Interkulturelle Kompetenz

In den Emiraten zählen Respekt und Ausdauer

2005 gründeten zwei Schweizer innerhalb von wenigen Tagen die Firma Swissway in Dubai. Sie lernten, dass es für den Aufbau von Geschäftsbeziehungen in arabischen Ländern Zeit braucht – viel Zeit. So arbeiten sie vor Ort bis heute mit Partnern statt mit eigenem Personal. Nach drei Jahren beharrlichen Bohrens beginnen nun die ersten Quellen zu sprudeln.

Mit Internetlösungen für mittlere und grosse Unternehmen hat sich die 1999 gegründete Firma Nextage im Raum Luzern etabliert. Spontan und mit viel Tempo gingen zwei ihrer Geschäftsführer vor drei Jahren daran, die Boomtown Dubai für sich zu erobern. «Als wir erstmals die Möglichkeiten der Freihandelszonen beim Surfen im Internet entdeckten, buchten wir noch am selben Abend den ersten Flug», erzählt Marco Eggenschwiler, 31. Die Gründung ihrer Firma Swissway  brachten die beiden bald darauf innert zehn Tagen über die Bühne. «Das war Rekordzeit», lacht Remo Schilliger, 34, und gibt zu, dass neben Beharrlichkeit auch der gezielte Einsatz von «Swiss Chocolate»-Präsenten hilfreich war.

Viele Begegnungen schaffen eine vertrauensvolle Verhandlungsbasis

Schnell entstanden Kontakte zu Geschäftspartnern vor Ort, meist Deutsche oder Schweizer, darunter auch ausgewanderte. Manche der Europäer, die schon lange in der Region leben, sind sogar zum Islam konvertiert. Daraus ergibt sich eine Herausforderung im Umgang mit diesen Geschäftspartnern: «Man weiss zu Beginn nicht, ob sie noch europäisch denken und handeln oder wie weit sie den Dubai-Groove angenommen haben», sagt 
Eggenschwiler. Dubai-Groove – das heisst, dass nach arabischer Sitte zunächst eine menschliche Beziehung aufgebaut wird, mit vielen Gesprächen bei Tee und Wasserpfeife. Erst wenn eine vertrauensvolle Basis da ist, redet man über Geschäftliches. «Soeben haben wir eine Kooperation mit einem Shopping-TV-Sender vereinbart», erzählt Eggenschwiler, «begonnen hatten die Gespräche aber schon vor zwei Jahren.» Immer wieder habe es Treffen gegeben, oft ohne erkennbaren Fortschritt des Projekts. «Am Anfang war es sehr ungewöhnlich, sich ohne konkrete Verhandlungsziele zu treffen.»

Zum Dubai-Groove gehört auch, dass Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Zahlungsmoral eher leger gehandhabt werden, ergänzt Schilliger. Und dass es eine Menge ungeschriebener Gesetze gibt. Eines der wichtigsten davon: den (einfluss-)reichen Einheimischen mit grösstem Respekt begegnen und sie bevorzugt behandeln. Gegen die wilden Geschichten aus der in Dubai brodelnden Gerüchteküche seien die eigenen Erfahrungen aber vergleichsweise harmlos, allenfalls ärgerlich. Etwa dass Gratisdienstleistungen ohne Vorwarnung kostenpflichtig werden. Oder dass für die Übersetzung ein und desselben amtlichen Dokuments unterschiedliche Tarife verlangt werden.

Dass sich in Dubai einiges in Grauzonen abspielt und im Ungefähren bleibt, kann aber auch von Vorteil sein. So hat Swissway inzwischen Kunden ausserhalb der Freihandelszonen, was eigentlich nicht erlaubt ist, und importiert nun auch Schweizer Qualitätswaren. Grossen Erfolg versprechen sich die Unternehmer von einem speziell für den arabischen Raum kreierten Luxusprodukt, das bei der C. Mettler GmbH im aargauischen Hornussen hergestellt wird: einer Seife aus edelsten Rohstoffen und glitzernden Goldbestandteilen.

Dass Swissway bis heute kein Personal vor Ort beschäftigt, hat verschiedene Gründe. Einer davon: Das örtliche Personal ist in der Regel wenig selbständig und braucht viel Kontrolle; dies konstatiert auch ein Länderbericht des deutschen IFIM-Instituts, der auf Interviews mit deutschen Fach- und Führungskräften in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudiarabien beruht. Ein weiteres Problem ist die Höflichkeit, die es asiatischen Mitarbeitenden verbietet, Nein zu sagen. «Sie können nicht einfach fragen ob eine Aufgabe 
verstanden wurde», sagt Eggenschwiler, «sondern müssen die Fragestellung überdenken oder immer wieder nachprüfen, ob wirklich das gemacht wird, was Sie erwarten.» Schwierig ist auch die hohe Fluktuationsrate. Es ist leicht, neue Mitarbeitende zu finden: «Jeden Tag bekommen wir mindestens zwei Bewerbungen per E-Mail», sagt Schilliger. Aber es ist schwer, gutes Personal zu halten: «Ein Angestellter einer Bekannten verschwand über Nacht. Wahrscheinlich ist er in seine Heimat zurückgekehrt oder hat vor Ort eine besser bezahlte Arbeit gefunden.»

Suche nach wirtschaftlichem 
Neuland in der arabischen Welt

So wird die Swissway-Präsenz in Dubai bis heute von zwei deutschen Partnern gewährleistet, die via E-Mail und Videokonferenz in ständigem Kontakt mit der Schweiz stehen. Zu wichtigen Besprechungen fliegen Eggenschwiler und Schilliger abwechselnd jeden Monat für ein paar Tage nach Dubai. Ausser zwischen Juni und August, wenn es in der Stadt bis zu 50 Grad heiss wird und die meisten Europäer in ihre Heimat flüchten. Die beiden Schweizer sind überzeugt, dass sich das Engagement in Dubai gelohnt hat. Nicht zuletzt, weil dadurch ihre Offenheit und ihre Neugier auf wirtschaftliches Neuland noch verstärkt wurden. Demnächst hat Remo Schilliger einen Termin beim Handelsattaché der Schweizer Botschaft im Iran, der Flug nach Teheran ist bereits gebucht.

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Martin Winkel

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