Arbeitsrecht

Berufliche Integration von behinderten Menschen

Damit der Grundsatz der Invalidenversicherung (IV) «Eingliederung vor Rente» wieder vermehrt wahrgenommen werden kann, bedarf es der Bereitschaft der Arbeitgeber, behinderte Menschen zu integrieren.

Die Integration in den Arbeitsprozess hat nicht nur materielle Vorteile, sondern bringt auch gesellschaftliche Anerkennung und persönliches Wohlbefinden. Lange Zeit gehörte es zum «guten Ton» einer Unternehmung, Menschen mit einer Behinderung zu beschäftigen. Unter dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld leiden nun aber insbesondere auch die behinderten Menschen, die bei der Stellensuche in direkter Konkurrenz mit Menschen ohne Arbeit stehen. Doch die unternehmerische und soziale Verantwortung bleibt bestehen.

Diese Verantwortung kann einerseits wahrgenommen werden durch Erteilung von Aufträgen an geschützte Werkstätten, andererseits durch Eingliederung von Behinderten im eigenen Betrieb. Diese Ausgabe soll – im „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen“ – über Integrationshilfen und –beiträge informieren, welche die Invalidenversicherung für die berufliche Eingliederung behinderter Menschen anbietet.

IV-Stellen

Zur Bewältigung ihrer umfassenden Aufgaben, wie z.B. Fragen im Bereich der Geburtsgebrechen, der Sonderschulung, der beruflichen Eingliederung, der Renten und Hilflosenentschädigung, verfügen die IV-Stellen über eine ausgebaute Infrastruktur mit Ärzten, Juristen, Sozialversicherungsfachleuten, Arbeitsvermittlungspersonal, Berufsberatern usw. Wenn nun ein Arbeitgeber behinderte Menschen beschäftigen oder weiterbeschäftigen möchte, empfiehlt es sich auf jeden Fall, zuerst das Gespräch mit den Eingliederungsfachleuten der IV-Stellen zu suchen. Bei passenden Angeboten kann er befristete Arbeitsversuche durchführen. Selbst nach absolviertem Arbeitsversuch im Betrieb ist der Arbeitgeber aber nicht verpflichtet, ein definitives Arbeitsverhältnis einzugehen.

Einige berufliche Eingliederungsmassnahmen

Erstmalige berufliche Ausbildung

Die Leistungen beschränken sich auf die nachgewiesenen invaliditätsbedingten Mehrkosten gegenüber einer gleichen Ausbildung für nichtbehinderte Personen. Anspruch haben Personen, welche noch nicht erwerbstätig waren und denen wegen Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung zusätzliche Kosten von mindestens 400 Franken im Jahr entstehen.

Umschulung

Die IV übernimmt sämtliche Kosten für die Umschulung auf eine den noch vorhandenen Fähigkeiten angepasste Tätigkeit.

Arbeitsvermittlung

Die Arbeitsvermittlung umfasst die Bemühungen der IV-Stellen, eingliederungsfähige, invalide oder von einer Invalidität unmittelbar bedrohte Personen bei der Suche nach einer geeigneten Stelle zu unterstützen. Die Leistungen beinhalten Beratung und konkrete Unterstützung bei Stellenbewerbungen und der Wahl geeigneter Einsatzmöglichkeiten. In Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber kann eventuell eine Umplatzierung im bisherigen Betrieb realisiert werden.

Arbeitsplatzgestaltung

Die IV übernimmt invaliditätsbedingte Mehrkosten für die Anpassung des Arbeitsplatzes auf die Bedürfnisse der behinderten Person.

Taggelder

Die Eingliederungsmassnahmen der IV werden durch Taggelder ergänzt. Anspruch auf Taggelder haben Versicherte erst, wenn sie das 18. Altersjahr vollendet haben.

Arbeitsvermittlung als Kernaufgabe

Der Arbeitgeber kann auf eine kompetente, schnelle und unkomplizierte Arbeitsvermittlung der IV-Stellen zählen. Eines der Hauptziele der Arbeitsvermittlung besteht darin, langfristig angelegte Arbeitsverhältnisse zu schaffen. In jedem Fall wird versucht, den Möglichkeiten der Unternehmung und jenen der Versicherten angepasste Lösungen zu verwirklichen. Die IV-Stelle sucht eine auf lange Dauer angelegte Beziehung zum Arbeitgeber mit dem Ziel, die Unternehmungsverantwortlichen in Sozialversicherungs- und Eingliederungsfragen zu unterstützen. In gegenseitiger Absprache werden Arbeitgeber und Versicherte auch nach erfolgter Eingliederung weiter unterstützt.

Fragebogen und Verrechnung von Nachzahlungen der IV

Wenn eine IV-Anmeldung einer versicherten Person, die bei Ihnen beschäftigt ist/war, erfolgt, erhält der Arbeitgeber von der IV einen Fragebogen. Darauf ist anzugeben, ob der versicherten Person während der Durchführung der von der IV übernommenen Eingliederungsmassnahmen trotz Arbeitsunfähigkeit weiterhin Lohn bezahlt wird. Ist dies der Fall, wird das der versicherten Person während dieser Zeit zustehende Taggeld direkt dem Arbeitgeber ausbezahlt.

Zudem ist anzugeben, ob der Arbeitgeber oder eine betriebliche Vorsorgeeinrichtung Vorschussleistungen ausrichten. Als Vorschussleistungen sind Geldleistungen zu betrachten, die weder auf Grund von vertraglichen noch von öffentlich-rechtlichen Bestimmungen geschuldet sind oder die zwar in diesem Sinn geschuldet wären, aber beim Zusammentreffen mit Invalidenrenten der IV nicht zu leisten wären bzw. gekürzt werden könnten. Ist dies der Fall, wird dem Arbeitgeber von der IV ein Verrechnungsformular zugestellt. Für die so genannte Drittauszahlung an den Arbeitgeber bedarf es aber der schriftlichen Einwilligung des Versicherten, es sei denn, es gehe aus einem anwendbaren GAV ein direktes Rückforderungsrecht gegenüber der AHV/IV hervor. Die Zustimmung kann rechtsgültig erst erteilt werden, nachdem der entsprechende Rentenbeschluss der IV-Stelle ergangen ist.

Kommentar

Anmeldungen für berufliche Eingliederungsmassnahmen sollen möglichst rechtzeitig eingereicht werden. Es gibt keine gesetzlichen Wartezeiten. Erfolgt die Anmeldung noch bei bestehendem Arbeitsvertrag, erhöht dies die Chancen der Wiedereingliederung.

  • Dieser Text entstammt der Publikation «Arbeitsrecht» Nr. 58 des Centre Patronal.
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Peter Schüpbach, lic. iur., ist verantwortlicher Redaktor der Publikation «Arbeitsrecht» des Centre Patronal.