Video-Porträt: Nicole Jessica Iseli

Die Abenteurerin

Nicole Jessica Iseli übernahm Führungsfunktionen in einem Alter, in dem andere noch studieren und rutschte über verschiedene Stellen in HR-Leitungsfunktionen. Heute leitet sie beim Metallverarbeiter Imbach & Cie verschiedene HR-Projekte und verantwortet die HR-Administration in einer Co-Leitung. Damit trat sie bewusst einen Schritt zurück.

«Bum, bum, bum», der riesige Vorschlaghammer der Presse kracht mit ohrenbetäubendem Lärm auf das orange-gelbe glühende Werkstück, während Funken wild umher sprühen und beinahe jegliche Konversation verunmöglichen. Metall, Maschinen-Ölgeruch und Schutzausrüstung: Das ist seit März 2022 die Welt von Nicole Jessica Iseli, die beim Schmiedeunternehmen Imbach & Cie im luzernischen Nebikon die HR-Administration in einer Co-Funktion ausübt und verschiedene, HR übergreifende Projekte leitet. Das Geschäft mit Metallteilen liegt ihr im Blut: «Schon mein Grossvater war Giesser», sagt Iseli. Es sind nicht nur Kindheitserinnerungen, die sie in der Metallbranche halten: «Ich arbeite auch mit vielen bodenständigen Menschen zusammen, die stolz darauf sind, was sie produzieren.» Auch ihr ist dieser Stolz auf die hergestellten Metallteile anzumerken, die unter anderem als Komponenten in Flugzeugen oder in medizintechnischen Geräten verbaut werden.

HR im Sharing

Ihren Job im HR teilt Iseli mit Nathalie Wyss einer Kollegin, die in einem 60-Prozent-Pensum als HR-Co-Verantwortliche und GL- und VR-Assistenz mehrere Funktionen innehat. Das trifft auch auf die 80-Prozent-Stelle von Iseli zu: Als HR Business Partnerin kümmert sich die 40-Jährige seit März 2022 um die Belange von Mitarbeitenden und Vorgesetzten, verschlankt als Projektleiterin Unternehmensprozesse, organisiert Firmen-Workshops zur Visionsfindung und führte kürzlich ein Pendenzentool ein. Die Verantwortung für die Kommunikation übernahm Iseli, «weil man im Projektmanagement sowieso ständig intern und extern kommunizieren muss». Als ob das nicht genug wäre, arbeitete sie bis Ende Februar 2023 freitags jeweils 20 Prozent bei ihrem alten Arbeitgeber, der in der Metall- und Maschinenbaubranche angesiedelten Gipo. Das, um ein Lean-Management-Projekt zu Ende zu bringen. Auf zwei Hochzeiten zu tanzen, ist ein Arrangement, das Iseli zusagt. «So kann ich viel lernen und manches jeweils im anderen Unternehmen adaptieren.» 

Die meisten HR-Karrieren verlaufen von unten nach oben und gipfeln in einem «Chief Human Resources Officer», in einer «HR-Leiterin» oder einer «Head of HR». Nicht so bei Iseli. Beim Wechsel von der Gipo zu Imbach & Cie verzichtete sie auf eine weitere Führungsfunktion. «Vor meiner Anstellung bei Imbach & Cie arbeitete ich jahrelang zwischen 10 und 12 Stunden pro Tag, manchmal noch länger. Irgendwann ging das nicht mehr.» Deshalb suchte und fand sie bei Imbach & Cie «eine Stelle, bei der ich meine Fähigkeiten einbringen kann, angehört werde und einen Einfluss auf das Geschäft habe». Keinen Einsitz mehr in der Geschäftsleitung zu haben, ist für jemand Quirliges wie Nicole Jessica Iseli trotz dieser Beteuerung nicht immer leicht: «Vieles dauert länger, als mir lieb ist.» Ein Beispiel? «Projektpläne müssen von der Geschäftsleitung bewilligt werden. Da verstreichen manchmal Wochen.»

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Imbach Cie

«Schon mein Grossvater war Giesser»: NDie HR-Leiterin von Imbach & Cie hat einen engen Bezug zur Metallbranche und schätzt deren Bodenständigkeit. (Bild: Aniela Lea Schafroth)

Junge Führungsfachfrau

Iseli ist erst zwanzig Jahre alt, als sie 2003 nach ihrem Wirtschafts-Mittelschulabschluss erste Führungserfahrung als stellvertretende City Disc-Leiterin der Filialen in Luzern und Emmen sammelte. Das Führen und der Detailhandel «packen» Iseli. «Menschen zu beraten und mit ihnen zu interagieren, machte mir Spass.» Dennoch schlummern in ihr noch andere Träume. Zum Beispiel das Reisen. Sie kündigte Anfang 2005 und reist zusammen mit der Lebenspartnerin ihres Vaters in die Dominikanische Republik, um deren Tochter zu besuchen. Iseli will nur Ferien machen, doch nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft erhält sie ein Jobangebot: Touristen in Deutsch und Englisch unterrichten. Sie sagt zu und bleibt zehn Monate.

Zurück in der Schweiz orientiert sie sich neu und startet als Filialleiterin und Modeberaterin bei Yendi in Horw. Dort langweilt sie sich jedoch bald: «Ich räumte hundert Mal am Tag Kleider um, weil kaum mehr Kundschaft in den Laden kam.» Iseli schaut sich um und kommt zum Schluss: «Ich will ins Büro.» 

Das gelingt ihr bei der Zentralbahn AG in Stansstad, wo sie als Assistenz beim Empfang beginnt und langsam in administrative HR-Aufgaben hineinwächst. Nach dem tödlichen Unfall ihres Vorgesetzten kommt es zum Chefwechsel. Iseli soll wieder vermehrt Assistenzaufgaben übernehmen und ihre HR-Aufgaben abgeben. «Das wäre ein Rückschritt gewesen. Das wollte ich nicht.» Erneut schaut sie sich um und wechselt Anfang November 2008 «nahtlos» zur Personalberaterin Go Swiss Personal, wo sie Firmenkunden berät, Fachpersonal vermittelt und beim Aufbau einer professionellen HR Abteilung mithilft. Doch dort droht erneutes Ungemach: Nach einem halben Jahr schliesst die Muttergesellschaft den Betrieb, da das Geschäft mit der Vermittlung von Führungskräften zu langsam vorangeht. Das Ende kommt für Iseli jedoch nicht sofort: «Ich arbeitete noch eine Weile bei der Muttergesellschaft – der Go Swiss Group, aber nicht mehr in der Beratung.» Grund genug, sich erneut auf die Suche zu begeben. Bald tut sich eine neue Chance auf als ­Beraterin beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV in Sursee. Auch das ist der Konjunktur geschuldet: «Es gab damals unheimlich viele Stellensuchende. Deshalb brauchten die RAV auch viele ­Beratende.» Eine spannende Zeit für Iseli, zumal viele ihrer ­ehemaligen Klienten heute zu ihrem Freundeskreis gehören.

Kurz und bündig

Nicole IseliErholung
Ich entspanne mich beim Tauchen. Seit fünf Jahren tauche ich und bin seit gut einem Jahr im Vorstand der Abfalltaucher und helfe zwölf Mal im Jahr mit, Bäche, Flüsse und Seen in der Schweiz zu reinigen. Wir finden alles Mögliche in den Gewässern: von Flaschen über Schuhe bis hin zu Waschmaschinen. ­Ausserdem gebe ich am Wochenende Schnuppertauchstunden für Kinder.

Das macht mir Freude
Ganz klar Pop, da steckt für mich der Rhythmus drin, den ich brauche.

Vorbild
Mein Vater. Er ist ein Mensch, der seinem Herzen folgt und dabei nie falsch lag. Er lebt sein Leben und hat seine Träume verwirklicht. Beispielsweise jenen, als er mit 20 Jahren in Afrika Safaris leitete. Die Abenteuerlust bekam ich in die Wiege gelegt.

Lieblingsbuch
Der kleine Prinz. Es ist ein hoffnungs­volles Buch, das zeigt, worum es im Leben wirklich geht. Es lehrt Demut und zeigt, weshalb die Welt mehr so sein sollte, wie Kinder sind.

Büro oder Homeoffice?
Eine Kombination aus beidem. Wenn ich wählen muss, eher das Büro, weil ich dann näher am Puls der Menschen bin.

Nach dem Tief ins Hoch

Doch auch hier zeigte sich das Auf und Ab der Wirtschaft: Die Konjunktur zog an, die Zahl der Arbeitslosen sank und die RAV bauten die beim Amt zuvor geschaffenen Stellen wieder ab. Iseli geht freiwillig: «Ich wollte nicht, dass eine meiner Kolleginnen oder meiner Kollegen über die Klinge springen müssen. Ich wusste so oder so, dass dies nicht mein Job bis zur Pensionierung sein würde.» Über einen Personalvermittler findet sie ihre nächste Arbeitgeberin: die Gysi AG. Sie kürzt ihre Kündigungszeit in Absprache mit dem Amt und beginnt im Mai 2011 bei der Metallverarbeitung als Leiterin Personal und Administration und übernimmt damit die Verantwortung für 120 Mitarbeitende.

Von einer Einarbeitung profitierte sie nicht: Die HR-Leiterin fiel gesundheitsbedingt aus. Da ihre Arbeit wenig dokumentiert war, leistete Iseli in ihrer ersten Arbeitswoche Feuerlöscharbeit: «Ich musste zusammen mit der IT herausfinden, wie die Löhne im System abgerechnet werden.» Dennoch kommt alles gut, auch mit einem Tag Verspätung. Angst vor Versagen kennt Iseli nicht: «Ich habe ein gesundes Selbstvertrauen und wusste, dass ich auch mit dieser Situation umgehen kann.» Diese Haltung hilft ihr auch beim Aufbau des HR, das bis dahin nur rudimentär existierte: «Vieles war undokumentiert. Es gab beispielsweise einige Mitarbeitende ohne Arbeitsvertrag.» Trotz ihrer vielen Aufgaben schliesst Iseli noch während ihrer Einarbeitungszeit den eidgenössischen Fachausweis zur HR-Fachfrau ab. Eine Weiterbildung, die sie als RAV-Beraterin in Angriff nahm.

Länger bleiben, als nötig

Auf ihre Beförderung zum Mitglied der Geschäftsleitung ist die damals 30-Jährige trotz ihres Einsatzes 2013 nicht vorbereitet: «Ich konnte anfänglich bei vielen Themen nicht mitreden. Beispielsweise, als über Kostensätze oder Durchlaufzeiten gesprochen wurde. Deshalb musste ich vieles googeln, belegte Kurse zu betriebswirtschaftlichen Themen und las viele Bücher.» Ihr Glück: «Der CEO war mein Mentor und hat mich stark gefördert.» Doch das reicht Iseli nicht: «Ich engagierte einen Coach.» Alles hätte so weitergehen können, doch 2018 steht das bisher inhabergeführte Unternehmen zum Verkauf. Iseli bleibt bis zum Schluss, als alle anderen Geschäftsleitungs-Mitglieder bereits gegangen sind. Dann ist es auch für sie soweit. Iseli kündigt, bleibt aber noch ein halbes Jahr, um eine «saubere Übergabe» zu machen. Als nächstes steht ein Abstecher zum See-Spital Horgen als Stellvertretung des HR-Leiters auf dem Plan. Eine Stelle, zu der sie durch ihren ehemaligen Chef bei der Go Swiss Personal Beratung kommt und dort das HR Business Partner Modell aufbaut.

Doch der rasche Übergang bringt auch Nachteile: «Ich fühlte mich nicht erholt. Nach sieben Jahren bei der Gysi AG brauchte ich einfach eine Pause.» Den Wunsch, an einem Meeresschutzprojekt mitzuwirken, schiebt sie aufgrund der neuen Stelle beim Seespital auf. «Als sich nach einem Jahr jedoch abzeichnete, dass ich mir diese Zeit für mich nicht nehmen kann, kündigte ich.» Gesagt, getan: von November 2019 bis Januar 2020 engagiert sich Iseli bei der Organisation Gap Force England in Costa Rica, forstet Mangroven auf, nimmt an Strand-Clean-ups teil, beteiligt sich an Fisch- und Riffstudien, macht eine Ausbildung zum Dive-Master, belegt Kurse in Meeresbiologie und frischt nebenbei ihre Englisch- und Spanischkenntnisse auf.

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Nicole Iseli

Nicole Jessica Iseli hatte es nicht immer einfach als junge Führungskraft.(Bild: Aniela Lea Schafroth)

Veränderung verlangen, ohne sie zu wollen

Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz findet Iseli eine Temporärstelle im HR über Beziehungen. «Ich kannte die HR-Leiterin, da deren Betrieb ein Kunde von Gysi war.» Sie nimmt das Angebot an und rekrutiert während vier Monaten. Doch das ist ihr auf Dauer zu langweilig. Deshalb wechselt sie im Mai 2020 zum Maschinenbauunternehmen Gipo, wo sie die HR-Leitung übernimmt und Geschäftsleitungsmitglied wird. In der 220 Köpfe zählenden Firma hat Iseli «freie Hand». Sie kann dort viel bewegen, Bereiche und Abteilungen neu strukturieren und strategisch mitwirken. Doch es kommt in der Geschäftsleitung zu einer Patt-Situation: «Der Auftrag, den der VR und die Inhaberschaft mir übermittelten und die an mich gestellten Erwartungen waren praktisch nicht umsetzbar.» Der Grund? «Nicht alle in der Geschäftsleitung schauten strategisch in dieselbe Richtung.» Etwas verändern zu wollen, ohne es zu können, ist nicht Iselis Ding. Nach vielen Gesprächen kündigt sie und verlässt das Unternehmen im Februar 2022 – und kommt über eine Stellenausschreibung im März 2022 zur Imbach & Cie.

Imbach & Cie AG

Das 1889 gegründete Familienunternehmen stellt hochwertige Metallkomponenten her, die als sicherheitsrelevante Bauteile beispielsweise in der Luftfahrt oder im Bahnverkehr aber auch in der Forschung ihren Einsatz finden. Der ­Familienbetrieb wird in fünfter Generation von ­Sandra Imbach geleitet und beschäftigt aktuell rund 90 Mitarbeitende sowie zehn Lernende am Sitz in Nebikon, Luzern.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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