Heft 5/2015: Berufsbildung

Das sagen die Praktiker

In einer branchenübergreifenden Umfrage geben die Berufsbildungsverantwortlichen von McDonald's, UPC Cablecom und Lidl Schweiz sowie der Geschäftsführer des Ausbildungsverbundes der industriellen Berufslehren Libs und der Direktor vom Zürcher Waidspital 
Auskunft über Freud, Leid und Perspektiven in der Arbeit mit Lernenden. Ein Stimmungsbild.

Befragt nach der Motivation, Lehrlinge auszubilden, fällt branchenunabhängig ein Begriff auffallend oft: «Soziale Verantwortung». Sowohl Steffen Volz, People Development Manager von McDonald's, als auch Christine Hauser, People Business Partner Apprenticeship bei UPC Cablecom, und Marco Monego, Leiter Personalentwicklung & Rekrutierung von Lidl Schweiz, führen das soziale Gewissen ins Feld.

Doch ganz selbstlos ist das Engagement in der Berufsbildung dann auch wieder nicht. So ist gemäss Christine Hauser die Nachwuchsförderung für Cablecom nichts weniger als die «Basis unserer betrieblichen Zukunft». Und Lidls oberster 
Personalentwickler Marco Monego begründet die Investition in die Berufsbildung folgendermassen: «In unseren Unternehmensgrundsätzen ist verankert, dass wir weiterführende 
Positionen primär intern besetzen. Wir möchten unsere Führungskräfte von morgen ausbilden.»

Vom Kampf mit der Quote

Die drei genannten Firmen befinden sich mit Lehrstellenquoten von 1 Prozent (McDonald's), 2 Prozent (Lidl) und 3 Prozent (UPC Cablecom) allerdings unter dem Schweizer Durchschnitt, der bei rund 5 Prozent liegt. «Wir sind dem Fernmeldegesetz unterstellt und verpflichtet, dass 3 Prozent unserer Gesamtbelegschaft Lernende sind. Das erfüllen wir mit 44 Lernenden auf 1500 Mitarbeitende», erklärt Christine Hauser von UPC Cablecom. Marco Monego signalisiert derweil, dass man bei Lidl gewillt sei, die Lehrstellenquote zu steigern: «Wir befinden uns im Aufbau der Berufsbildung. Mit dem Konzept ‹Vom Lernenden zum Geschäftsführer› haben wir die Grundlage gelegt, wie sich ein Lernender ohne Studium bis in die oberste Kaderebene hocharbeiten kann.» Ähnlich tönt es bei McDonald's: «In der Systemgastronomie fehlt momentan noch die Möglichkeit, eine Berufsmatura und einen Berufsabschluss nach Artikel 41 anzubieten. Hier gibt es noch ein riesiges Potenzial.» Dabei habe man bei McDonald's zurzeit mehr offene Lehrstellen als Bewerbungen. «Schade, dass wir das Potenzial noch nicht ganz ausschöpfen können.

Akademisierungsfrust

Mit einer Quote von 6,9 Prozent führt die ABB als grösster Partner des Ausbildungsverbundes Libs die Rangliste der 20 wichtigsten börsenkotierten Unternehmen der Schweiz an, wie anfangs März die Wirtschaftsredaktion des Schweizer Fernsehens ermittelt hat. Geschäftsführer Ingo Fritschi: «Unser Ausbildungsverbund mit rund 88 Mitgliedsfirmen engagiert sich überdurchschnittlich in der Ausbildung. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, für unsere Mitglieder den besten Nachwuchs zu entwickeln.» Allerdings bereitet ihm Sorgen, dass «Eltern und Gesellschaft die hervorragenden Möglichkeiten und Entwicklungswege massiv unterschätzen». Grösstes Ärgernis ist auch für Spitaldirektor Lukas S. Furler «der schleichende Statusverlust der Berufslehre als Alternative zur Maturität und einer akademischen Bildung». Mit 9,5 Prozent ist das Zürcher Stadtspital Waid unter den von HR Today befragten Unternehmen der «Quotenkönig». Spitaldirektor 
Lukas S. Furler sieht in der Lehrlingsausbildung einerseits «die nachhaltigste Strategie, um dem Fachkräftemangel zu begegnen», anderseits diene sie der «Sicherung einer hohen Qualität bei der Leistungserbringung».

Jugend von heute

Die zunehmende Akademisierung führen derweil auch Steffen Volz und Marco Monego als Frust an. Zudem werde immer früher rekrutiert, stellt Monego fest: «Die Schüler müssen sich schon früh um begehrte Lehrstellen kümmern.» Christine Hauser sieht die Lernenden heute mit gestiegenen Ansprüchen konfrontiert: «Die Konkurrenz ist grösser geworden und die Lernenden müssen sich mehr beweisen.» Die Jugendlichen seien heute «sehr flexibel und Technik-affin, zeigen sich aber teilweise verantwortungsscheu», so ihre Diagnose. «Sie bringen viel Selbstbewusstsein mit, fordern einiges, haben aber wenig Biss», beobachtet Marco Monego, während Ingo 
Fritschi dem Nachwuchs als Stärken «breiteres Wissen und Offenheit für Neues» attestiert, als Schwäche jedoch eine gewisse «Überforderung durch Reizüberflutung» wahrnimmt. 

Rolle von Eltern, Schule, Institutionen

Wie sehen die Berufsbildungsverantwortlichen die Rolle der Eltern, Schule und Institutionen? «Die Oberstufe sollte 
intensiver auf den Wechsel in die Lehre vorbereiten», meint Christine Hauser. «Viele Eltern erziehen zur Selbständigkeit, manche nehmen aber auch zu viel ab oder interessieren sich gar nicht.» Für Spitaldirektor Furler ist klar: «Erziehung kann in elementaren Punkten nicht an den Lehrbetrieb delegiert werden.» Marco Monego bedauert: «Das Schulfach Deutsch gerät schmerzlich in den Hintergrund.» Er wünscht sich zudem eine «engere Zusammenarbeit der Institutionen und weitere Stärkung und Positionierung der Berufsbildung auch im internationalen Bereich». Der Wunsch nach einer intensiveren Abstimmung mit dem internationalen Umfeld wird auch von Lukas S. Furler und Christine Hauser geteilt. Sie fordert neben einer Vereinheitlichung der Berufsbildung in der gesamten Schweiz, sich dem internationalen Vergleich zu stellen – 
namentlich betreffend Titel der Berufsabschlüsse.

Und was zeichnet einen guten Lehrmeister aus? Marco 
Monego: «Auf jeden Fall eine grosse Portion Herz, Engagement und Geduld.»
 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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