Studie

Arbeitsmarkt: Mehr Fluktuation, weniger Stabilität

Von Entlassungen bis Lohndruck: Wie sich der Schweizer Arbeitsmarkt laut dem von Rundstedt Arbeitsmarkt-Barometer 2025 entwickelt.

Der Schweizer Arbeitsmarkt befindet sich in einer Phase der Neuorientierung. Der von Rundstedt Arbeitsmarkt-Barometer 2025, der auf den Outplacement-Daten von 2738 entlassenen Arbeitnehmenden und 340 Unternehmen basiert, zeigt eine deutliche Veränderung: Nach den konjunkturell starken Jahren 2021 und 2022 folgten 2023 erste Konsolidierungsmassnahmen, die sich 2024 fortgesetzt haben.

Während sich Kündigungen häufen, nehmen jedoch die Neueinstellungen zu – ein Zeichen für eine gesteigerte Marktfluktuation. Pascal Scheiwiller, CEO von von Rundstedt, fasst die Lage zusammen: «Zum ersten Mal seit Covid scheint der Arbeitsmarkt wieder in einem gesunden Gleichgewicht zu sein. Allerdings kommen altbekannte strukturelle Muster zurück: Lohnerhöhungen sind seltener, und ältere Arbeitskräfte Ü50 haben wieder grössere Schwierigkeiten bei der Stellensuche.»

Die wichtigsten Erkenntnisse des Barometers im Überblick:

1. Branchenübergreifender Anpassungsdruck – Kündigungswelle trotz Fachkräftemangel: Eine der auffälligsten Entwicklungen ist die steigende Zahl an Kündigungen in allen Branchen – insbesondere in der IT- und Digitalbranche. Bemerkenswert ist dabei der scheinbare Widerspruch: Während Unternehmen über einen Mangel an IT-Fachkräften klagen, stieg der Anteil der Entlassungen in diesem Sektor von 8 auf 12 Prozent. Die beiden am stärksten betroffenen Branchen sind jedoch weiterhin Pharma & Life Sciences (27%) und die Finanzbranche (23%), die zusammen fast die Hälfte aller Kündigungen ausmachen. Besonders betroffen sind zudem IT- und Logistikbereiche, wo die Entlassungsrate von 10 auf 16 Prozent gestiegen ist.

2. Mehr «stille» Einzelkündigungen statt Massenentlassungen: Während Massenentlassungen weiterhin vorkommen, machen sie nur einen kleineren Anteil der Kündigungen aus:

  • Restrukturierungen als Kündigungsgrund: 42 Prozent (Vorjahr: 52%)
  • Personalabbau: 30 Prozent (Vorjahr: 32%)
  • Individuelle Kündigungen (persönliche oder leistungsbedingte Gründe): 28 Prozent (Vorjahr: 16%)

Das bedeutet: Unternehmen verabschieden sich vermehrt von einzelnen Mitarbeitenden statt von ganzen Abteilungen – oft unauffällig und ohne öffentliche Aufmerksamkeit.

3. Fluktuation statt Arbeitslosigkeit – Jobwechsel schneller als erwartet: Trotz steigender Kündigungen bleibt die Arbeitslosigkeit stabil. Die durchschnittliche Stellensuchdauer ist sogar leicht gesunken – von 6,1 auf 6,0 Monate. Dies deutet darauf hin, dass viele Fach- und Führungskräfte rasch wieder eine Anstellung finden. Für Unternehmen bedeutet das: Entlassungen führen nicht zwingend zu mehr Arbeitslosigkeit, sondern treiben eine gesunde Fluktuation voran.

4. Altersguillotine ab 55+ – Polarisierung auf dem Arbeitsmarkt nimmt zu: Während die allgemeine Stellensuchdauer leicht gesunken ist, trifft das nicht auf ältere Arbeitnehmende zu:

  • Ü50: Suchdauer von 6,6 auf 7,4 Monate gestiegen
  • 40- bis 50-Jährige: Suchdauer von 6,0 auf 5,8 Monate gesunken
  • 30- bis 40-Jährige: Suchdauer von 5,6 auf 4,2 Monate gesunken

Besonders schwierig ist die Situation für Arbeitnehmende ab 55 Jahren, die zunehmend von der sogenannten «Altersguillotine» betroffen sind. Während junge Talente immer schneller neue Jobs finden, müssen ältere Arbeitnehmende zunehmend länger suchen – ein Trend, der sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen könnte.

5. Der verdeckte Arbeitsmarkt boomt – Netzwerke wichtiger denn je: Die Bedeutung öffentlicher Stellenausschreibungen hat 2024 erstmals wieder abgenommen. Während sie jahrelang der wichtigste Kanal für Stellensuchende waren, gewinnen persönliche Netzwerke und der verdeckte Arbeitsmarkt zunehmend an Bedeutung:

  • Erfolgreich vermittelte Jobs über Netzwerke: 43 Prozent (Vorjahr: 35%)
  • Erfolgreich vermittelte Jobs über öffentliche Ausschreibungen: 38 Prozent (Vorjahr: 42%)

Ein möglicher Grund dafür ist, dass Unternehmen es vermeiden, in Zeiten von internen Kündigungen gleichzeitig öffentlich Stellen auszuschreiben – aus Angst vor Reputationsschäden.
Für HR-Abteilungen bedeutet das: Interne Talentpools und Networking-Möglichkeiten werden wieder entscheidender für die Personalgewinnung.

6. Lohndruck nach Kündigungen – besonders Ü50 betroffen: Früher konnten sich viele Gekündigte über Lohnerhöhungen in ihrer neuen Stelle freuen – dieser Trend ist 2024 gekippt:
•    Durchschnittliche Lohnveränderung nach Kündigung: -3 Prozent (Vorjahr: +3%)
•    25 Prozent der Gekündigten erhielten eine Lohnerhöhung, aber 23 Prozent mussten Einbussen hinnehmen

Besonders dramatisch sieht es für ältere Arbeitnehmer aus:

  • Ü50 verlieren nach einer Kündigung im Durchschnitt 14 Prozent ihres Salärs
  • 40–50-Jährige: 0 Prozent Veränderung
  • 30–40-Jährige: +5 Prozent Salärsteigerung

Das bedeutet, dass ältere Arbeitnehmende nicht nur schwerer eine neue Stelle finden, sondern auch häufiger mit Gehaltseinbussen rechnen müssen.

Dynamischer Arbeitsmarkt mit neuen Herausforderungen

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist 2024 geprägt von zunehmender Fluktuation, einer steigenden Zahl an Kündigungen – und gleichzeitig mehr Neueinstellungen. Während dies für viele Fachkräfte Chancen eröffnet, bleiben ältere Arbeitnehmende und Lohnentwicklungen problematische Themen.

HR-Teams sollten sich daher zunehmend auf folgende Trends einstellen:

  • Mehr Individualität im Trennungsmanagement: Unternehmen sprechen vermehrt Einzelkündigungen aus.
  • Erhöhte Bedeutung von Netzwerken: Der verdeckte Arbeitsmarkt gewinnt an Gewicht.
  • Zunehmende Altersdiskriminierung: Ältere Arbeitnehmende haben es schwerer und verdienen oft weniger.
  • Flexible Gehaltsstrukturen: Lohndruck steigt, besonders für ältere Fachkräfte.

Um in diesem Umfeld erfolgreich zu agieren, sind gezielte Outplacement-Massnahmen und eine strategische Talentmobilität wichtiger denn je.

Über von Rundstedt

Outplacement-Anbieter Von Rundstedt unterstützt Unternehmen und betroffene Arbeitnehmende bei der beruflichen Neuorientierung. Weitere Informationen unter www.rundstedt.ch

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Daniel Thüler

Daniel Thüler, Chefredaktor HR Today, daniel.thueler@hrtoday.ch

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