Anreizsysteme

Die Altlasten des Lohnsystems entsorgt

Ändert sich der Arbeitsmarkt, kann das innerhalb eines 
Unternehmens zu Lohnungerechtigkeiten führen. Zum Beispiel, wenn die unerfahrenen, aber begehrten Jungen 
die alten Hasen überholen. Die Hitachi Zosen Inova hat das 
Problem angepackt und erarbeitet ein neues Lohnsystem.

Vom idealen HR-Leiter wird bekanntlich gefordert, dass er beim Business seiner Firma mitreden kann. Beim Director Human Resources der Hitachi Zosen Inova AG, die 360 Mitarbeitende beschäftigt, ist diese Forderung erfüllt: Daniel Spielmann ist, abgesehen von einem kurzen Unterbruch, seit 20 Jahren im Unternehmen, die meiste Zeit in seinem ursprünglichen Beruf als Verfahrensingenieur. Er versteht also das Kerngeschäft, thermische Abfallbehandlungsanlagen, von A bis Z.

Gärungsprozesse in der trüben Suppe

Will Daniel Spielmann den Mitarbeitern einen HR-Prozess eingängig nahebringen, so kann es deshalb vorkommen, dass er diesen mittels eines Abfallverwertungsprozesses veranschaulicht. So geschehen Ende Februar, als er einem Grossteil der Belegschaft das Salärsystem anhand einer Abfallverbrennungsanlage erklärte: Der HR Director zeigte auf, dass sich beim aktuellen Lohnmodell, analog zum Brennstoff im Bunker, Mängel angesammelt hatten. Die trübe Suppe bestand aus folgenden Punkten:  

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Das wichtigste Kriterium fürs Salär war bisher das Alter.
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Nicht alle Funktionen waren im aktuellen Salärsystem abgebildet.
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Gleiche Funktionen waren teilweise unterschiedlich im Salärband eingestuft.
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Das Salärmodell wurde bisher nicht offengelegt.
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Die Salärhoheit lag nicht vollständig beim HR.

Zu den oben erwähnten Punkten kam der Fachkräftemangel in der Branche hinzu. Da bei Ingenieuren der Mangel auf dem Markt besonders zu spüren ist, kam es in den vergangenen Jahren vermehrt vor, dass Leute mit wenig Erfahrung eingestellt wurden, die von Beginn weg mehr verdienten als Leute, die diesen Job schon längere Zeit machten. Das sorgte in der trüben Suppe des bisherigen Salärsystems für Gärungsprozesse, sprich: für wachsenden Unmut. «Die Mitarbeiter fragten sich zu Recht, wie das Salär definiert wird», sagt Daniel Spielmann.

Abfall geht rein, Energie kommt raus

Als der Ingenieur vor zweieinhalb Jahren die HR-Leitung übernahm, gehörte zu seinen Zielen, ein modernes Lohnsystem einzuführen. Oder anders gesagt: Der Abfall sollte durch einen Verbrennungs- und Abgas-Behandlungsprozess, während dessen Energie gewonnen werden konnte, und an dessen Ende saubere Luft übrigblieb. Damit die Angestellten also keine Energie mehr auf das aktuelle, vielen als ungerecht erscheinende Modell verwenden müssen, wurde ein neues Konzept erarbeitet. Es soll sicherstellen, dass in vergleichbaren Funktionen vergleichbare Löhne bezahlt werden, dass der Markt wie auch die Leistung und Kompetenz des Mitarbeiters berücksichtigt werden. Konkret besteht das neue Konzept aus drei Komponenten:

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Funktionssalärband
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Kompetenzmatch: Wie weit füllt die betreffende Person ihre Funktion aus?
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Peer-Vergleich: Vergleichbare Funktionsinhaber innerhalb der Organisation werden miteinander verglichen.

Höhere Gesamtlohnsumme

Im Februar und März liefen die letzten Arbeiten am neuen Salärsystem: Die Salärbänder wurden festgelegt, gemeinsam mit einem externen Salärexperten ein Kompetenzmodell finalisiert (dafür wurden zuvor rund 150 Funktionen innerhalb der Firma neu definiert), es fanden interne Analysen statt, und es wurden Arbeitsinstrumente und Hilfsmittel aufbereitet.

Ab April sind die Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern angesetzt, und wo Bedarf besteht, findet rückwirkend auf 1. Januar 2013 eine Lohnanpassung statt. Gemäss dem neuen System lässt sich grob sagen: Wer neu in einer Funktion ist, verfügt in der Regel noch nicht über alle geforderten Kompetenzen und liegt daher eher tief im Salärband. Wer seine Funktion gut ausfüllt, liegt in der Mitte, und wer als Vorbild gelten kann, weil die geforderten Kompetenzen übertroffen werden, liegt im oberen Bereich.

«Ich gehe davon aus, dass die meisten unserer Angestellten ein angemessenes Salär erhalten», schätzt Daniel Spielmann die Situation ein. Bei den Mitarbeitenden, wo dies nicht der Fall ist, wird der Lohn entweder gegen oben angepasst oder aber, wenn der Lohn zu hoch ist, auf diesem Niveau eingefroren. «Mit solchen High Performern werden wir anschauen, ob sie sich allenfalls in eine neue Funktion weiterentwickeln möchten», so Spielmann. Gegen unten werden die Löhne nur dann angepasst, wenn eine Person von einer höheren in eine tiefere Funktion gerutscht ist und das Salär beibehalten wurde. «Abgesehen von diesem Fall werden wir keine Löhne senken. Das würde nur für Unruhe sorgen und wäre kontraproduktiv.»

Das neue Salärsystem, das einzig CEO, CFO und CTO ausklammert, wird also im Endeffekt zu einer höheren Gesamtlohnsumme führen. Wobei die Firma, verglichen mit anderen in der Branche, bereits jetzt durchschnittlich zwei Prozent höhere Löhne zahlt – der Durchschnitt 
der Bruttojahressaläre lag bei der Hitachi Zosen Inova bisher bei rund 116 000 Franken (exklusive Bonus).

Keine Sonderkonditionen mehr

Zusammen mit dem Lohnsystem wird sich 
Daniel Spielmann das Bonussystem vornehmen. Steht ein einheitliches Salärsystem erst einmal fest, ist es fürs HR auch einfacher, die Salärhoheit für sich zu beanspruchen. Dann können Linienvorgesetzte nicht mehr Sonderkonditionen fordern, wenn sie jemanden einstellen möchten. Die Löhne werden auf dem Markt weiterhin regelmässig analysiert, damit die Lohnbänder aktuell bleiben und sie somit gegenüber der Linie vertreten werden können.

Ebenfalls auf der To-do-Liste des HR Directors stehen Anreize, die nicht auf der Lohnabrechnung zu finden sind. Die Firma ist bereits ein attraktiver Arbeitgeber, bezahlt Wegentschädigung und Verpflegungszulage, bietet gute Pensionskassenbedingungen, Garderoben und Duschen für Sportler, Parkplätze sind subventioniert, NBU/BU sind privat versichert und in einer internen Akademie können fachliche Ausbildungen, aber auch Soft-Skills- und Sprachkurse belegt werden.

Daniel Spielmann will nun für die Zukunft ein bis zwei Tage pro Woche Home-Office anbieten und mehr Teilzeitarbeit ermöglichen: «Wir sind ein reines Ingenieurbüro, wir brauchen fortschrittliche Ansätze in der Personalpolitik, um weiterhin talentierte Fachkräfte gewinnen zu können.» Der Know-how-Austausch von und nach Japan ist ein übergreifendes Ziel, das den Mitarbeitenden ebenfalls Ende Februar kommuniziert wurde (das Unternehmen, ehemals Von Roll Inova, schaffte es vor zweieinhalb Jahren dank der japanischen Übernahme knapp an der Insolvenz vorbei). Vorstellen kann sich Spielmann ferner Work-Life-Balance-Kurse für Führungskräfte, auch um Burnout-Anzeichen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Schritte einzuleiten.

Mehr Klarheit über die Karriere

Angedacht ist auch ein in die Karriereplanung integriertes Talentmanagement. Dafür wurden bereits 16 Jobfamilien innerhalb der Firma definiert, anhand welcher den Mitarbeitern aufgezeigt werden kann, wie aufgrund ihrer Funktion eine «normale» Karriere aussehen würde und welche anderen Bereiche auch noch für eine Weiterentwicklung in Frage kommen.

Daniel Spielmann hat seinen Job als HR Director Ende 2010 angetreten und damit viele Herausforderungen angenommen – darunter die schon seit längerem für Unmut sorgenden offenen Themen im Personalwesen. Zusammen mit seinem Team versucht er, die analysierten Schwächen nun mit klar definierten Massnahmen zu beheben. Daniel Spielmann: «Mein Ziel ist, mich und mein Team in eine stabile, transparente und unentbehrliche Dienstleistungsstelle für die Mitarbeitenden zu entwickeln.»

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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