Heft 5/2015: Arbeit und Recht

Beschäftigungsanspruch eines Berufssportlers

Bezirksgericht Dielsdorf, Urteil ET140003 vom 20.10.2014.

Das Urteil

Dem Captain der Zürcher Grasshoppers wurde im August 2014 von seinem Club (Arbeitgeber) mitgeteilt, dass er ab sofort und für unbestimmte Zeit aus disziplinarrechtlichen Gründen vom Spiel- und Trainingsbetrieb der 1. Mannschaft ausgeschlossen sei und dass er künftig mit der U-21 Mannschaft trainieren und spielen müsse. Der Captain machte beim Bezirksgericht erfolgreich die Verletzung seines Beschäftigungsanspruchs geltend und erwirkte im vorsorglichen Massnahmeverfahren eine vollständige Reintegration in die 1. Mannschaft. Zunächst bestätigte das Bezirksgericht den in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass Berufsportlern ein Beschäftigungsanspruch zusteht. Ein Profi-Fussballer mit einem Arbeitsvertrag als Captain darf davon ausgehen, dass er im Spielbetrieb der 1. Mannschaft eingesetzt wird, sofern seine sportlichen Leistungen genügend sind und er seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllt. Der Beschäftigungsanspruch geht soweit, dass der Profi-Fussballer sein Spielerniveau und seinen Marktwert halten kann. Es müssen qualifizierte Gründe, namentlich eine Betriebsstörung oder die Gefährdung des Betriebsfriedens, vorliegen, damit der Arbeitgeber den Einsatz des Profi-Fussballers in der 1. Mannschaft verweigern kann.

Sodann setzte sich das Bezirksgericht eingehend mit der Abwägung der Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber bezüglich des geltend gemachten Beschäftigungsanspruchs auseinander. Das Bezirksgericht stellte fest, dass es dem Arbeitgeber nicht gelungen sei, glaubhaft zu machen, dass der Einsatz des Spielers in der 1. Mannschaft derart störe, dass der sportliche Erfolg der Mannschaft gefährdet sei. Es sei zwar nicht auszuschliessen, dass ein gerichtlich erzwungener Einsatz des Profi-Fussballers in den Trainingseinheiten eine zusätzliche Belastung für den Arbeitgeber darstelle. Genauso bestehe jedoch die Möglichkeit, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wiederhergestellt werden könnte. Aufgrund dieser Interessenabwägung kam das Bezirksgericht zum Ergebnis, dass die unbefristete Suspendierung eines Profi-Fussballers vom Spielbetrieb der 1. Mannschaft aus disziplinarischen Gründen ungerechtfertigt und unverhältnismässig ist.

Konsequenz für die Praxis

Da sich die Frage der Verletzung des tatsächlichen Beschäftigungsanspruchs meistens im Zusammenhang mit der sog. Freistellung im Kündigungsfall stellt, dürfte sich ein solcher Beschäftigungsanspruch in der Praxis – im Gegensatz zum vorliegenden Urteil – eher selten auf dem Prozessweg durchsetzen lassen. Wird ein tatsächlicher Beschäftigungsanspruch missachtet, führt dies i. d . R. auch zu einer Verletzung der arbeitgeberischen Fürsorgepflicht, d. h. in der Praxis dürften Arbeitnehmer mit einem tatsächlichen Beschäftigungsanspruch primär auf die prozessuale Geltendmachung von Schadenersatz- und allfälligen Genugtuungsansprüchen verwiesen sein.

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Gloria Eschenbach, lic. iur. Rechtsanwältin, ist Partnerin und Leiterin der Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts. www.obt.ch

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