Drohungen durch Kollegen an die Gewerkschaft gewandt, um die Missstände aufzudecken. Ende Oktober erfolgte dann der Kontakt mit der Tessiner Staatsanwaltschaft.

Zu Hochzeiten habe die Firma, welche sich als Fenster- und Türenhersteller bezeichnete, 35 Menschen beschäftigt – der Grossteil von ihnen italienische Grenzgänger. Sie seien durch die Unternehmensführung durch Scheinverträge mit Niedriglöhnen abgespeist worden: Statt dem im Vertrag aufgeführten Brutto- Stundenlohn von 27,5 Franken bekamen sie nur «7 bis 9» Euro ausgezahlt.

Unbezahlte Überstunden an der Tagesordnung

Gemäss Tabellen zur Arbeitszeiterfassung, die der Gewerkschaft vorliegen, gab es Mitarbeiter, die bis zu 271 Stunden pro Monat und 11 Tage am Stück arbeiteten – ohne dafür die jeweiligen Überstunden ausbezahlt zu bekommen. Einem Arbeiter seien auf diese Weise während der letzten beiden Jahre so insgesamt 61'000 Franken entgangen.

Teilweise seien sie «um 4 Uhr morgens» in Mailand gestartet, um rechtzeitig auf der Baustelle in Bern beginnen zu können, sagte ein italienischer Ex-Mitarbeiter an der Medienkonferenz. Er sei dabei auch 14 Tage am Stück auf einer Baustelle geblieben, obwohl das sein Ausländerausweis für Grenzgänger nicht erlaubt hätte. «Wer die Bedingungen oder die Bezahlung nicht akzeptierte, dem wurde unmissverständlich gesagt, dass er verschwinden könne», sagte der italienische Bauarbeiter.

Die Tessiner OCST sieht sich durch den Vorfall bestätigt, dass die aktuellen sogenannten «flankierenden Massnahmen» zur Personenfreizügigkeit nicht ausreichend seien. Es fehle ausserdem eine Gesetzgebung, die eine Totalunternehmerin in die Pflicht nehme, falls die jeweils beauftragten Subunternehmen die in der Schweiz geltenden Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht einhielten.

Dumpingvorwürfe bereits im September

Bereits im September warf die Gewerkschaft Unia einer Subunternehmerin auf der PostParc-Baustelle beim Berner Hauptbahnhof vor, die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten zu haben. Die Totalunternehmerin für die PostParc Baustelle, die Steiner AG, teilte damals mit, eine paritätische Berufskommission, also ein Gremium mit Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, untersuche nach internen Abklärungen die Einhaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen.

Das betreffende Tessiner Unternehmen sei das Subunternehmen eines Subunternehmens der Steiner AG und stehe somit in keinem direkten Vertragsverhältnis zum Unternehmen, teilte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch auf Anfrage mit.